Illustration: © Melanie Garanin

Im Sommer werden es zwei Jahre sein. Meine beste Freundin und Kollegin starb – nach nur wenigen Monaten zwischen Diagnose und Abschied. Viele von uns kennen dieses innere Kopfschütteln, diese Bestürzung, dass es in den eigenen Reihen immer wieder KollegInnen erwischt, gar nicht so selten und manchmal verdammt schnell.

Auf meinem Schreibtisch liegen Sonnenblumensamen. Sonnenblumen hat sie geliebt. Das war unsere Tradition, immer zu ihrem Geburtstag: eine Vase mit großköpfigen, langstieligen Blumen. Es wird Zeit, die Körner in die Erde zu bringen und vorzuziehen.

Bei ihrem Begräbnis stand neben vielen blühenden Sonnenblumen ein welker, schwarzer Blütenkopf auf einem langen Stiel. »Im Vergehen dieser einen Blüte, die den Kopf neigt, entsteht neues Leben. Samenkörner bleiben zurück und bringen neue Sonnenblumen hervor«, ermutigte der Pastor sinngemäß. Saatgut wurde verteilt an die Anwesenden – an alle, in deren Herzen diese geliebte Frau, Mutter, Freundin und Hebamme ihre Samen zurückgelassen hat, über ihren Tod hinaus.

Das ist es, was mich immer wieder dankbar und demütig werden lässt: Dass jede einzelne von uns, jede Hebamme, in jeder Begegnung mit Familien, mit Frauen, mit Neugeborenen, ein Samenkorn in die Herzen der Begleiteten legt. Egal, ob Schwangerschaft, Geburt oder Wochenbett, ganz gleich, ob ein einziges einfühlsames Gespräch oder Teilhabe am Geborenwerden und Heranwachsen mehrerer Kinder einer Familie. Immer bleibst du als Hebamme verbunden mit diesem besonderen Moment, dieser einzigartigen Lebensphase – in Herzen und Köpfen, auf Fotos und in der Erinnerung. Nicht selten passiert es, dass man eine Familie trifft in der Stadt, auf dem Markt oder im Schwimmbad und die Mutter sagt zum Kind: »Guck mal, deine Hebamme!« Schon sprudeln die Erinnerungen, als sei es gestern gewesen.

Auch Erinnerungen an meine Kollegin begegnen mir in der Praxis noch oft. Da ist eine Dankbarkeit, die bleibt: »Ohne sie hätte ich nie so lange gestillt!« Oder: »Ich durfte mit ihr gebären«, oder: »›Hör auf deinen Bauch‹, hat sie immer gesagt!«

Säen wir also fleißig! Schließlich säen wir für die Zukunft. Es ist Frühling.

Zitiervorlage
Steinmann J: Nachhaltig säen. DEUTSCHE HEBAMMEN ZEITSCHRIFT 2019. 71 (4): 112

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