
Illustration: © Melanie Garanin
Puh! Meine Fantasie spielt verrückt und die inneren Bilder gehen gerade mit mir durch. Auslöser ist ein Wochenbettbesuch. Die beliebte Frage: »Was können wir tun, wenn das Baby Bauchweh hat?« Mein empathisches Ohr kann die Not der Eltern, ja, vielleicht sogar imaginär das verzweifelte Weinen des Babys hören, das sich – ob nun wegen der feinsäuberlichen Erstinstallation seines lebenslangen Darmmikrobioms oder einfach weil der Besuch in der Shopping-Mall sein Nervenkostüm forderte – eindringlich in die Nerven der Eltern gräbt.
»Sag, was hältst du als Hebamme eigentlich von diesen Darmkathetern? In Amsterdam ist das gerade der Geheimtipp unter jungen Eltern …«. Ich erbitte mir Zeit, um mich informieren zu können, und verspreche eine Antwort beim nächsten Besuch.
Die Suchmaschine erklärt, dass das Dings der Rettungsanker eines jeden Kinderdarms und aller Elternohren sei. Es werde dem Säugling in den Enddarm eingeführt und ermögliche den quälenden Winden, dass sie sich nicht am Sphinkter vorbeiquetschen müssten, um nach draußen zu gelangen.
Es gruselt mich schon während des Lesens der Gebrauchsanweisung. Nach dem ersten Schock über ad absurdum geführte Naturprozesse geht es los mit dem Bilderkarussell: Als erstes denke ich über die Linsensuppe nach, die ich zuvor gegessen habe, und frage mich, ob das Dings eine gewisse Volumenbeschränkung hat. Anschließend frage ich mich, ob es vielleicht das stundenlange Warten auf noch so kleine Babyrülpser an der elterlichen Schulter erübrigen könnte, wenn man es ganz einfach nach dem Stillen in den Baby-Schlund einführte.
Danach gibt es in meinem Kopfkarussell kein Halten mehr. Wie geschickt wäre das Dings bei der nächsten Erkältung, wenn das Nasensekret ohne Überwindung von Widerständen der hinteren Nasenscheidenwände einfach so aus dem Kopf laufen könnte! Unweigerlich kommt mir in den Sinn, dass auch reflektorisches Erbrechen im Falle eines Infekts dank des Einführens eines Ablaufschlauches vielleicht dosierter am dafür geeigneten Ort landen könnte! Ganz zu schweigen von der Harnentleerung ohne nerviges Urinieren.
Während ich bei der Tagesschau mit dem Blick an meinem Partner hängen bleibe, frage ich mich, ob so ein Überdruck-Ablass-Ventil nicht auch für den Beziehungsfrieden geeignet sein könnte, wenn mal wieder zu viel Druck im System ist, ich aber viel zu müde bin oder Migräne im Anflug ist.
Wie gruselig, wenn Erfindungen die physiologische Weisheit ersetzen wollen. Mein Statement steht!
Jetzt weiterlesen mit DHZ+
1,- Euro für 4 Wochen
- freier Zugriff auf alle DHZ+-Artikel auf staudeverlag.de/dhz
- inkl. aller ePaper-Ausgaben der DHZ und der Elterninfos
- Zugriff auf das DHZ-Archiv auf dhz.de
- jederzeit kündbar