Wenn Eltern durch psychische Vorbelastung, ein Schreibaby oder andere Probleme an ihr Limit kommen, muss das gesamte Hilfesystem so früh wie möglich reagieren. Oft sind es die Hebammen, denen auffällt, dass etwas nicht stimmt. Mit videogestützten entwicklungspsychologischen Beratungen bekommen junge Familien in der »Hamburger Babyambulanz – Von Anfang an« Hilfe in schwierigen Zeiten.
Anstrengende Zeiten und Entwicklungskrisen gehören selbstverständlich zum Alltag aller Eltern dazu. Gibt es jedoch zusätzliche Belastungsfaktoren wie ein schwieriges Temperament des Kindes, ein Kind mit starken Bedürfnissen, Reizoffenheit des Kindes, Stress und besondere Belastung der Eltern oder Kinder, ist es schwieriger, diese krisenhaften Zeiten zu überstehen.
Kinder sind ganz eng mit der Gefühlswelt der Erwachsenen verbunden. Sie sind darauf angewiesen, dass ihre Eltern ihre Bedürfnisse erkennen, verstehen und beantworten. Das setzt voraus, dass es den Eltern einigermaßen gut geht.
Und wenn das nicht der Fall ist? 10–15 % der Mütter und 5–10 % der Väter entwickeln in der Zeit rund um die Geburt eine Depression. Doch gerade diese Anfangszeit ist entscheidend für die soziale Entwicklung des Kindes. Glücklicherweise trauen sich immer mehr Eltern, öffentlich über ihre mentale Gesundheit zu sprechen. Frauen berichten auch immer häufiger von traumatisch erlebten Geburten. Und oft wird übersehen, dass auch die Väter sehr darunter leiden.
Die »Hamburger Babyambulanz – Von Anfang an« bietet eine Anlaufstelle für erschöpfte und psychisch belastete Eltern. 2024 war in 50 % der erreichten Familien mindestens ein Elternteil psychisch belastet oder erkrankt.
Früh genug beginnen
Wenn Eltern psychisch krank sind, steigt das Risiko ihrer Kinder, ebenfalls eine psychische Erkrankung zu entwickeln, auf etwa 50 %. Genetische, epigenetische, soziale und interaktionelle Mechanismen spielen eine Rolle bei der Entstehung von psychischen Erkrankungen. Ein gutes Unterstützernetzwerk und eine gute Begleitung mit Blick auf die Eltern-Kind-Beziehung sowie eine rechtzeitige psychotherapeutische Begleitung für die Eltern können viel dazu beitragen, dass der Nachwuchs gesund bleibt.
Häufig ist eine zügige medikamentöse Unterstützung sinnvoll, um keine wertvolle Zeit verstreichen zu lassen, denn Babys brauchen von Anfang an eine funktionierende Fürsorge.
Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, in denen sich Eltern bewegen, haben sich stark verändert. Genau wie das Familienleben heute vielfältiger geworden ist und es immer mehr Regenbogen- und Patchworkfamilien sowie Solomutterschaften gibt, eröffnet der medizinische Fortschritt mit Social Freezing, IVF & Co neue Möglichkeiten. Wann möchte ich schwanger werden und wie?
Immer mehr Frauen, die sich zunächst beruflich festigen wollen oder zurzeit in keiner stabilen Beziehung sind, entscheiden sich dafür, ihre Eizellen einfrieren zu lassen. Der Druck, Mutterschaft und Karriere unter einen Hut zu bringen, ist gestiegen.
Und auch an die Väter werden neue Erwartungen geknüpft. Viele berichten, dass sie sich zerrissen fühlen zwischen Anforderungen der Familie und Job. Gleichzeitig entsteht auf Social Media der Eindruck, dass andere Familien diesen Herausforderungen mit Leichtigkeit begegnen würden. Das verschärft den Erwartungsdruck enorm.
