Illustration: © Melanie Garanin

Wie mag sie sich wohl gefühlt haben? So weit entfernt von dem, was üblich war um sie herum. Da hatte sie als junges Mädchen gedacht, dass sie – wie alle Mädchen – einmal einen Ehemann haben würde, hoffentlich einen guten, und Kinder.

Und jetzt fand sie sich wieder in einer prekären Situation: hochschwanger, ein Mann an ihrer Seite mit einer guten Seele, der sie nicht bloßgestellt hatte. Unterwegs auf einem Esel. Weit weg von der Heimat.

Da hatte es nicht nur ein bisschen Unruhe gegeben – Maria hatte ordentlich Stress in ihrer Schwangerschaft. Unerwartet und unter verstörenden Umständen schwanger geworden. Selbst verstehen müssen, anderen erklären müssen, vertrauen müssen, hoffen müssen, dass alles gut kommt. Dann dieses ungeborene Kind, das vielleicht kein »normales« sein würde, keins wie die anderen.

Sie musste eine unsägliche Reise auf sich nehmen, mitten hinein in die kalte Jahreszeit. Wie war es wohl, als sie spürte, dass es nicht mehr lange dauern würde? Dass die Zeit für die Geburt bald gekommen sein würde?

Das drängende Gefühl, irgendwo ein Nest bauen zu müssen, wenn schon nicht gemütlich, dann doch zumindest trocken und halbwegs sauber. Fern der Heimat keine Herberge, keine Bleibe finden. Nicht, wie immer gedacht, von den Frauen der vertrauten Gemeinschaft umgeben sein, die alles wissen über das Kinderkriegen, sondern in der Fremde, ohne Dach über dem Kopf, mit diesem lieben, aber auch etwas unbeholfenen Mann – Gebären war damals noch mehr als heute Frauensache.

Mehrfach wurden sie abgewiesen, obwohl sich Josef so ins Zeug gelegt hatte, eine Bleibe zu finden. Beginnende Wehen. Jetzt wurde es dringend!

Sie fanden einen Unterschlupf, nicht komfortabel, aber immerhin ein Dach über dem Kopf. Inneres Loslassen. Jetzt darf es sein! Jetzt darf das Kind kommen! Geburtsarbeit.

Ungeplante, ungewollte Alleingeburt. Die Instinkte machen lassen, das Kind sich gebären lassen. Kanal sein für das, was sein will. Öffnen und keinen Widerstand leisten, wenn das Kind sich mit seiner Dynamik auf diese Welt bringt.

Erschöpft muss sie gewesen sein. Von der langen Reise. Von der ständigen Ungewissheit, die sie verfolgte, seit sie der Schwangerschaft gewahr wurde. Aber auch glücklich und erleichtert. Mein erstes Kind! Und alles ist doch noch irgendwie gut gegangen. Gewusst haben, wie es geht, das Gebären!

Und da ist es, dieses geliebte, erstgeborene, sie zur Mutter machende, strahlende Kind.

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