Die Reproduktionsmedizin ist ein boomender Markt. In Deutschland begrenzen ihn jedoch einige Regelungen, die vor allem dem Schutz der so gezeugten Menschen dienen. So sind Eizellspenden und Leihmutterschaft verboten, Präimplantationsdiagnostik darf nur in Ausnahmefällen durchgeführt werden. Im Ausland sind viele dieser Verfahren möglich. Deutsche mit unerfülltem Kinderwunsch sind daher eine interessante Zielgruppe für ausländische Reproduktionskliniken.
Als Hebammen sind Sie wichtige Kontaktpersonen für Eltern und Kinder am Lebensanfang. Vielleicht haben Sie beruflich bereits Schwangere nach Eizellspende begleitet, vielleicht haben Sie andere Erfahrungen, Gedanken und Gefühle zu den ethischen Fragen am Lebensanfang gesammelt.
Am 18. und 19. Februar fand in Berlin erstmalig in Deutschland die Veranstaltung „Kinderwunsch-Tage“ statt. Das Konzept dahinter ist einfach: Menschen mit unerfülltem Kinderwunsch und Menschen, die Unterstützung in dieser Situation anbieten, werden zusammengebracht. Was auf den ersten Blick wie eine Win-win-Situation erscheinen mag, ist auf den zweiten Blick ethisch und auch rechtlich höchst fragwürdig.
Die „Kinderwunsch-Tage“ hat ein Veranstalter für Verbrauchermessen und damit ein auf die Vermarktung von Produkten spezialisiertes Unternehmen organisiert. Die entsprechende Internetseite zeigte bereits im Vorfeld eine Liste der teilnehmenden Unternehmen und Sponsoren, die Mehrheit davon aus dem Ausland. Reproduktionskliniken gibt es zwar auch in Deutschland, allerdings nicht mit diesem Angebotsspektrum. Damit ist klar, worum es bei der Veranstaltung eigentlich geht: Wunscherfüllung um jeden Preis, auch durch in Deutschland nicht zulässige Verfahren. Themen wie „Trauerbewältigung bei langfristig unerfülltem Kinderwunsch“ und „alternative Lebensentwürfe für Menschen ohne eigene Kinder“ suchte man daher ebenso vergeblich im Seminarprogramm wie explizite Hinweise auf die gesundheitlichen Risiken einer hormonellen Kinderwunschbehandlung oder ethische Bedenken zur Situation der Kinder, Spender und Spenderinnen sowie Leihmütter.
Der Verein Spenderkinder, der sich für die Rechte und Bedürfnisse von durch Keimzellspende entstandenen Menschen einsetzt, sieht diese Art der Veranstaltung kritisch. Die teilnehmenden internationalen Reproduktionskliniken bieten in Deutschland verbotene Verfahren wie die Eizellspende und die kombinierte Eizell- und Samenspende an. Mehrere Kliniken weisen außerdem auf die Anonymität ihrer Spender hin. Das widerspricht eindeutig dem in Deutschland geltenden Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung, das auch für Spenderkinder 2015 vom Bundesgerichtshof bestätigt wurde. Eine amerikanische Klinik bietet sogar Leihmutterschaft als Dienstleistung an. Diese ist in Deutschland und vielen anderen europäischen Ländern verboten. Es verstößt gegen die Würde eines Menschen, gegen Geld gehandelt zu werden.
Umso mehr verwundert es, dass solche Methoden bei einer öffentlichen Veranstaltung in Deutschland vorgestellt werden: Menschen mit unerfülltem Kinderwunsch werden geradezu zum Verstoß gegen die geltende Rechtslage ermuntert. Gibt es Anlass dafür, das geltende Recht in Frage zu stellen, so sollte dies im Rahmen einer öffentlichen Diskussion geschehen. Der vielkritisierte Reproduktionstourismus und diese Veranstaltung zeigen deutlich, dass es offenbar den Bedarf gibt, die ethischen Verbotshintergründe von Eizellspende oder Leihmutterschaft sowie das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner genetischen Abstammung zu diskutieren und vielleicht auch erstmal zu erklären. Es bleibt zu hoffen, dass die „Kinderwunsch-Tage“ zumindest im Nachhinein zu einer Auseinandersetzung darüber führen, was im Rahmen von Reproduktionsmedizin erlaubt sein soll und welche ethischen Grenzen wir uns – auch rechtlich – setzen möchten, um eine Kommerzialisierung von Menschen und Fortpflanzung zu verhindern. Wir Spenderkinder möchten Sie herzlich dazu einladen, sich damit in die gesellschaftliche Diskussion einzubringen!
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