Katja Baumgarten, Hebamme, Filmemacherin und Journalistin: »Das Recht der Frau auf die unge­teilte Aufmerksamkeit einer Hebamme darf nicht geopfert werden.« Foto: © Christian Iseli

Allenthalben hört man von Schließungen bewährter und beliebter geburtshilflicher Abteilungen. Oft sind aus wirtschaftlichen Gründen gerade die Kreißsäle betroffen, in denen engagierte Hebammen und Ärzt:innen mit familienorientierten Konzepten arbeiten und einen hohen Anteil an Eins-zu-eins-Betreuung leisten. Rückt die Chance zur flächendeckenden Einführung dieser Betreuungsform in weite Ferne? Verschwinden noch mehr Kreißsäle und verdichtet sich die Arbeit in den verbleibenden Geburtsabteilungen? Viele werden weder mit ausreichendem Personal noch mit neuen Räumen für den Zuwachs an Geburten ausgestattet. Oder ist die anstehende Krankenhausreform der richtige Schritt, um das Recht der Gebärenden auf eine verlässliche Hebamme an ihrer Seite zu implementieren und zu finanzieren?

Auf die kleine Abteilung im sächsischen Grimma wurde ich durch die Petition einer engagierten Mutter vor Ort aufmerksam. Bei der Recherche und den Gesprächen mit Kolleginnen aus dem Team wurde mir bewusst, welch ein Schatz für die Familien dort zunichtegemacht werden sollte. Die Schließung stand im Raum für Ende März – mit der Hoffnung, dass es eine Lösung für den Fortbestand geben würde, als Jana Ebener aus dem Beleghebammenteam begann, ihren Beitrag für unser Schwerpunktthema zu schreiben (siehe Seite 8ff.). Als sie ihn kurz darauf vollendet hatte, war das, worüber sie mit Herzblut berichtet, bereits Schnee von gestern. Die Geburtsstation in Grimma war schon zum 1. November geschlossen worden – aus wirtschaftlichen Gründen, heißt es!

Auch Abteilungen mit weit über tausend Geburten müssen schließen, wie die Geburtshilfe mit einem der ersten deutschen Hebammenkreißsäle in Herrenberg bei Tübingen. Schmerzhaft erlebe ich eine anstehende Schließung in meiner Nachbarschaft: die geburtshilfliche Abteilung im Friederikenstift in Hannover-Linden – seit 180 Jahren eine wichtige Institution im Stadtteil und seit Jahrzehnten mit dem Ruf, für eine humane Geburtshilfe einzutreten. Solange ich aktive Hebamme war, habe ich dorthin Schwangere verwiesen oder Gebärende verlegt, wenn die Hausgeburt nicht möglich war – und wurde selbst immer kollegial empfangen und unterstützt.

Kürzlich war ich in Berlin-Kreuzberg bei einer Veranstaltung des Bündnisses »Vernetzung Geburtshilfe«. Nach einem Vortrag der Politikwissenschaftlerin Tina Jung zur »Ökonomisierung der Geburtshilfe« diskutierten an die 80 meist jüngere Teilnehmer:innen über die Krankenhausreform. Es herrschte eine kritische, aktivistische Stimmung, die an die Gesundheitsladenbewegung Anfang der 80er Jahre erinnerte. Dass über die künftigen Bedingungen des Gebärens von jährlich fast 800.000 Frauen wenige »Expert:innen« in der Politik entscheiden, ohne die Betroffenen und die geburtshilflich Tätigen einzubeziehen, wollen sie nicht hinnehmen. Das Recht der Frau auf die ungeteilte Aufmerksamkeit einer Hebamme, wie sie traditionell normal war, darf nicht wirtschaftlichen Zielen geopfert werden. Ökonomisch betrachtet ist eine glückliche Geburt eine lohnende Investition in die Zukunft!

Ich wünsche Ihnen eine besinnliche Adventszeit und ein frohes Fest!

Zitiervorlage
Baumgarten, K. (2023). Investition in eine glückliche Zukunft. Deutsche Hebammen Zeitschrift, 75 (12), 1.