Birgit Heimbach, Hebamme und seit 25 Jahren Redakteurin der DHZ: »Wie schön, dass junge Hebammen heute ausgestattet mit Wissen rund um die Familienwerdung in ihren Beruf starten können.« Foto: © Markus Heimbach

Die meisten Kinder bekommen irgendwann ein Mobile geschenkt: aneinander gehängte Stöcke, an deren Enden weitere Fäden und Stäbe befestigt sind, woran Figuren baumeln. Bei jedem Luftzug bewegen sie sich vergnügt und spielerisch. Der Begriff Mobile stammt aus der Kunst. Er wurde 1931 vom Künstler Marcel Duchamp für die Werke von Alexander Calder geprägt. Dieser hatte begonnen, bunt angemalte Aluminiumbleche beweglich an Drähten aufzuhängen, teils weit überlebensgroß. Damit wurde der US-amerikanische Bildhauer der Moderne berühmt.

Familien kann man sich gut wie ein Mobile vorstellen. Wird an einer Stelle etwas verändert, weggenommen oder hinzugefügt, verändert sich das komplette Gleichgewicht des Gefüges. Ein neues Baby verursacht – mitunter sogar sehr stürmisch – Bewegung und ein Ungleichgewicht im Beziehungssystem, so die (Familien-)Hebamme Heike Edmaier. Es müsse ein Ausgleich hergestellt werden, um das Mobile wieder ins Lot zu bringen. Das Ganze neu auszubalancieren wird sehr viel schwieriger, wenn gleichzeitig an mehreren Fäden oder Enden gezupft und gezerrt wird. Es besteht die Gefahr, dass dauerhaft eine Schieflage entsteht.

»Family Systems Care« heißt eine ganzheitliche Methode, die Edmaier einsetzt. Sie bezieht schon während der Schwangerschaft Eltern und Geschwisterkinder in die Betreuung ein. Dabei ist jedes Familienmitglied ein Hauptdarsteller. Jedem wird die Möglichkeit gegeben, eine neue Position im System zu finden, die zu ihm passt und das Ganze in einer stabilen, entspannten Form hält. Am Institut für Hebammenwissenschaft und reproduktive Gesundheit der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) erläutert Edmaier den Hebammen­student:innen die Vorgehensweise. Mit ihrer Kollegin, der Pflegefachfrau Barbara Preusse-Bleuler, beschreibt sie in dieser Ausgabe den Prozess der Kompetenzentwicklung, wozu es etwa gehöre, allparteilich die innerfamiliäre Kommunikation zu stärken. Wie schön, dass heute junge Hebammen ausgestattet mit Wissen rund um die Familienwerdung in ihren Beruf starten können!

Um Familien früh genug zu entlasten und Stress zu reduzieren, hat die Hebamme Elisabeth Kurth in der Region Basel das Hebammen-Netzwerk »Familystart« gegründet. Und Dorothea Heidorn hat in Mittelhessen schon vor Jahren eine spezielle Art der Intervention für die natürliche Krise des Familie-Werdens entwickelt: Als Lotsin könne die Hebamme mit empathischer, analytischer und kommunikativer Kompetenz jungen Eltern zu Selbstwirksamkeit und Autonomie verhelfen, so Heidorn. Dabei könne auch Neugier und Freude geweckt werden. Ähnliches sagte Alexander Calder, der es für seine Kunstwerke so formulierte: »Wenn alles klappt, ist ein Mobile ein Stück Poesie, das vor Lebensfreude tanzt und überrascht.«[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row]

Zitiervorlage
Heimbach, B. (2025). Mobile im Lot? Deutsche Hebammen Zeitschrift, 77 (7), 1.