Simulationstraining verbessert messbar die Kommunikation im Team und mit der Frau, die Prozesszeiten und teilweise auch die klinischen Outcomes.

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Ob im geburtshilflichen Notfall die richtigen Maßnahmen rechtzeitig erfolgen, hängt wesentlich von der Teamkommunikation ab. Der Beitrag bündelt die beste verfügbare Evidenz aus Studien und Leitlinien, ordnet sie kritisch ein und leitet praxisnahe Empfehlungen für Kreißsaal, OP und Schockraum ab.

Geburtshilfliche Notfälle wie postpartale Blutung, Schulterdystokie oder eklamptischer Anfall fordern binnen Minuten koordinierte Entscheidungen und Handlungen. In solchen Situationen eskalieren kognitive Last, situative Unsicherheit und hierarchische Spannungen. Kommunikation wirkt dabei doppelt: als zentraler Risikofaktor für Fehler und als wichtigste Ressource, um unter Druck gemeinsame Lagebilder, Prioritäten und Handlungsfolgen abzustimmen.

Internationale Reviews zeigen, dass Kommunikationsfehler zu den häufigsten Faktoren gehören, die zu vermeidbaren Schadensereignissen beitragen. Zugleich deuten Studien darauf hin, dass strukturierte Teamkommunikation und Simulationstraining messbare Verbesserungen erzielen können (Lippke et al., 2021; Hüner et al., 2023; Brogaard et al., 2022; Draycott et al., 2006).

Neben der klinischen Pathophysiologie prägen äußere Faktoren, strukturelle Bedingungen und menschliche Faktoren die Tätigkeiten und Interaktionen aller Beteiligten: Zeitdruck, Alarmmüdigkeit, Unterbrechungen, Lärm, enge räumliche Verhältnisse oder unvollständige Informationen aus Vorbehandlung oder Notaufnahme. Die Geburtshilfe bewegt sich zudem im Spannungsfeld zwischen der Physiologie und einem potenziell abrupten Übergang zur Hochrisikomedizin. Standardisierte Kommunikation dient hier als Brücke zwischen unterschiedlichen mentalen Modellen von Hebammen, Ärzt:innen der Frauenheilkunde, Anästhesie und Neonatologie (Agency for Healthcare Research and Quality, 2023; Müller et al., 2018).

Risiken und Fehler

Kommunikationsfehler umfassen unklare Führung, fehlende Priorisierung, ausbleibende Rückmeldungen, unklare Aufgabenzuteilung, verspätete Eskalation sowie widersprüchliche verbale und nonverbale Signale. In retrospektiven Analysen geburtshilflicher Schadensfälle dominieren Organisations- und Teamfaktoren: unzureichendes Monitoring, Defizite in der Kommunikation am Telefon und bei der Übergabe, lückenhafte Dokumentation und fehlende Abstimmung von Entscheidungen.

Systematische Übersichten berichten von Verbesserungen durch strukturierte Kommunikationsformate, gleichwohl variiert die Effektstärke erheblich (Müller et al., 2018; Lippke et al., 2021). Die Heterogenität der Studien – Design, Intervention, Outcomes – limitiert Kausalinterpretationen und die Generalisierbarkeit. Typische Kognitionsfehler sind Fixierungsfehler (am Erstplan festhalten trotz fehlender Wirkung), Ankerheuristik (zu frühe Festlegung auf eine Ursache), Bestätigungsfehler, Outcome-Bias und normativer Druck durch Hierarchie.

Kommunikationsfehler werden begünstigt, wenn Führungspersonen Ambiguität scheuen und Entscheidungen implizit treffen, wenn Teammitglieder aus Furcht vor negativer Reaktion nicht »Speaking up« praktizieren oder wenn unterschiedliche Begriffe verwendet werden (zum Beispiel geschätzter Blutverlust versus objektiv gemessener Verlust) (Müller et al., 2018; Lippke et al., 2021).

Prinzipien der Teamkommunikation

Vier Prinzipien wirksamer Teamkommunikation sollten in der Geburtshilfe breit etabliert werden:

  1. geteilte Situationsbewusstheit: regelmäßige Kurzbilanz zu Zustand, Risiken, nächsten Schritten
  2. klare Führung und Rollen: eine benannte Einsatzleitung, explizite Aufgabenvergabe
  3. Closed-Loop-Kommunikation: Aufträge adressieren, wiederholen, quittieren
  4. standardisierte Schemata zur strukturierten Übergabe: zum Beispiel SBAR (Situation, Background = Hintergrund, Assessment = Einschätzung, Recommendation = Empfehlung) oder SINNhaft (Start, Identifikation, Notfallereignis, Notfallpriorität, Handlung, Anamnese, Fazit, Teamfragen) für Eskalation und Übergaben (Jasper et al., 2025).