Selbstverständlich hat es auch Vorteile, dass der Zugang zu Informationen nie so einfach war wie heute. Per Klick können sich Eltern schnell Tipps holen, mitunter hilfreiche. Und auch das Gefühl, mit einer schwierigen Situation nicht allein zu sein, kann Kraft geben. Bedenklich jedoch: Influencer:innen, die medizinischen Rat geben, aber keine Mediziner:innen sind. Und eine überwältigende Anzahl »Momfluencer«, die ihre individuellen Erfahrungen als allgemeingültiges Wissen verpacken. Elternschaft wird auf zahlreiche Tricks und Produkte heruntergebrochen, die das Leben mit Baby erleichtern und schöner machen sollen. Zu sehen sind makellos geschminkte Mütter in ordentlichen, sauberen Wohnungen, die ihre Neugeborenen stillen, wiegen und lieben. So unbeschwert, so perfekt.
Ängste, Versagensgefühle, Einsamkeit, Ärger, Hilflosigkeit und andere Emotionen, die zweifellos zum Elternwerden und -sein gehören, gehen auf diesen Plattformen leicht unter. Dabei fühlen viele bereits in der Schwangerschaft übermäßigen Stress und Angst.
Die Vorsorgeuntersuchungen werden immer genauer. Viele fühlen sich schwanger unter Vorbehalt: »Hoffentlich ist die gesamte Diagnostik unauffällig und das Kind gesund!« – »Darf ich mich schon freuen?« Je näher der Stichtag rückt, desto länger die Wunschliste für die Geburt. Doch dann kommt es häufig ganz anders als erwartet. Vielleicht wurde aus der Spontangeburt ein Notkaiserschnitt. Oder aus dem friedlich schlafenden Säugling ein untröstliches Schreibaby.
In den ersten drei Lebensjahren sind Säuglinge und Kleinkinder ganz besonders auf die authentische und feinfühlige Interaktion mit ihren Bezugspersonen angewiesen, um sich sozio-emotional, kognitiv und körperlich gut zu entwickeln. Stress bei den Eltern, ob durch Schlafmangel, ein anspruchsvolles oder anhaltend schreiendes Baby, Krankheit, Ängste, Paarkonflikte, Armut, Einsamkeit, Gewalt, hohen Anspruch an sich selbst oder psychische Erkrankungen, wirkt sich direkt auf die körperliche und die seelische Gesundheit des Babys oder Kleinkindes aus. Da bei ihm Körper und Seele noch eng miteinander verknüpft sind, reagiert es mit körperlichen Stresszeichen wie zum Beispiel Schreien, Störungen beim Essen, Schlafen und Verdauen. Das ist für gestresste Eltern quälend und kann zu Erschöpfung führen oder sogar Aggressionen erzeugen.
Übermäßiges Schreien
Jedes fünfte Neugeborene schreit übermäßig viel. Wenn es das mehr als drei Stunden am Tag, an drei Tagen in der Woche, über mindestens drei Wochen tut, gilt es per Definition als Schreibaby. In den meisten Fällen klingen die exzessiven Schreiattacken bis zum vierten Lebensmonat ab. In dieser Zeit sind Eltern maximalem Stress ausgesetzt. Sie versuchen alles, um das Kind zu beruhigen. Sehr häufiges Anlegen, heftiges Wiegen oder Tragen und rasch wechselnde Aktivitäten führen zu noch größerer Unruhe. Die Signale des Kindes werden immer schlechter lesbar. Die Eltern leiden unter Gefühlen der Ohnmacht, Überforderung und der scheinbar fehlenden Verbindung zum eigenen Kind.
Eine solche Lebenssituation kann allen widerfahren, über alle Kulturen und Bildungsschichten hinweg, und bedeutet unter Umständen eine Lebensgefahr für das Baby. Kinder bringen ihre eigenen Anlagen mit, die sie unterschiedlich empfindlich machen.
