Dass eine Geburt für Frau und Kind ein gewaltiges Ereignis ist, ist eine selbstverständliche, fast banale Feststellung. Es gehört zu den großen Lebensleistungen von Frauen, die ihr Kind gebären, und jedem Menschen, der auf die Welt kommt, diese Naturgewalt durchzustehen und ihr standzuhalten. Seltsam, dass Frauen und ihre Kinder darüber hinaus immer wieder erleben, dass gerade in diesem „ausgelieferten” und schutzbedürftigen Moment eine zusätzliche, von ihren Mitmenschen ausgeübte Gewalt das Geburtserlebnis zu einer belastenden Erfahrung macht.

Warum können Frauen auch Jahrzehnte nach der Frauenbewegung – und deren Bewusstseinsbildung für eine selbstbestimmte Geburt – in diese „Falle” geraten? Ich kenne Berichte von Frauen aller Altersstufen, die zynische Worte, Achtlosigkeit oder ruppige Behandlung beim Gebären zum Teil bis ins hohe Alter ihr Leben hindurch mit sich herumgetragen haben.

Als Hebammenschülerin habe ich eine Geburtshilfe erlernt, die man noch keineswegs als „familienorientiert” bezeichnen konnte, geschweige denn im Dienste einer „sanften Geburt” des neugeborenen Kindes oder einer selbstbestimmten Geburt für die Gebärende. Was habe ich mich manchmal während meiner Ausbildung geschämt und selbst verachtet, wenn ich als „Mittäterin” Frauen und Neugeborene in die unerbittliche Routine gezwungen habe: türkische Frauen, die sich auf dem viel zu hohen Entbindungsbett in der Hocke auf die Wehen konzentrierten, völlig immun gegen deutsche Hinweise oder „Anweisungen” – spätestens in der Endphase der Geburt hatte ich sie in die flache Rückenlage gebracht. Von deren Sinn hatte mich niemand überzeugt. Oder die Neugeborenen, die ich im Akkord wickelte, um mein Pensum zu schaffen – manche schrien wie am Spieß – und nachdem ich einige Rügen eingesteckt hatte, machte ich weiter, ohne sie zu trösten. Als junge Hebamme schließlich, das Examen in der Tasche, das vorher Druckmittel für Gefügigkeit und Selbstverleugnung gewesen war, war es nicht ganz vorbei: Ich erinnere eine Anzahl von alptraumartigen Geburten, deren Bilder nie aus meinem Kopf verschwinden werden. Wo ich innerlich bleich wurde, mitzuerleben, dass Frauen so etwas angetan wurde – und mein Unvermögen, zu erleben, der Frau in dieser Situation nicht angemessen beistehen zu können.

Vielleicht war meine Entscheidung für die außerklinische Geburtshilfe ein Ausweichen vor der Arbeit miteinander und aneinander im Kreißsaal-Team. Ein Haushalten mit meinen Kräften. „Hut ab!” vor Hebammen, die sich auch in jahrelanger anstrengender Alltagsroutine großer Entbindungsabteilungen mit manchmal nervenzehrenden geburtshilflichen Situationen die Liebe zur Geburt, zu den Frauen und Kindern bewahrt haben und eine Geburtshilfe leisten, die es verdient, „familienorientiert” genannt zu werden.