Ergänzend unterstützen kognitive Hilfen und Checklisten die Gedächtnisentlastung, wie sie zum Beispiel im US-amerikanischen Konzept TeamSTEPPS für Fachleute des Gesundheitswesens entwickelt wurden:

  • CUS-Statements: Concern, Uncomfortable, Safety-issue/Besorgnis, Unbehagen, Sicherheitsproblem
  • Call-outs: Man liest sich eine schriftliche Anordnung selbst laut vor
  • Read-backs: Die Person, die eine schriftliche oder mündliche Anordnung/Information erhält, wiederholt diese.

Solche Konzepte sind mit einer stärkeren Sicherheitskultur und teilweise besseren Patientenoutcomes assoziiert, wobei die Evidenzqualität von moderat bis gering reicht. SBAR oder SINNhaft erleichtern das Bündeln komplexer Informationen unter Zeitdruck (Agency for Healthcare Research and Quality, 2023; World Health Organization, 2015; Müller et al., 2018). Im Kreißsaal bewährt sich eine Mini-SBAR zur Eskalation (siehe Kasten: Übergabe in Sekunden).

SBAR

Übergabe in Sekunden

Im Notfall genügen 20 Sekunden für eine strukturierte Übergabe per Mini-SBAR (Situation, Background = Hintergrund, Assessment = Einschätzung, Recommendation = Empfehlung). Zum Beispiel:

  • Situation: »PPH, geschätzter Blutverlust 800 ml, Patientin tachykard.«
  • Background: »Sectio vor 2 h, Atonie, Oxytocin bereits gegeben.«
  • Assessment: »Blutung nimmt zu, BD fällt, Tonus schlecht.« Recommendation: »Tranexamsäure jetzt, Ballon vorbereiten, OP alarmieren.«

Closed-Loop reduziert Missverständnisse, insbesondere bei Geräuschkulisse oder Maskenpflicht (siehe Kasten: Klare Aufträge). Call-outs ermöglichen geteilte Wahrnehmung (»BD 80/45 – ich höre keine Verbesserung«), und CUS-Statements (»Ich bin besorgt … unsicher … bitte stoppen«) schaffen einen rechtlich und kulturell abgesicherten Pfad, um Bedenken auch hierarchieübergreifend zu äußern (Salik & Ashurst, 2023; Agency for Healthcare Research and Quality, 2023).

Closed-Loop reduziert Missverständnisse, insbesondere bei Geräuschkulisse oder Maskenpflicht (siehe Kasten: Klare Aufträge). Call-outs ermöglichen geteilte Wahrnehmung (»BD 80/45 – ich höre keine Verbesserung«), und CUS-Statements (»Ich bin besorgt … unsicher … bitte stoppen«) schaffen einen rechtlich und kulturell abgesicherten Pfad, um Bedenken auch hierarchieübergreifend zu äußern (Salik & Ashurst, 2023; Agency for Healthcare Research and Quality, 2023).

Closed-Loop

Klare Aufträge

Aufträge werden mit Namen, Verb und Ziel erteilt, zum Beispiel: »Anna, bitte Tranexamsäure 1 g i.v. jetzt.« Die Empfängerin wiederholt den Auftrag: »Tranexamsäure 1 g i.v. jetzt – verstanden.« Abschluss mit Ergebnis: »1 g gegeben um 12.07 Uhr.« Offen gebliebene Aufträge werden aktiv eingefordert.

Kommunikation entlang des Ereignisverlaufs

Entlang des Ereignisverlaufs lässt sich Kommunikation beispielhaft in vier Phasen strukturieren:

  1. Antizipation: Vorbesprechung zu Schichtbeginn, Verfügbarkeit von Blutprodukten, Notfallwagen, Rufsystemen und Rollen
  2. Alarmierung: deutliche Ankündigung des Notfalls mit Schlüsselwort (zum Beispiel »PPH-Alarm«, »Schulterdystokie«), Benennung der Leitung, Anforderung zusätzlicher Ressourcen und Festlegen einer Zeitwächter-Rolle
  3. Durchführung: kurze, laute Call-outs zu Vitalparametern, Blutverlust, Medikation und Maßnahmen; Aufträge im Closed-Loop; minütliche Re-Evaluation mit Zusammenfassung
  4. Abschluss: geordnete Übergabe an OP/Intensivstation nach SBAR, anschließendes Debriefing mit Fokus auf Teamprozesse, technische Aspekte und Systemhindernisse.