Deshalb hat die »Babyambulanz – Von Anfang an« ein Webinar entwickelt: »Warum hat mir das nur vorher keiner gesagt?« Es soll als neues Format mit dem Titel »Ehrlich – Eltern!« in Geburtsvorbereitungskursen, Elterngruppen und anderen Angeboten für (werdende) Eltern verbreitet werden. Das Ziel dieses Angebotes ist es, miteinander über Gefühle und Gedanken zu sprechen, die alle Mütter und Väter in ähnlichen Situationen belasten (> https://vonanfang.de/themen/schreibaby-webinar/). Es geht darum, aggressive Gefühle in der frühen Elternschaft zu enttabuisieren.
Versagensängste, Hilflosigkeit, Wut, Verzweiflung und Aggression sind hochgradig schambesetzte Themen. Sie ohne konkreten Anlass anzusprechen, fällt jungen Müttern und Vätern wie auch Fachkräften schwer. Das Webinar soll es für alle Beteiligten leichter machen, über unangenehme Gefühle zu reden, hilfreiche Informationen zu teilen und somit Risiken für ein Schütteltrauma zu reduzieren. Jedes Jahr landen zwischen 100 und 200 Säuglinge und Kleinkinder mit Schütteltraumata in deutschen Kliniken. Das Nationale Zentrum Frühe Hilfen geht von einer deutlich höheren Dunkelziffer aus, da nicht alle Betroffenen medizinisch behandelt werden. 10–30 % der Babys sterben an den Folgen eines Schütteltraumas, 50–70 % überleben mit lebenslangen Schäden.
Vor allem Schlafprobleme
Schrei-, Schlaf- und Fütterstörungen gehören zu den häufigsten Problemen in den kinderärztlichen Praxen. Jede vierte bis fünfte Familie ist davon betroffen. In die »Babyambulanz – Von Anfang an« kommen Familien mit Fragen zum Schlafen, Schreien, Stillen, Füttern, Unruhe, Trotz, Ängstlichkeit, Hauen, Beißen, Kratzen, Geschwisterrivalität, Kita-Eingewöhnung, Verhalten, Umgang, Erziehung oder Entwicklung. Der häufigste Vorstellungsgrund in der Babyambulanz sind Schlafprobleme.
Manche Eltern kommen auch, weil sie spüren, dass sie sich zunehmend erschöpft, hilflos oder ärgerlich fühlen im Alltag mit ihrem Kind. Das lässt ihr Selbstwertgefühl sinken. Sich immer wieder neu auf die entwicklungsabhängigen Bedürfnisse ihrer Kinder einzustellen und ihr feinfühliges Verhalten darauf abzustimmen, ist extrem herausfordernd.
Hier setzen die entwicklungspsychologischen Einzelberatungen der Babyambulanz an. Ihnen liegt das Konzept der Entwicklungspsychologischen Beratung (EPB) zugrunde, das von der Universität Ulm entwickelt wurde. Es verknüpft Erkenntnisse aus der Entwicklungspsychologie (Bedürfnisse, Kompetenzen und Ausdrucksweisen von Babys), Bindungstheorie (Feinfühligkeit und Bindungsmuster) und Neurophysiologie (Stressaktionsmuster, Selbstregulation) mit einem systemisch orientierten, ressourcen- und lösungsorientierten Beratungsansatz mit praktischen Handlungsempfehlungen.
Das niedrigschwellige Beratungskonzept soll Eltern in der Interaktion mit ihren Babys und Kleinkindern in Alltagssituationen und beim Aufbau einer sicheren Eltern-Kind-Bindung unterstützen, insbesondere dann, wenn Risiken durch Belastungsfaktoren bestehen.
Laut neueren neurobiologischen Forschungsbefunden der repräsentativen Studie »kid 0–3« vom Nationalen Zentrum Frühe Hilfen (NZFH) lassen sich Zusammenhänge zwischen der elterlichen Unterstützung und dem kindlichen Wohlbefinden bis in die Gehirnentwicklung des Kindes nachvollziehen (NZFH, 2022). Bindungsbeziehungen beeinflussen in positiver oder negativer Weise die Funktion und Struktur des sich entwickelnden Gehirns. Eine sichere Bindung stellt daher einen wesentlichen Schutz und eine Ressource für die kindliche Entwicklung dar. Die Forschung belegt außerdem einen Zusammenhang zwischen frühen Problemen in der Interaktion zwischen Eltern und Kind und Regulationsproblemen oder -störungen. Diese äußern sich in vermehrtem Schreien, Problemen mit dem Schlafen und Füttern, Unruhe, Trotz und Ängstlichkeit.
