Adéla Horejší: „Eines Tages werden die Frauen die Kontrolle über ihre Geburt wieder selbst bestimmen.“ Foto: Zdenek Lipenský; Liga lidských práv / League of Human Rights (www.llp.cz)

Jeder, der sich in Tschechien für die Veränderungen in der Geburtshilfe interessiert, kennt ihren Namen: Adéla Horejší. Sie und ihr Ehemann Richard, der wie sie Rechtsanwalt ist, vertraten im meistverfolgten „Geburtshilfefall” die Präsidentin der Hebammenunion Ivana Königsmarková. Diese wurde 2011 aufgrund eines angeblichen Fehlverhaltens bei der Begleitung einer Hausgeburt, die kompliziert verlief und wobei das Kind später starb, zu einer zweijährigen Gefängnisstrafe mit Aufschub von fünf Jahren verurteilt. Letzteres bedeutet, dass die verurteilte Person, wenn sie innerhalb von fünf Jahren nach dem Urteil in einen Konflikt mit dem Gesetz gerät, erneut ins Gefängnis muss.

Zudem sollte sie einer Krankenkasse 2.700.000 Tschechische Kronen bezahlen, umgerechnet etwa 100.000 Euro. Die Gerichtsverhandlung mit einer Reihe von Einspruchsverfahren zog sich jahrelang hin. Schließlich mündete sie in die Entscheidung des Verfassungsgerichts, dass die Hebamme unschuldig sei. Das letzte und befreiende Urteil des Verfassungsgerichtes wurde am 23. August 2013 gefällt – am 60. Geburtstag von Ivana Königsmarková. Das Kind sei nicht gesund gewesen und wäre auch im Krankenhaus gestorben, so die Begründung.

Hintergrund
Der Prozess um den Fall der tschechischen Hebamme Ivana Königsmarková durchlief schrittweise die Entscheidungen aller Instanzen des tschechischen Systems, der allgemeinen Gerichte und dann schließlich die Revision des Verfassungsgerichts.

Das Verfassungsgericht der Tschechischen Republik ist ein unabhängiges Verfassungsorgan und ein spezielles Gericht auf dem Gebiet des Verfassungsrechts. Es ist nicht Teil des Systems der allgemeinen Gerichte in Tschechien. Seine grundlegende Aufgabe ist die Verfassungsmäßigkeit der Rechtsordnung der Republik zu garantieren und den Schutz der Grundrechte zu gewähren.

Das System der allgemeinen Gerichte besteht aus einem dreistufigen Gerichtssystem. Die erste Stufe bilden Bezirksgerichte, die zweite Stufe die Kreisgerichte, die dritte Stufe die Obergerichte.

An der Spitze stehen das Oberste Gericht und das Oberste Verwaltungsgericht. Alle diese Gerichte haben Ivana Königsmarková verurteilt. Das heißt: Alle Instanzen bestätigten zuerst die Entscheidung gegen sie. Dann aber hat das Verfassungsgericht sie doch freigesprochen und alle vorherlaufenden Entscheidungen als verfassungswidrig aufgehoben.

Eva Labusová

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