Illustration: © Melanie Garanin

Wann soll ich losfahren? Was mache ich, wenn die Fruchtblase platzt? Wie gehen Wehen?

Fragen über Fragen. Völlig normal. Schwangere zu beraten ist unser tägliches Brot. Wen könnten die Frauen fragen, wenn nicht uns? Arzt oder Ärztin hat keine Zeit. Die Mutter ist nicht zeitgemäß. Die Freundin hat keine Ahnung. Also: die Hebamme! So war es immer. Die Frauen haben uns vertraut.

Doch jetzt kommt Dr. Google mit den passenden Apps. Die wissen wirklich alles und dazu noch viel besser. Den perfekten Zeitpunkt für die Schwangerschaft kennt die Zyklus-App und sendet einen Alarm an den fruchtbaren Tagen. Den Geburtstermin berechnet der Baby-Countdown. Diese App zeigt ein Maßband, an dem die Schwangere täglich einen Zentimeter abschneiden kann bis zum Tag x – an dem 96 % der Kinder nicht zur Welt kommen.

Den Mutterpass nicht verstanden? Das erklärt sicher eine von mehreren hundert Apps besorgter Pharmafirmen, die obendrein die besten Nahrungsergänzungsmittel kennen. Wie oft soll sich ein Baby bewegen? Da hilft die Bewegungs-App. Einfach jedes Mal, wenn das Baby sich bewegt, die App aktivieren. Sie erinnert auch ans Zählen, falls die Schwangere mal nicht dran denkt.

Die Ernährungs-App: Alle empfohlenen Nährstoffe eingenommen? Fehlt noch was? Dann aber los! Die Trink-App: Heute schon genug getrunken? Jedes Glas Wasser eingeben, bei Erreichen des Solls spielt eine virtuelle Kapelle.

Ach, was rede ich – am besten kauft frau gleich das praktische Paket mit zehn Baby-Apps, inklusive »Hausmittel Pro« und »Kluges Putzen für Muttis« zum Sonderpreis von 8,95 Euro.

Und wenn das nicht genug ist, gibt es neuerdings auch virtuelle Hebammenpraxen. Durch ein kluges System können Frauen rund um die Uhr in einer von ihnen gewählten Sprache eine Hebamme erreichen, auf Wunsch auch vis-à-vis per Videocall.

Die neue Kunst wird jetzt sein, die Spreu vom Weizen zu trennen und herauszufinden, welche Angebote hilfreich und welche verkleidete Werbung sind. Ob Dr. Google diese Frage auch beantworten kann? Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Frauen am besten – so wie früher – ihre Hebamme.

Jetzt muss ich aber Schluss machen. Mein Schrittzähler hat eben meinem Handy gepetzt, dass ich mich heute noch nicht ausreichend bewegt habe!

Zitiervorlage
Schwarz C: Schwangerenberatung: Alles App? DEUTSCHE HEBAMMEN ZEITSCHRIFT 2017. 69 (12): 120

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