Die WHO hält eine Kaiserschnittrate von 15 % für medizinisch vertretbar. Ist das Ihrer Erfahrung nach erreichbar? Und was müsste geschehen, damit unsere mehr als doppelt so hohe Rate sinkt?

Hilke Schauland,
Hebamme, BSc, arbeitet seit 35 Jahren freiberuflich und in einem niedersächsischen Kreißsaal; erste Vorsitzende im Hebammenverband Niedersachsen e.V.

Mit dem Wissen, dass Kaiserschnittraten über 10–15 % nicht die mütterliche und kindliche Mortalitätsrate verbessern und ein Kaiserschnitt viele mögliche gesundheitliche Risiken und Folgen für Mutter und Kind nach sich zieht, ist es bedeutsam, dass eine Sectio nicht ohne medizinische Indikation stattfindet. Es ist wichtig, nur dann einen Kaiserschnitt durchzuführen, wenn der Nutzen die Nachteile überwiegt. Dazu sind Maßnahmen aus verschiedenen Perspektiven möglich: Eine verbesserte Informationslage der Schwangeren und deren Familien zur physiologischen Geburt wäre sinnvoll. Dies kann durch Hebammensprechstunden geschehen, bei denen die Schwangeren mit Zeit ihre Bedürfnisse und Ängste benennen können. Das Thema der Förderung der physiologischen Geburt gehört sowohl in das Hebammen- als auch in das Medizinstudium. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit und Vernetzung aller beteiligten Akteur:innen sind elementare Faktoren, die zur Senkung der Kaiserschnittrate beitragen können.

Dr. Ina Rühl,
Chefärztin der Geburtshilfe am Rotkreuzklinikum München Frauenklinik

Ich halte es für sehr unwahrscheinlich, dass dies erreicht wird. Gelingen könnte es durch die Aufwertung der Geburtshilfe – zeitlich, personell, finanziell, gesellschaftlich. Die Eins-zu-eins-Betreuung durch die Hebamme als Fachfrau für die physiologische Geburt ist Grundvoraussetzung! Das »Empowerment« der Schwangeren ist enorm wichtig, die Rücknahme der Eigenverantwortung der Schwangeren für sich, ihre Schwangerschaft und die Geburt. Auch die Einführung der physiologischen CTG-Interpretation und die Unterstützung durch technische Innovationen (etwa STAN-Analyse) können für die Senkung der Sectiorate sorgen.