Wiederkehrende kleinste Kommunikationseinheiten werden zusammen mit dem begleitenden Gefühl im Gedächtnis gespeichert. Sie sind die Grundlage für die Erwartungen des Babys an die Umwelt und das Selbsterleben. Wenn es gut läuft, dann fühlt das Baby sich bedingungslos geliebt und genau richtig, so wie es ist. Wenn die Eltern aber nicht emotional verfügbar sind und nicht feinfühlig in Kontakt gehen können, dann verinnerlicht das Baby möglicherweise, dass es nicht liebenswert oder seinen Bindungspersonen egal wäre. Eine anhaltende Störung in der Interaktion kann spätere Entwicklungsprobleme nach sich ziehen. Darum ist die Beobachtung und Förderung der Eltern-Kind-Interaktion so wichtig.
Ein wichtiger Teil der entwicklungspsychologischen Beratung sind deshalb kurze Videoaufnahmen von Eltern-Kind-Interaktionen. Es werden kurze Filmsequenzen von Alltagssituationen erstellt, etwa beim Wickeln, Essen oder Spielen. Frühe Anzeichen von kleineren und größeren Belastungen in der Beziehung, Risiken von Verhaltensproblemen oder -störungen beim Kind und in kritischen Fällen auch (drohende) Kindeswohlgefährdung können so erfasst werden.
»Babyambulanz – Von Anfang an«
Damit Eltern mit ihren Ängsten, Fragen und ihrer Erschöpfung nicht allein sind, gibt es die »Babyambulanz – Von Anfang an«. Träger ist der gemeinnützige Verein Von Anfang an. e.V. (siehe Links).
Die Einrichtung bietet kostenfreie, niedrigschwellige Beratungen an 14 Standorten in Hamburg an. Eltern mit Kindern zwischen null und drei Jahren (bis zum vierten Geburtstag) werden dabei unterstützt, ihre Kinder in all ihren Entwicklungsphasen zu verstehen, sie in ihrer Selbstregulation zu bestärken und ungünstige Gewohnheiten zu verändern.
Der Elternkurs »Sicherer Hafen« setzt noch früher an. Hier werden Eltern von der Schwangerschaft bis ins zweite Lebensjahr über einen Zeitraum von 20 Monaten begleitet. Der Kurs umfasst elf Hausbesuche und vier Gruppentreffen. Das Ziel: Eltern zu einem »sicheren Hafen« werden lassen, also zu einer verlässlichen Basis, von der aus sich die Kinder in die Welt vorwagen, um sie zu entdecken und zu der sie zurückkehren können, wenn ein Unwetter aufzieht. Eltern sorgen für Sicherheit, reagieren auf Not, helfen bei Selbstregulierung und spenden emotionalen und körperlichen Trost.
Elternschaft ist eine große Verzichtsleistung und auch krisenanfällig. Da ist es gut, jemanden an seiner Seite zu haben, der einem sagt, welcher Entwicklungsschritt als nächstes ansteht, oder einordnet, warum das Baby beispielsweise gerade so unruhig oder so fordernd ist, und was man konkret tun kann, um die Lage zu verbessern. Der begleitete Übergang in die Elternschaft ist eine Chance, mögliche Belastungen früh zu erfassen und zu bearbeiten. > https://vonanfang.de/ > https://sichererhafen.hamburg/
Feinfühligkeitsskala
Zu den Verfahren, die die Qualität der Eltern-Kind-Interaktion erfassen im Rahmen der EPB, gehören die Ainsworth-Feinfühligkeitsskala und der CARE-Index. Die Feinfühligkeitsskala erfasst die Feinfühligkeit der Bezugsperson auf den Dimensionen Wahrnehmung, Interpretation des kindlichen Verhaltens, angemessene Reaktion und Promptheit der Reaktion. Der CARE- Index ist ein bindungsorientiertes Diagnoseinstrument für den Säugling und dessen Bezugsperson/en. Mary Ainsworth (1913–1999 ), US-amerikanisch-kanadische Entwicklungspsychologin, gilt zusammen mit John Bowby und James Robertson als Hauptvertreterin der Bindungstheorie.
