Hebammen wissen, wie lange ein Schwangerschaftsabbruch eine Frau zuweilen beschäftigt, manchmal auch belastet. Oft sind es intime Gespräche, wenn Frauen – gelegentlich auch Männer – ihre Trauer um die Kinder, die nicht geboren wurden, offenbaren. Wie wichtig eine einfühlsame und sorgfältig klärende Schwangerschaftskon­fliktberatung ist, zeigt sich oft Jahre später: ob die Entscheidung, ein Kind nicht zu bekommen, ausgereift war und möglichst wenig Widersprüche offen gelassen hat. Heute, wo ein Schwangerschaftsabbruch für viele Einrichtungen ein „Regeleingriff” geworden ist, für den sich die Frau zum Glück nicht mehr rechtfertigen muss, sollte umgekehrt nicht vergessen werden, dass ein „Abbruch”, auch wenn es für die eine Frau Befreiung aus Bedrängnis ist, für die andere nicht immer die Lösung ihres Konflikts sein muss. Ich habe von Frauen gehört, denen – nachträglich gesehen – alles „zu leicht” und „zu schnell” ging, ohne dass ihnen heilsamer Widerstand in ihrer Lebenskrise entgegengesetzt wurde. Sicher fehlten ihnen nicht beschämende Verhöre und Maßregelungen, wie es ältere Frauen häufig berichten, wenn sie beispielsweise vor der Reform des § 218 in den 70ern versuchten, mit einem psychiatrischen Gutachten eine Indikation für einen legalen Abbruch zu erlangen. Es ist eine Gratwanderung, die Forderung der Frauenbewegung nach freier Entscheidung von Frauen über ihre Fruchtbarkeit zu respektieren und gleichwohl sie rechtzeitig darauf hinzuweisen und davor zu schützen, dass ein Abbruch unter Umständen auch eine tiefe Selbstverletzung bedeuten kann.

Der späte Abbruch nach der 14. Schwangerschaftswoche, mehr noch in der zweiten Schwangerschaftshälfte, stellt eine besondere Herausforderung für die Gesellschaft dar – vor allem für das ausführende Personal und erst Recht für das Elternpaar. Die Konflikte in der Entscheidung zum Fetozid und schließlich seine Ausführung bilden dabei den Höhepunkt. Wird dieses Problem deshalb so verschwiegen behandelt? Auch das Erlebnis, von dem mir eine Hebammenschülerin berichtete, berührt eine Schmerzgrenze: Sie hatte im Kreißsaal miterlebt, wie die Geburt des Kindes einer geistig behinderten Frau vorzeitig in der 24. SSW eingeleitet wurde. Offenbar war die Schwangerschaft der 40-Jährigen erst kurz zuvor bemerkt worden, ihre 70-jährige Mutter hatte in ihrem Namen zügig über den Abbruch entschieden. Es gab – nach Kenntnis der Hebammenschülerin – keine Anzeichen dafür, dass das Kind nicht gesund war. Eine Adoption war offenbar keine Option gewesen. Die angehende Kollegin: „Diese behinderte Frau hat mich sehr lange beschäftigt, ich weiß noch, dass es im Nachtdienst geschah. Nachdem die Frau zur Ausschabung in den OP gefahren wurde, war meine Mitschülerin, die sie begleitet hatte, völlig fertig und wir haben beide im leeren Kreißsaal geheult – um dieses Kind und um die Frau, die gar nicht verstanden hat, um was es geht und warum sie in den OP musste.”