
Herbert Antweiler, Bildhauer und Diplom-Pädagoge, hat die Geburtshilfe im St. Franziskus-Krankenhaus erst 2008 neu gestaltet (siehe auch DHZ 6/2012, Seite 68ff.). Nun wird sie geschlossen. Foto: © Privates Archiv Herbert Antweiler
„Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.” So steht es im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland im Artikel 2 Absatz 2.
Im ländlichen Rhein-Sieg-Kreis versorgt das St. Franziskus-Krankenhaus die rund 39.000 Einwohner der Gemeinden Eitorf und Windeck. Auf dem Hintergrund ihres Notstandshaushaltes haben die Eitorfer Ratsmitglieder sich entschieden, ihr defizitäres Krankenhaus für einen symbolischen Preis an einen privaten Krankenhausträger zu verkaufen, um es vor seiner Schließung zu bewahren. Jetzt aber wird die Geburtshilfeabteilung geschlossen!
Das Krankenhaus hat den Auftrag, die grundlegende medizinische Versorgung der Eitorfer und Windecker sicherzustellen. So sehen es die BürgerInnen und so schreibt es auch die neue Klinikleitung auf ihrer Internetseite. Trotzdem wurde die Schließung der erst 2008 aufwändig neu eingerichteten Geburtshilfestation zum Jahresende 2013 angekündigt und die leitende Ärztin kurzfristig entlassen. Begründung: Trotz stetig steigender Geburtenzahlen – 2007 waren es 48 Geburten, 2013 sind es schon 160, dazu kommen noch etwa 30 ausstehende gegen Jahresende 2013 – trage die Station sich wirtschaftlich nicht.
Eitorf ist kein Einzelfall – überall im Land sind ähnliche Vorgänge zu beobachten, so aktuell auch auf der Insel Sylt, wo die Wogen hoch schlagen. Das Wohl des Menschen – des werdenden Lebens – steht wohl nicht mehr an erster Stelle.
Hier stellt sich wieder einmal die Frage: Darf die öffentliche Hand wesentliche Elemente der leiblichen und medizinischen Grundversorgung ihrer StaatsbürgerInnen, für die sie verfassungsgemäß verantwortlich sein sollte, in die Hände eines privatwirtschaftlichen, vorrangig nach Gewinn strebenden Unternehmens legen? Die Menschen rund um Eitorf wollen nicht nur einen Rettungsdienst mit Notfallambulanz und Chirurgie in angemessener Entfernung erreichen können, sie wollen auch ihre Kinder sicher zur Welt bringen. Auch hier geht es um Leben und Tod.
Die Frauen kamen auch aus dem weiteren Umkreis, um in Eitorf ihr Kind zu bekommen. Warum? 2008 hatte sich ein Team aus vier Hebammen, einer Frauenärztin und mir selbst erfolgreich darum bemüht, in neu geschaffenen Räumlichkeiten eine Geburtshilfe der besonderen Art zu ermöglichen. Wir garantierten eine persönliche Rundumbetreuung von der ersten Stunde bis zum Ende der Nachbetreuung und boten für die Krankenhausgeburt eine Wohlfühlatmosphäre an, die von einer Mutter folgendermaßen charakterisiert wurde: „Eigentlich wollten wir zu Hause gebären, als es dann aber doch das Krankenhaus sein musste, habe ich danach gedacht, dass man sich in diesen paradiesischen Räumen vielleicht doch noch besser entspannen konnte, als das zu Hause möglich gewesen wäre.” Mit der Entspannung ist dann wohl auch die deutlich unterdurchschnittliche Kaiserschnittrate – 21 Prozent im Vergleich zu circa 33 Prozent im Bundesdurchschnitt – zu erklären, die als Maßstab für die besondere Qualität der umfassenden Geburtshilfebetreuung angesehen werden kann.
Eitorfer Privatleute und UnternehmerInnen ermöglichten damals die Gestaltung der Geburtsräume mit einer fünfstelligen Spendensumme. Die BürgerInnen haben Initiative gezeigt, um etwas Besonderes zu verwirklichen. Was wäre unsere Gesellschaft ohne solches Engagement? Wird das alles nun tatsächlich auf dem Altar einer vordergründigen Kosten-Nutzen-Rechnung geopfert?
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