Birgit Heimbach, Hebamme und Redakteurin der DHZ: »Immer mehr Frauen teilen ihre Erfahrungen rund um eine Fehlgeburt und scheinen sich davon getröstet zu fühlen.« Foto: © Markus Heimbach

Auf Instagram hatte vor zwei Monaten das US-amerikanische Model Chrissy Teigen, Frau des Sängers John Legend, über ihre Fehlgeburt in der 20. Schwangerschaftswoche Fotos und Texte gepostet. Man sah sie mitten im Geschehen, weinend, im verrutschten Nachthemd, mit Papierhaube und Infusion auf dem Bettrand im Krankenhaus sitzend. Man erfuhr von starken Blutungen und Bluttransfusionen, sah sie mit dem Bündel im Arm zusammen mit dem Ehemann, las von ihrem tiefen Schmerz. Es sei ein Club, dem niemand angehören möchte, aber es sei tröstlich, dass sie nicht allein seien. Man staunte über die enthüllte Intimität. Aber Teigen verkündete, dass diese Bilder für diejenigen seien, die sie bräuchten.

Dass sie auch »diesem Club angehörten«, hatten schon andere Prominente bekundet und ihre Erfahrungen weitergegeben, darunter die amerikanische Pop-Sängerin Beyoncé, die später resümierte, dass sie erst sich selbst bemuttern lernen musste, bevor sie jemand anderen bemuttern konnte. Auch Herzogin Meghan vom englischen Königshaus berichtete im November 2020 emotional von einer Fehlgeburt. Solche Offenbarungen waren etwas Neues. Aber dass nun die ganze Welt so unmittelbar teilnehmen konnte, war ein Schritt weiter.

Diese laute Klage, die durch ihre Wucht direkt zur Mitklage animierte, erinnert an die früher praktizierte Totenklage, bei der ein Verlust laut beweint wurde – bis später stille, in sich gekehrte Trauer im Christentum mit Gebeten und kirchlichen Gesängen üblich wurde. Viele Trauerbräuche verschwanden. Das Internet ist nun ein neuer Ort für neue Bräuche. Hier muss man nicht still und allein sein. Es gibt etwa Trauerforen für Eltern nach einer Fehlgeburt, in denen sich auch andere Betroffene einfinden, in virtuellen Friedhöfen können Fotos und Erinnerungen geteilt werden. Die Riesencommunity in den Sozialen Medien vermittelt offenbar ein Gefühl, aufgefangen zu sein in dieser Notsituation. Auf der Internetseite »Das Ende vom Anfang« berichten Frauen ausführlich über ihre Fehlgeburten und die Umstände. Für viele stellt dies eine Art Therapie dar. In dieser Ausgabe berichtet die Gründerin der Homepage über ihre Beweggründe. Diese für alle verfügbaren wahrhaftigen Geschichten kann man als einen Erfahrungsschatz für alle werten.

Durch das bei einer Fehlgeburt vorwiegend intervenierende Vorgehen der letzten Jahre fehle heute vielen Frauen und geburtshilflich Tätigen das Wissen über den natürlichen Ablauf einer Fehlgeburt, erläutert die Hebamme Franziska Maurer in ihrem Beitrag. Entsprechend wichtig seien alle Erfahrungen von Frauen und Hebammen besonders im physiologischen Verlauf einer Fehlgeburt. Sie beschreibt, wie Hebammen Frauen durch maximalen Schutz und beruhigenden Beistand im Akutgeschehen so begleiten können, dass diese gestärkt aus dieser Lebenserfahrung herausgehen.

Zitiervorlage
Heimbach, B. (2021). Neue Töne zur stillen Geburt. Deutsche Hebammen Zeitschrift, 73 (1), 1.

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