Katja Baumgarten, Hebamme, Filmemacherin, seit 25 Jahren Redakteurin der DHZ: »Was lag näher als die Hebammen­geburtshilfe auch ins Krankenhaus zu holen?« Foto: © Christian Iseli

Unvergessen ist die Aufbruchsstimmung, als der erste Impuls für den Hebammenkreißsaal (HKS) entstand. Das geschah 1998 in Bremen beim Kongress des Bundes Deutscher Hebammen (BDH), wie der Deutsche Hebammenverband (DHV) damals noch hieß. Neben der traditionellen Hausgeburtshilfe hatten sich in den 1990er Jahren Hebammengeleitete Einrichtungen und die Arbeit im Team allerorten entwickelt. Was lag näher als die Hebammengeburtshilfe auch ins Krankenhaus zu holen? So ließen sich drei Pluspunkte verbinden: die eigenverantwortliche Eins-zu-eins-Betreuung mit Fokus auf die individuellen Bedürfnisse der Frau und der achtsame Schutz eines physiologischen Geburtsverlaufs als Kernkompetenzen freiberuflicher Hebammen – dazu die medizinisch höhergradige Versorgung bei unvorhergesehenen Entwicklungen ohne zeitraubenden Transport. Ich war überzeugt, dass diese gute Idee einschlagen und in Kürze flächendeckend verfügbar sein würde. War sie aber nicht.
Warum hat es so lange gedauert, dieses Angebot deutschlandweit umzusetzen? In manchen Nachbarländern war das Modell längst etabliert, davon hörte ich schon in den Anfangsjahren meiner Redaktionsarbeit für die DHZ. Bei ICM- und deutschen Geburtshilfekongressen, auf den Tagungen der Hochschule Osnabrück und der DGHWi wurden vielversprechende Forschungsergebnisse zum Hebammenkreißsaal vorgetragen. Dennoch wurde das Angebot hierzulande als zartes Pflänzchen gehegt und tapfer hochgehalten.

Die Zahl der Hebammenkreißsäle blieb über zwei Jahrzehnte verschwindend – im unteren zweistelligen Bereich bei damals mehr als 1.000 geburtshilflichen Abteilungen. Auch heute sind die rund 60 HKS überschaubar bei inzwischen etwa 600 Kreißsälen – 540 Geburtskliniken haben ihn demnach nicht im Angebot. Immer noch ein Mauerblümchen? Aufwind bekommt der HKS aktuell durch ein förderlicheres politisches Klima, die wachsende Bereitschaft, wieder mehr in die Hebammenbetreuung bei der Geburt zu investieren, und die Initiative des DHV, mit dem Zertifikat HKS+ das Angebot für die Nutzerinnen transparent zu machen.

Als ich vor 25 Jahren die Einladung bekam, die DHZ aktiv mitzugestalten, hatte ich meine redaktionelle Mitarbeit zunächst als »Übergangslösung« geplant. Die Aprilausgabe erschien im Jahr 2000 erstmals verbandsunabhängig und mit neuem Konzept. Ich fing sofort Feuer und so hat die Fachzeitschrift, die ich schon seit 1979 gelesen hatte, meinen Lebensweg mitbestimmt. Der Hebammenkreißsaal hat mich wie ein roter Faden durch meine Zeit als Redakteurin begleitet. Ich freue mich darauf, mit dem Auftrieb, den der HKS nun bekommt, seinen Durchbruch als selbstverständliches geburtshilfliches Angebot mitzuverfolgen.

Zitiervorlage
Baumgarten, K. (2025). Ein langer Weg. Deutsche Hebammen Zeitschrift, 77 (4), 1.