Als ich vor einigen Jahren in die Versuchung kam, den großen Brockhaus für die Familie anzuschaffen, um dem Internet einen traditionellen Wert entgegenzusetzen, rieten mir meine Kinder dringend davon ab. Heute weiß ich, dass er unbenutzt im Regal stehen würde, wie unsere anderen Lexika und Wörterbücher inzwischen. Einen Begriff in die Tastatur einzugeben und dann blitzartig die Fülle von Ergebnissen zu erhalten, lohnt nicht mehr das Nachschlagen in Büchern. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob mein jüngster Sohn es überhaupt noch beherrscht. Im Dezember 2007 titelte der Stern „Wikipedia schlägt Brockhaus“. Das Magazin hatte die Onlineenzyklopädie, an der jeder mitarbeiten kann, von Experten testen lassen: Im Vergleich mit der Onlineausgabe des 15-bändigen Brockhaus schnitt Wikipedia mit der Gesamtnote 1,7 gegenüber 2,7 für den Brockhaus ab. Wikipedia wurde als besonders aktuell beurteilt und auch Nobelpreisträger, die zu Stichworten aus ihrem Gebiet befragt worden waren, bewerteten sie positiv.
Seit ich vor elf Jahren meinen Internetzugang eingerichtet habe, hat sich meine Arbeit und die Art der Kommunikation vollständig gewandelt. Durch die Vernetzung ist ein direkter, auch internationaler Austausch in fast allen Bereichen selbstverständlich geworden – beruflich und privat. Ich bekomme sehr persönliche Nachrichten von unbekannten Menschen, die auf Informationen zu den Filmen auf meiner Webseite reagieren. Für die DHZ arbeite ich von meinem Büro aus mit unserem Team und mit den AutorInnen per E-Mail intensiv zusammen. Auch private Kontakte haben sich geändert. Briefe – vor allem handschriftliche – sind eine Rarität geworden. Zeit miteinander in einer direkten Begegnung, im ausführlichen persönlichen Gespräch zu verbringen erscheint immer kostbarer.
Hebammen müssen sich oft mit Fragen von Eltern auseinandersetzen, die beim Surfen im Netz irritiert oder falsch informiert werden. Umgekehrt kann es für ExpertInnen mit unzureichend aktualisiertem Wissen eine Herausforderung sein, wenn ihnen ausgezeichnet informierte Eltern gegenüber stehen. Informationskompetenz ist das Zauberwort, um dem überflutenden Angebot selbstbewusst standhalten zu können. Hier müssen Hebammen sattelfest und für Eltern gegebenenfalls Ratgeberinnen sein, wie und wo sie seriöse Informationen finden – sicher ein wichtiges Stichwort für den Geburtsvorbereitungskurs. Gerade Eltern in Krisensituation suchen häufig spontan Aufklärung im Internet. Nicht selten verlieren sie sich darin nachts, wenn sie ihren Sorgen ausgeliefert sind. Das Expertenwissen, auf das sie bei ihren Recherchen zuweilen stoßen, verunsichert und ängstigt umso mehr, weil sie es häufig nicht auf ihre eigene Situation bezogen, angemessen einschätzen können. Sensible individuelle Aufklärung, Orientierung und persönliche Begleitung durch einen sachkundigen, erfahrenen, vertrauenswürdigen Menschen, ist gerade heute für junge Familien unverzichtbar.