Illustration: © Melanie Garanin

Zugegeben: Es ist schon nervig, wenn der kleine Kontaktmagnet am Vorderrad nicht funktioniert und deshalb die Geschwindigkeit allenfalls am Gegenwind und einem steigenden Puls zu erahnen ist. Auch ist es mühsam, jedes Mal den Sportpartner zu fragen, mit welcher Durchschnittsgeschwindigkeit die Laufrunde diesmal bestritten wurde. Aber: Ich habe einfach kein gutes Gefühl dabei, von jedem Satelliten mit meinen Daten erfasst zu werden, kostenfrei und unfreiwillig mein Bewegungsprofil an große Konzerne oder kleine Ganoven weiterzuleiten. Beim freiwilligen Life-Tracking von Menschen in Joggingschuhen muss ich manchmal sogar mein Gehirn ermahnen, nicht alles zu befürchten, was man in guten Krimis so lesen kann.

Kürzlich hat uns die neue Datenschutzgrundverordnung graue Haare bereitet. Nicht nur die Landes- und Kreisverbände hatten ihre liebe Mühe, beim Zustellen der Mitgliederpost keinen Verstoß zu begehen. Auch in unseren Rollen als Elternvertreterinnen, Vereinsmitglieder, Unternehmerinnen mit Praxis oder Wochenbetthebammen mit Messenger-Dienst stießen wir an unsere organisatorischen und nervlichen Grenzen. Recht bald wurde klar, dass es viele Fallstricke bei der neuen Verordnung gibt und man nur hoffen kann, keinem der unzähligen Inkognito-Prüfer in die Hände zu fallen. Andererseits erlebe ich immer noch täglich, wie in Arztpraxen, Banken und Schienenverkehrsbüros recht sorglos und laut mit den Daten von Menschen umgegangen wird. Wo liegt also eine vernünftige Mitte beim Schutz von persönlichen Daten?

In diesen Covid-19-Tagen könnte das Verschenken oder Verkaufen meiner Daten sogar zum Lösegeld werden: Stelle ich meine Daten einer Tracking-App zur Verfügung, kaufe ich mir damit eine sonst sehr selbstverständliche, gerade rar gewordene Freiheit zurück. Einige PolitikerInnen gehen plötzlich sehr sorglos um mit dem dringenden Wunsch, die Schritte der Bürger möglichst lückenlos nachvollziehen zu können. En passant werden wir motiviert, unseren Tracking-Watches neben der Übermittlung unserer Schlaf-, Aufwach- und Bewegungsdaten auch noch zu erlauben, die Körpertemperatur, den Blutdruck oder die EKG-Linie mitzuteilen. Ich fühle mich erinnert an Juli Zehs Roman »Corpus Delicti«, in dem eine Gesundheitsgesellschaft skizziert wird, in der der Staat die Sicherung und Überwachung der Volksgesundheit mittels Hormonmessung im privaten Abwasser und täglicher Bewegungspflicht auf dem Ergometer auch mal härter durchsetzt. Der Chip zur Datenspeicherung juckt schon unter der Haut … vor lauter Grusel, dass es so kommen könnte!

Zitiervorlage

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