Birgit Heimbach, Hebamme und Redakteurin der DHZ: »Artikel 3 des Grundgesetzes betont, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind und niemand aufgrund seiner Abstammung, Herkunft oder Sprache benachteiligt werden darf.« Foto: © Markus Heimbach

Ein Tag auf einer deutschen Wochenstation: Einem kenianischen Baby nimmt eine Hebamme wegen des Verdachts auf Neugeborenenikterus Blut ab, weil sie nicht weiß, dass man TcB-Messgeräten auch bei dunkler Hautfarbe trauen kann. Eine Autorin in dieser Ausgabe bezeichnet die unnötige Blutentnahme als Körperverletzung aufgrund von institutionellem Rassismus.

Ein Tag in einem deutschen Kreißsaal: Der Geburtshelfer möchte einer Japanerin eine PDA zukommen lassen, aber in keiner Sprache kann ihr der Eingriff erläutert werden. Die Anästhesisten lehnen wegen nicht möglicher Aufklärung ab. Der Geburtshelfer verlegt die Kreißende in eine andere Klinik. Dass kein Dolmetscher finanziert werden konnte, bezeichnet er als institutionellen Rassismus. Der Frau sei eine medizinische Leistung vorenthalten worden.

Vertrackt: Artikel 3 des Grundgesetzes betont, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind und niemand aufgrund seiner Abstammung, Herkunft oder Sprache benachteiligt werden darf. Ärzt:innen und Hebammen sind verpflichtet, allen Patient:innen die jeweils nötige medizinische Leistung zukommen zu lassen und sie darüber aufzuklären. Laut SGB V sind letztere allerdings selbst für Übersetzer:innen und Dolmetscher:innen zuständig – was oft nicht klappt. Fehlende Finanzierung triggert Verständigungsprobleme. Das führt allseits zu Unzufriedenheit, Ohnmacht und Frustration und kann sich in aggressiven Konflikten zuspitzen.

Die Benachteiligung durch den fehlenden rechtlichen Anspruch auf Sprachmittlung in der Gesundheitsversorgung samt Kostenübernahme kann als struktureller Rassismus gesehen werden. So formuliert es ein Positionspapier, auch unterschrieben von der Migrationsexpertin Prof. Theda Borde an der Klinik für Gynäkologie der Charité in Berlin. Verwunderlich, dass es nicht schon praktikable Möglichkeiten durch Einrichtungen wie das Ethnomedizinische Zentrum in Hannover gibt, das schon seit den 1980ern Sprachdienste anbietet.

Der Harvard-Professor Dr. David R. Williams arbeitet daran, das Gesund­heitswesen so zu verbessern, dass kein Mensch mehr aufgrund seiner ethnischen Zugehörigkeit eine minderwertige Gesundheitsversorgung erfährt. Dies komme oft zur tagtäglichen Diskriminierung dazu, die schon von vornherein zu schlechterer Gesundheit führe. Um solche Diskriminierungs­erfahrungen genauer zu erfassen, entwickelte er die »Everyday Discrimination Scale«.

In seinen Seminaren sitzt die Vorstandsbeauftragte für Migration, Integration und Anti-Rassismus vom Hamburger Uniklinikum Eppendorf Dr. Sidra Khan- Gökkaya, mit der ich ein Interview führen konnte. Williams ist ihr Mentor. Durch solche Einflüsse wird im hiesigen Gesundheitssystem schon einiges gegen Rassismus und Diskriminierung getan. Auch wenn es noch nicht jeden Tag sichtbar ist.

Zitiervorlage
Heimbach, B. (2024). (Not) Every Day. Deutsche Hebammen Zeitschrift, 76 (1), 1.