
Illustration: © Birgit Heimbach
Augenhöhe ist gerade mein Thema. Ich mag es nicht, wenn ich beim Zahnarzt bereits in Liegeposition mit Lätzchen degradiert bin, wenn der Doktor durch die Türe hereinkommt. Die Begrüßung und das kurze Gespräch auf Augenhöhe sind mir wichtig, bevor er in meiner Mundhöhle arbeitet.
An meine Beratung mit den Schwangeren oder Wöchnerinnen habe ich den persönlichen Anspruch, auf Augenhöhe mit ihnen zu sprechen – symmetrische Kommunikation nennt man das. Sie ist eine der zentralen Elemente des Shared Decision Making und damit der evidenzbasierten Betreuung.
Im Austausch mit anderen Fachleuten aus meinem Berufsumfeld erlebe ich bei einem interdisziplinären Kongress viele Momente von Augenhöhe – da müssen wir dranbleiben. In den Debatten zur Akademisierung des Hebammenberufes ist zu erkennen, dass die Begegnung auf gleicher Ebene für die einen das Ziel ist und andere zugleich ängstigt.
Doch ganz still bei mir frage ich mich: Was ist Augenhöhe für mich wirklich? Vielleicht gut verbunden zu sein mit mir selbst, meinem Befinden, meinen Regungen, meinen Emotionen, wenn ich anderen Menschen im Gespräch begegne? Lasse ich meinem Gegenüber die Zeit, sich meinem Tempo und meinen Gedankengängen anzupassen? Welche Rolle spielen meine Erlebnisse und Erfahrungen, wenn ich mich dabei ertappe, wie Vorurteile meinen Kopf besetzen? Gelingt mir der wertschätzende Dialog mit Kolleginnen, wenn dort alte Wunden und Verletzungen sind, die nie ausgesprochen wurden oder nur oberflächlich ruhig sind, während es in der Tiefe brodelt? Wie trete ich den Berufsgruppen gegenüber, die mit mir gemeinsam ein gleiches Ziel haben: Gesundheit für Mutter und Kind? Gebe ich mir selbst den Wert, den ich aufgrund meiner Erfahrung, meiner Expertise oder schlicht aufgrund meines Menschseins verdiene? Halte ich angebotene gleichrangige Kommunikation aus oder fühle ich mich wohler in der Asymmetrie – wenn ich eine Anweisung erhalte und befolgen kann? Welche Spuren hinterließen in mir Hierarchien und wie bleibe ich ganz persönlich in meiner Wertigkeit, auch wenn ich mich in hierarchische Systeme einfinde? Respekt ist wichtig, genauso wie Selbstachtung und das Erkennen eigener Motive, Bedürfnisse oder Grenzen. Für den Dialog auf Augenhöhe braucht es Verbindung: Im ebenbürtigen Blick zeigen sich gesprächsoffene Herzen.
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