Barbara Streidl ist Journalistin und lebt mit ihrer Familie in München. Kürzlich ist ihre Streitschrift „Lasst Väter Vater sein“ erschienen. Foto: © Stephanie Füssenich

Da gibt es diesen Mann, der wirklich ein guter Vater ist. Er steht nachts sofort auf, wenn sein Baby hungrig wird und schreit, trägt den drei Monate alten Sohn zur Brust seiner Frau und wickelt ihn nach dem Stillen im Dunkeln. Dann singt er das Kind sanft zurück in den Schlaf, mit einem alten Wiegenlied der Tuareg. Am Morgen bringt er seiner Frau eine Tasse Fenchel-Kümmel-Anis-Tee und seine vierjährige Tochter mit dem Fahrrad in den Kindergarten. Er lächelt, wenn er einen anderen Mann sieht, der ein Baby in der Trage am Bauch trägt. Willkommen, scheint dieses Lächeln zu meinen, jetzt bist auch du einer von uns: ein guter Vater.

Einer, der mit vollem Einsatz traditionell mütterliche Aufgaben zusätzlich zu seiner Berufstätigkeit übernimmt. Dieser Mann nimmt genau so viel Elternzeit wie seine Frau, engagiert sich im Elternbeirat und als Vorlesepapa, backt jeden zweiten Kuchen für den Kindergeburtstag, eine knallbunte Eisenbahn-Vanilletorte mit veganer Lakritze ist seine Spezialität.

Leute, dieser Mann ist kein guter Vater, er ist ein Butler! Der nicht etwa von seiner Frau angestellt und mit unzähligen Aufgaben ausgestattet wurde, sondern von unserer Gesellschaft. Die aus Menschen geschlechterübergreifend eierlegende Wollmilchsäue machen möchte, die mit der einen Hand den Job, die Karriere, das bundesdeutsche Wachstum vorantreiben und mit der anderen die Familie bewahren. Dass Frauen unter der viel diskutierten Vereinbarkeit von Beruf und Familie extrem leiden, ist nachhaltig bekannt – und dass dieses Leid auch nicht durch den Ausbau der Kita-Angebote beendet werden kann, auch. Und Männer? Wenn sie sich das Gütesiegel des „guten Vaters” ans Revers heften wollen, müssen sie Wickelprofis sein, aber auch harte Hunde in ihrem Business.

Dabei ist das, was einen Menschen zur guten Mutter, zum guten Vater macht, nicht die täglich abgearbeitete Liste an Kinderbetreuungsaufgaben, sondern die Qualität der Verantwortung, die übernommen wird für die Kinder und sich selbst. Eine Verantwortung, die lebenslang gültig ist, die alles, gegebenenfalls sogar das Ende der Beziehung zum anderen Elternteil der Kinder überstehen muss. Eine tiefe Bindung, die auch dann noch gefragt ist, wenn die Kinder erwachsen, erwerbstätig oder selbst Eltern sind. Bei all den Vorstellungen, die heute zwischen Frühstückstisch und Sportschau so erschaffen werden unter dem Stichwort „Vater”, sollten wir vor allem daran denken – und nicht zu viel auf Charts für „Bei völliger Dunkelheit wickeln” setzen, so lustig die auch sein mögen.

Ja, ein Vater ist auch dann noch männlich, wenn er den Babybauch sanft massiert auf der Suche nach einem quälenden Pups und anschließend den Babypopo sorgfältig mit einem wohlduftenden Feuchttuch abwischt – sich also aus dem vormals weiblichen Baukasten, Abteilung Pflege, bedient. Aber: Er macht all das als Vater. Mit seinen persönlichen, individuellen Stärken und Schwächen. Er imitiert seine Partnerin nicht, wird nicht zur Mutter zweiter Klasse, sondern ist und bleibt der Vater.

Kommen wir noch mal zurück zu diesem Mann, der nachts wickelt und morgens Stilltee kocht, und zu seinem Lächeln. Wenn er all das, was Vielen auch heute noch total unvorstellbar erscheint, deswegen tut, weil er fest daran glaubt, es sei das Richtige, weil es das ist, was ihn glücklich und zufrieden macht, dann ist dieser Mann kein Ergebnis meiner Fantasie, die durch jahrelanges Ringen nach Gleichberechtigung auch mal ironische Kapriolen schlägt, sondern tatsächlich ein guter Vater. Einer, der niemals sagen muss: „Ich will mich um meine Enkelkinder kümmern, weil ich meine Kinder nicht mitbekommen habe.” Er ist ein Mensch, der einigermaßen mit sich selbst im Reinen ist – und sein tief empfundenes Glück in einem Lächeln zeigt, als Signal für einen anderen, diesen Weg doch immerhin als Möglichkeit in Betracht zu ziehen.

Zitiervorlage
Streidl B: Ein Vater ist keine Mutter zweiter Klasse. DEUTSCHE HEBAMMEN ZEITSCHRIFT 2015. 67 (10): 1

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