Wann beginnt die Bindung zwischen uns und unserem Kind? Wenn uns der erste forschende Blick des Neugeborenen direkt ins Herz trifft, wenn wir sein Körpergewicht spüren – leicht und schwerwiegend zugleich, wenn die Zartheit seiner Haut und sein Duft sich für immer einprägen? Staunen und Überraschung über die Fremdheit der kleinen Persönlichkeit, die nun nicht mehr symbiotisch von innen zu spüren ist, sondern zum Gegenüber wird – gleichzeitig die tiefe Vertrautheit, als habe man sich schon ewig gekannt. Die Verbundenheit hat ihre Wurzeln im besten Fall, wenn das Kind seinen Eltern vom ersten Moment des Gewahrwerdens willkommen ist. Doch Sorgen, Zukunftsängste, Partnerschaftsprobleme oder die Unsicherheit dem eigenen Vermögen gegenüber machen es Eltern oft nicht leicht, bereitwillig die unauflösliche Bindung zu ihrem Kind einzugehen. Manchmal geht es gar nicht.
Welche Rolle beim Bindungsgeschehen die Ultraschalluntersuchungen in der Schwangerschaft spielen, wird in der medizinischen Routine wenig reflektiert. Für viele ist klar, dass die Abbildung vom Kind die Bindung, insbesondere des Vaters, fördert. Wen durchströmt beim Anblick der schwarzweißen Formationen im Bildschirm nicht ein warmes Gefühl der Berührung? Aber zu welchem inneren Bild und welcher Art der Bindung führt das? Viele Eltern wagen nicht, das Kind, so wie es ist, anzunehmen und ihm ihre Elternschaft zu versprechen, solange die Pränataldiagnostik nicht ihr „OK“ gegeben hat. Meist erst danach wird die Schwangerschaft „offiziell“ bekannt gegeben. Kaum ein Elternpaar wird heute noch bei der Geburt vom Geschlecht seines Kindes überrascht.
Besonders nachdenklich macht die Einführung des dreidimensionalen Ultraschalls: Wie viel vom Kind bildet das im Computer berechnete 3D-Modell wirklich ab? Die Unebenheiten der Haut durch minimale Rechenfehler erinnern an Warzen – auch die künstliche goldorange Einfärbung hat nichts mit dem echten Kind gemein. Und doch fällt es unserer Sehgewohnheit bei diesen konkreten Bildern schwer, die tatsächliche Abbildung eines Körpers vom virtuellen Konstrukt kritisch zu unterscheiden. Das Kino nutzt Computertechnik seit langem, um Undarstellbares darstellbar zu machen. Wie trennend Ultraschall sein kann, wurde mir beim Perinatalkongress vor einigen Monaten einmal mehr deutlich, als ein Pränataldiagnostiker sagte, er spreche mit den Eltern erst von ihrem Kind wenn es auch aussehe wie ein Kind, nachdem Eltern beim Anblick einer 3D Darstellung einmal gesagt hatten: „Das sieht ja aus wie ein Alien!“ Eigentlich eine gesunde Reaktion der Eltern, dass diese Darstellung für sie nichts mit ihrem Kind sondern – wie das Thema eines bekannten Films – mit „einem unheimlichen Wesen aus einer fremden Welt“ zu tun hatte. Bei dem Arzt führte das nicht dazu, die Grenzen des 3D-Ultraschalls klarer zu vermitteln – er ging selbst auf Distanz zum Ungeborenen. Welchen Wert haben solche „Untersuchungen“ für die Verbundenheit von Eltern zu ihrem Kind?