
Birgit Heimbach, Hebamme und seit 25 Jahren Redakteurin der DHZ: »Noch in den 1980er Jahre haben wir Hebammenschülerinnen alle Schwangeren mit dem Beckenzirkel vermessen.« Foto: © Markus Heimbach
Wie eine Schüssel trägt das Becken die Organe der Schwangeren und das Kind. Noch in den 1980ern haben wir Hebammenschülerinnen alle Schwangeren mit dem Beckenzirkel vermessen. Lange war man überzeugt, dass man früh genug von einem Missverhältnis wissen müsse, um rechtzeitig Maßnahmen zu ergreifen, etwa einen geplanten Kaiserschnitt. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts, als dieser Eingriff noch nicht sicher war und Beckendeformitäten durch Krankheiten wie Rachitis häufig waren, konnte eine Schwangerschaft zur Lebensgefahr für Mutter und Kind werden. Als Rettung kam unter der Geburt oft nur eine Erweiterung des Beckens durch Zersägen knöcherner oder knorpeliger Strukturen in Betracht. Oder man opferte das Kind, indem man es zerstückelte. Um diese Katastrophe zu verhindern, wurden viele Beckenmessgeräte entwickelt, etwa um sich dann für eine vorzeitige Geburtseinleitung zu entscheiden.
An der Uni-Frauenklinik in Greifswald gab es bis vor kurzem ein Museum mit Pelvimetern zur äußeren und inneren Messung. Der Geburtshelfer Prof. Dr. Günter Köhler kümmerte sich 50 Jahre lang darum. Jetzt 81-jährig und seit Januar im Ruhestand, erklärt er in dieser Ausgabe, warum er die Beckenmessung immer noch sinnvoll findet. Auch eine Hebamme und eine Chefärztin beziehen Stellung. Wie stark ein Becken deformiert sein kann, zeigen 32 Präparate im Medizinhistorischen Museum in Kiel. Dort war der Medizinhistoriker Dr. Ulrich Mechler an der Ausstellung »Female Remains – Frauenschicksale und die Vermessung der Geburt« beteiligt.
Der Göttinger Chefarzt der Geburtshilfe und Gynäkologie Eduard Kaspar Jakob von Siebold (1801–1861) gab als normale Dicke der Grundfläche des Heiligenbeins 2,5 Zoll an. So nannte man im 19. Jahrhundert den großen Keil zwischen den beiden Beckenschaufeln. »Bein« stand für Knochen. Die Bezeichnung war eine Übersetzung vom lateinischen »Os sacrum«. »Os« bedeutet Knochen, »sacrum« heilig. Die Römer übernahmen dies von den Griechen, bei denen es umgedreht »hieron osteon« (heiliger Knochen) hieß. Und die wiederum entlehnten den Begriff von den Ägyptern.
Das Kreuzbein, worin das altdeutsche Wort Kreutz für Last steckt, hat in vielen Kulturen eine mystische Bedeutung. Es ist, vermutlich aufgrund seiner Größe, der letzte Knochen, der nach dem Tod zerfällt. Daher galt er als eine Art Fundament, aus dem neues Leben entspringt. Im Judentum besteht der Glaube, das Kreuzbein enthalte den Kern für die Auferstehung des Körpers. Der Rabbi Josua beschrieb diese Besonderheit dem römischen Kaiser Hadrian im 2. Jahrhundert n. Chr.: »Selbst, wenn du es in einer Handmühle mahlst, wird es nicht pulverisiert.«