Dr. med. Sabine Koch, Abteilung Medizin beim GKV-Spitzenverband: „Sowohl eine hochwertige Versorgung durch Hebammen als auch ein hoher medizinischer Standard müssen gewährleistet bleiben.“ Foto: Privates Archiv Dr. Sabine Koch

In Deutschland nimmt der Anteil von Frauen, die durch einen Kaiserschnitt entbunden werden, stetig zu. Während im Jahr 2000 noch 21,5 Prozent aller im Krankenhaus geborenen Kinder mittels Kaiserschnitt auf die Welt kamen, waren es im Jahr 2009 bereits 31,3 Prozent (Kranken­hausstatistik, Statistisches Bundesamt, Wirtschaft und Statistik, Februar 2012). In den letzten Jahren kam es noch zu einem moderaten Anstieg auf 31,9 Prozent im Jahr 2010 und 32,1 Prozent 2011. Auffällig sind dabei die regionalen Unterschiede. So wies das Saarland 2011 laut Statistischem Bundesamt mit 38,2 Prozent die höchste Kaiserschnittrate auf, während Sachsen mit 23,2 Prozent die niedrigste hatte. Im internationalen Vergleich steht Deutschland mit dieser Entwicklung nicht alleine da. Auch in den meisten anderen europäischen Ländern stiegen die Sectioraten in den vergangenen Jahren kontinuierlich an. Wesentlich niedrigere Raten haben Finnland mit 15,7 Prozent und Dänemark mit 21,4 Prozent. Einige Länder wiesen 2009 aber auch eine deutlich höhere Rate als Deutschland auf, zum Beispiel Italien mit 38,3 Prozent und Portugal mit 36,2 Prozent, so die Daten der WHO (Euro Health for All Database 2011).

Gründe für den Anstieg der Kaiserschnittraten in Deutschland werden in Fachkreisen vielfältig diskutiert. Nach einer Studie der Bertelsmann-Stiftung aus dem Jahr 2012, durchgeführt von der Gesundheitswissenschaftlerin Prof. Dr. Petra Kolip und Kollegen, gibt es für diesen Trend jedoch nicht den einen Grund. Die bundesweite Zunahme der Kaiserschnittentbindungen wird vor allem in der Patientinnengruppe beschrieben, der eine sogenannte „relative“ Indikation zu einem Kaiserschnitt zugrunde liegt. Bei einer „relativen“ Indikation müssen für die Bestimmung des Geburtsweges die medizinischen Risiken für Mutter und Kind sorgfältig abgewogen werden. Sie liegt bei ungefähr 90 Prozent aller Kaiserschnittentbindungen vor, so die Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) und der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) von 2010. Bei der häufigeren Indikationsstellung zur Sectio in dieser Patientinnengruppe spielen unter anderem sowohl der veränderte Umgang der GeburtshelferInnen mit der Situation als auch versorgungsstrukturelle Faktoren eine Rolle. Auf die regionalen Unterschiede haben auch die unterschiedlichen Vorgehensweisen nach einer vorangegangenen Sectio einen Einfluss.

Auch die Bedeutung der Hebammenbetreuung für die Höhe der Kaiserschnittraten wurde in der Studie untersucht. Die Handlungsempfehlungen, die durch den sogenannten „Faktencheck Kaiserschnitt“ von Kolip et al. gegeben werden, beziehen sich insbesondere auf das Erstellen evidenzbasierter Leitlinien, ein kleinräumigeres Monitoring, mehr Transparenz und eine Stabilisierung der Rolle der Hebammen – wobei die meisten Krankenkassen schon jetzt deutlich auf den Anspruch der Schwangeren hinweisen, von Hebammen betreut zu werden. Ob diese Handlungsempfehlungen, so sie denn umgesetzt werden, dazu führen, dass die Kaiserschnittrate sinkt oder sich zumindest stabilisiert, wird sich erst mit der Zeit zeigen. Festzuhalten bleibt jedoch, dass sowohl eine qualitativ hochwertige Versorgung durch Hebammen als auch ein hochwertiger medizinisch-geburtshilflicher Standard gewährleistet bleiben müssen. Die Indikationsstellung für oder gegen einen Kaiserschnitt sollte unter Einbeziehung aller relevanten medizinischen Informationen erfolgen.

Zitiervorlage
Koch S: Kaiserschnittraten: Entwicklungen, Trends und Gründe. DEUTSCHE HEBAMMEN ZEITSCHRIFT 2013. 65 (6): 1

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