Dominic ist heute 13 Jahre alt. Als seine Mutter mir vor einigen Monaten von seiner Geburt erzählte, brach sie in herzzerreißendes Weinen aus. „Totenstille” im Kreißsaal, Hilflosigkeit der Hebammen und ÄrztInnen, das Ausbleiben einer Gratulation und später das Alleingelassensein auf der Wochenstation – nichts hat Beate vergessen. Atmosphäre und Gefühle um Dominics Geburt haben sich als eine traumatische Erfahrung in ihre Seele eingebrannt. Die Unfähigkeit der Professionellen hat es Beate extrem erschwert, ihr Kind mit Down-Syndrom anzunehmen. Die Geburt eines Kindes, das nicht in die Vorstellungen einer immer enger gesetzten Normalität passt, stellt uns vor besondere Aufgaben. Als diejenigen, die die dichte Situation des allerersten Kontakts begleiten, tragen wir eine große Verantwortung. Wie sollen Eltern Beziehung aufnehmen, wenn schon wir uns entziehen?

Empathie und Wärme – unser Dasein und Zulassen – ist es, was Eltern besonderer Kinder vor allem brauchen. Sie brauchen unseren Mut und unsere Authentizität für diesen Anfang einer lebenslangen Beziehung. Für diesen Beistand gibt es keine Patentrezepte, jede Situation ist einzigartig. Es ist aber elementar zu wissen, dass die Worte und Sätze, die in dieser Stunde gesprochen werden, sich tief einprägen. Mit unserer Begleitung können wir entscheidend dazu beitragen, dass diese erste Beziehungsaufnahme gelingt. Das Konzept der Filderklinik in Filderstadt bei Stuttgart, von dem Birgit Vent-Tauber berichtet, kann Anregungen für die eigene Praxis geben.

Eltern mit besonderen Kindern brauchen besondere Unterstützung – oft schon während der Schwangerschaft, wenn sie nach Pränataler Diagnostik vor schwerwiegenden Entscheidungen stehen. Ein Beziehungsangebot, die Zusage von Hilfe und Begleitung ermöglichen es vielen Eltern, sich für ihr Kind zu entscheiden – auch, wenn dieses Kind nicht perfekt ist. Dann kann aus einer „Zumutung” Mut erwachsen.

Die meisten Probleme der Eltern entstehen nicht aufgrund der Behinderungen oder Erkrankungen ihrer Kinder, sondern durch gesellschaftliche Ausgrenzung und infolge von Überforderung. Angebote wie die familienorientierte Nachsorge „SeeYou” im Hamburger Wilhelmstift oder die bundesweite Beratungsstelle Geschwisterkinder unterstützen das gesamte System Familie. „Wer bist du” als Mensch mit all deinen Besonderheiten und Eigenheiten? Was macht deine Individualität aus? Die Überlegungen von Dr. Till Reckert zu den grundlegenden Empfindungen, die jede erste zwischenmenschliche Begegnung prägen, ermutigen zum Innehalten. Wenn sich Beziehung ereignet, wird die Individualität eines Menschen erfahrbar, die weit mehr ist als eine körperliche oder geistige Besonderheit. Alleingelassen mit ihrem Kind spürte Beate, wie tröstlich es war, wenn sie Dominic ganz nah bei sich hatte. Eine einzige Nachtschwester war es, die sich ihr zuwandte. Sie half ihr, den Kleinen anzulegen und in ihrem Blick spürte Beate die Wärme und das Mitgefühl, das ihr so fehlte.