Feinfühligkeit, wie sie mit dem CARE-Index gemessen wird, ist keine individuelle Eigenschaft, sondern charakterisiert eine spezifische Beziehung. Eingeschätzt werden feinfühliges, feindseliges und nicht-responsives Verhalten bei der Bezugsperson sowie kooperatives, überangepasstes, schwieriges oder passives Verhalten beim Kind.
Beurteilt werden diese Verhaltensstile von Bezugspersonen und Kind auf unterschiedlichen Ausdruckskanälen, die sowohl affektive Aspekte beinhalten (Gesichtsausdruck, Tonfall, Körperhaltung, Gefühlsausdruck) als auch kognitive Aspekte (zeitliche Aufeinanderfolge und die Kontingenz in der Interaktion wie abwechselndes Handeln, Steuerung der Aktivität, entwicklungsangemessene Aktivität).
Die US-amerikanische Psychologin Patricia McKinsey Crittenden definiert feinfühliges Verhalten als »jedes Verhaltensmuster (im Spiel), das dem Kind gefällt, sein Wohlbefinden und seine Aufmerksamkeit erhöht und Belastung und Desinteresse verringert« (Crittenden, 2013).
Die Eltern lernen im Beratungsprozess, die Signale und Bedürfnisse ihres Kindes zu beobachten, sie besser einzuschätzen und in die momentanen, kindlichen entwicklungsabhängigen Fähigkeiten einzuordnen. In der gemeinsamen Reflexion entdecken die Eltern neue Sichtweisen und finden so eigene Lösungen. Sie lernen zunehmend besser, ihrer elterlichen Intuition zu trauen. Wenn nicht gelungene Interaktionen thematisiert werden, werden sie nicht als Defizite, sondern als Missverständnisse interpretiert. Gleichzeitig wird das Bemühen der Eltern anerkannt. Die Eltern sind die Expert:innen für ihr Kind, sie kennen es am besten. Sie sollen in ihrer Kompetenz und ihrem Selbstwertgefühl bestärkt werden.
In den meisten Fällen reichen wenige Beratungen aus. Die Eltern kommen auf Empfehlung von Hebammen, Ärzt:innen, Psychotherapeut:innen, anderen Fachleuten der Frühen Hilfen und sehr häufig auf Empfehlung von anderen Eltern.
Auch der Elternkurs »Sicherer Hafen«, den die »Babyambulanz – Von Anfang an« in Kooperation mit der BerndtSteinKinder Stiftung entwickelt hat (> https://berndtsteinkinder.de/), basiert auf dem Konzept EPB. Der begleitete Übergang in die Elternschaft ist eine Chance, Belastungen frühzeitig zu erfassen und zu bearbeiten.
Neues Versorgungsprogramm »UPlusE«
Auch das neue Versorgungsprogramm UPlusE setzt bereits in der Schwangerschaft oder kurz nach der Geburt an. Die Entwicklung und Durchführung erfolgt gemeinsam mit mehreren Kliniken und Zentren aus ganz Deutschland, wobei das Klinikum Nürnberg unter der Leitung von Dr. Susanne Simen und der Ko-Konsortialleitung des Neonatologen Prof. Dr. Christoph Fusch Konsortialführer ist.
UPlusE steht für U-Untersuchung für Kinder plus Eltern, denn man kann die Probleme der Eltern nicht von denen der Kinder trennen und umgekehrt. Im Rahmen einer Studie soll ein App-basiertes Screening zur Früherkennung depressiver Entwicklungen, psychosozialer Belastungen und Probleme in der Eltern-Kind-Beziehung etabliert werden. Diese Befragungen werden an die Vorsorgeuntersuchungen bei Gynäkolog:innen beziehungsweise U-Untersuchungen bei Pädiater:innen (im ersten Lebensjahr) gekoppelt, denn hier erreicht man Eltern und Kinder zuverlässig.
