
Illustration: Birgit Heimbach
Still ist es im Vorsorgezimmer. Alle im Raum halten die Luft an: Der werdende Vater, die Hebamme und die werdende Hebamme sind ganz konzentriert auf den Gesichtsausdruck der schwangeren Frau. Zuerst hatte die Frau voller guter Hoffnung von den Bewegungen ihres ungeborenen Kindes erzählt: da der Po und hier immer wieder die Füßchen, dort unten oft der Schluckauf. Sie erzählt von seinem Temperament und den Rhythmen, in denen es mal ganz tief schläft, mal sehr aktiv ist. Danach tasten Hebamme und werdende Hebamme. – Tasten, das ist in der heutigen Vorsorgeüberwachung fast zum Alleinstellungsmerkmal der Hebammen geworden. Tasten, das mehr sagt, als wo der Rücken, der Po, die Füße und der Fundus sind. Tasten, das etwas aussagt über Körperliches, Greifbares, die Physis. Über das Fruchtwasser, den Uterustonus, die verborgene Entwicklung in dieser perfekt ausgestatteten Höhle. Über die Gesundheit. Dort, wo der Rücken des Babys sich zeigte, hören zuerst die Hebammen, dann der Vater des Ungeborenen mit dem Pinard einen klaren, kraftvollen Herzschlag.
Die Schwangere atmet ganz leise und flach. Nur nichts verpassen! Während die Hebamme das Ansatzstück des Fetoskops über dem Rücken des Kindes am Unterleib der Frau platziert, liegen die beiden Ohroliven links und rechts in den Ohrmuscheln der Frau. Ihr Blick geht fokussiert nach oben, sie kneift die Augen ein bisschen zusammen, horcht, hält inne und … lächelt! Sie wirkt gerührt, dann strahlt sie und ein verliebter Seufzer ist zu hören. In dem Moment erfasst sie ihr Kind mit allen Sinnen.
Sie hat das Herz ihres Kindes mit ihren eigenen Ohren gehört. Keine elektrisch verarbeiteten Schallwellen. Kein Akustiksignal. Keine Digitalanzeige. Keine farbige Durchflussmessung. Das echte Herzklopfen ihres echten Kindes mitten in ihrem Leib, mit dem sie es bald zur Welt bringen wird.
Jetzt weiterlesen mit DHZ+
1,- Euro für 4 Wochen
- freier Zugriff auf alle DHZ+-Artikel auf staudeverlag.de/dhz
- inkl. aller ePaper-Ausgaben der DHZ und der Elterninfos
- Zugriff auf das DHZ-Archiv auf dhz.de
- jederzeit kündbar