Die Fragebögen, die die Eltern im Rahmen dieses Programms ausfüllen, wirken wie ein Türöffner, der es den Ärz:innten erleichtert, das Gespräch auf die psychische Situation der Eltern zu lenken. Aufgrund dieser Daten erfolgt eine zügige bedarfsgerechte Vermittlung von Hilfsangeboten für die Betroffenen (> https://upluse.de/upluse-studie/)
Am 1. August 2023 startete das Projekt unter dem vollständigen Titel »U-Untersuchung für Kinder plus Eltern beim Pädiater zur Förderung der kindlichen Entwicklung mit Impuls aus der frauenärztlichen Schwangerenvorsorge«. Seit Februar 2024 ist deutschlandweit die Teilnahme möglich. Ziel ist es, bis Ende Oktober 2025 mit UPlusE 10.000 Schwangere, Mütter und Väter zu erreichen. Interessierte Schwangere können sich ab der 25. Schwangerschaftswoche bei allen teilnehmenden Gynäkolog:innenen und Eltern ab der U3 bei allen teilnehmenden Kinder- und Jugendärzt:innen in UPlusE einschreiben.
Das Nationale Zentrum Frühe Hilfen hat Anlaufstellen für Familien unter > www.elternsein.info zusammengefasst. Hier finden Eltern Hilfe, wenn das Baby viel und lange schreit, schlecht schläft, schlecht trinkt oder isst.
Je besser Hebammen, Ärzt:innen und andere Akteur:innen der Frühen Hilfen zusammenarbeiten, desto eher wird durch rechtzeitige Weichenstellung einer Chronifizierung von Depressionen bei den Eltern vorgebeugt und eine gesunde Entwicklung der Kinder gewährleistet.
Birgit Heimbach: Sie sind seit einem Jahr im Team der »Hamburger Babyambulanz – Von Anfang an«. Wie sehen dort Ihre speziellen Aufgaben als Hebamme aus?
» Catrin Groß: In der Babyambulanz habe ich keine speziellen Aufgaben als Hebamme, im Vordergrund steht die Entwicklungspsychologische Beratung (EPB) der Familien. Natürlich fließt mein berufsspezifischer Blick als Hebamme in die Beratung ein und ich habe einen Fokus auf die Schwangerschaft und die Geburt des Kindes. Häufig berate ich Familien schon im Wochenbett zum Thema Stillen und Schlafen oder zu traumatischen Geburtserlebnissen. Da wir ein interdisziplinäres Team von elf Beraterinnen sind, tauschen wir uns regelmäßig aus. Außerdem treffen wir uns alle vier bis sechs Wochen zur Supervision.
Wie haben Sie sich für dieses Aufgabengebiet in der Beratungsstelle fortgebildet?
Ich nahm an der Weiterbildung zur EP-Beraterin des Institutes Kindheit und Entwicklung Ulm in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Gesundheit Bochum teil. Schwerpunkte der Ausbildung waren entwicklungspsychologische Grundlagen, klinische Entwicklungspsychologie, entwicklungspsychologische Beratung, Implementierung des Beratungsangebotes und Selbst- und Fremdeinschätzung der Beraterkompetenz.
Nationales Zentrum Frühe Hilfen (NZFH). (2022). Kinder in Deutschland 0–3 (KiD 0–3 2022). https://www.fruehehilfen.de/forschung-im-nzfh/praevalenz-und-versorgungsforschung/kid-0–3-repraesentativbefragung-2022/
Babyambulanz – Von Anfang an – Schreibaby Webinar: https:// vonanfang.de/themen/schreibaby-webinar/
UPlusE. https://upluse.de/upluse-studie/
Nationales Zentrum Frühe Hilfen: www.elternsein.info