Eine klare Aufgabenverteilung vermeidet Doppelarbeiten: Die Leitung liegt zum Beispiel bei der Gynäkologie/Geburtshilfe, die Prozeduren bei der Hebamme und/oder der Gynäkologie, die Etablierung des Zugangs, Volumengabe und die Medikation bei der Anästhesie. Die Dokumentation und das Zeitmanagement sind geregelt, ebenso die Labor- und Blutprodukteorganisation sowie die Verantwortlichkeit der Neugeborenenversorgung. Auch ist die Kommunikation zur Materiallogistik explizit, zum Beispiel: »Bitte zwei großlumige Zugänge, Wärmesystem an, massive-Transfusionsprotokoll bereit, Ballon-Set im Raum.«

Während der Übergaben nutzen die Beteiligten geschlossene Fragen, um kritische Elemente zu sichern: »Ist die Tranexamsäure schon gegeben? Wann? Dosis?« Während Transporten wird eine »Hand-off-Pause« etabliert, in der Monitore, Zugänge, Medikamente und Verantwortlichkeiten kurz re-verifiziert werden (Schlembach et al., 2023).

Anwendung auf Leitszenarien

Postpartale Blutung

Die Kommunikation muss die Dynamik des Blutverlusts abbilden. Empfehlenswert sind ein kurzes Lagebild im Minutenraster (Blutverlust, Hämodynamik, Uterustonus, verabreichte Uterotonika, Tranexamsäure, Blutprodukte), eine frühzeitige Eskalation an Anästhesie, OP und Blutbank sowie die explizite Delegation technischer Schritte (Uterusmassage, bimanuelle Kompression, Ballontamponade, Vorbereitung für operative Maßnahmen). Eine Person als Zeitwächter:in erinnert an die Intervallziele (zum Beispiel Tranexamsäure binnen 3–5 min, Ballon in situ binnen 10 min), während die Teamleitung regelmäßig Prioritäten und Alternativen verbalisiert.

Ein interdisziplinär abgestimmter PPH-Algorithmus für peripartale Blutungen (Peripartale Hämorrhagie – PPH) mit kognitiver Hilfe erleichtert die konsistente Kommunikation. Für PPH sollte jede Einrichtung Schwellenwerte für Eskalation festlegen und kommunizieren (zum Beispiel >500 ml binnen 15 min, >1.000 ml kumulativ, hämodynamische Instabilität).

Die Teamleitung priorisiert zwischen uterotonen, mechanischen und chirurgischen Optionen und verbalisiert explizit, wann die Strategie wechselt. Die Blutbank erhält eine standardisierte Frühmeldung mit Patientinnenparametern, konsekutiver Bedarfsabschätzung und Rückmeldung über Bereitstellungszeiten. Die Dokumentation von Zeiten und Dosen ist zugleich medizinisch und forensisch relevant (Schlembach et al., 2023).

Schulterdystokie

Nach der eindeutigen Ankündigung – »Achtung Schulterdystokie! – Bitte Hilfe rufen – keine Traktion!« – folgen strukturierte, standardisierte Ansagen zum Vorgehen: Positionierung (McRoberts), suprasymphysäre Druckrichtung, Zeitmarken, Benennung der durchgeführten Manöver und frühzeitiges Denken in Sequenzen (zum Beispiel hinterer Arm). Eine separate Dokumentations- und Zeitführungsrolle entlastet die geburtshilfliche Führung; Kurzfeedback nach jedem Manöver stellt ein gemeinsames mentales Modell sicher.

Bei Schulterdystokie senken einheitliche Sprachsignale die Latenz zu wirksamen Manövern. Das Team vereinbart vorab eine Sequenz (McRoberts – Druck – hinterer Arm – Rotationsmanöver) und spricht diese in der Situation laut mit. Die Zeitführung nennt in jeder Minute die verstrichene Zeit, um verdeckte Verzögerungen zu vermeiden.

Nach der Entbindung folgen standardisierte Checks auf Plexuszeichen, die Dokumentation der Manöver und ein strukturiertes Gespräch mit der Familie (Royal College of Obstetricians and Gynaecologists, 2012; Kaijomaa et al., 2023).

Kommunikation mit Gebärender und Angehörigen

Auch in Notfällen bleibt die Kommunikation mit der Gebärenden und ihren Angehörigen ethisch, psychologisch und rechtlich bedeutsam. Eine transparente Kurzaufklärung fördert Vertrauen zwischen der Frau und dem geburtshilflichen Team und kann spätere Belastungsreaktionen auf beiden Seiten mindern (Was passiert? Warum? Welche Optionen? Welches Risiko?). Ein Teammitglied übernimmt die kontinuierliche Begleitung, übersetzt bei Bedarf die Fachsprache, beobachtet Belastungszeichen auf beiden Seiten und achtet auf Zustimmung, soweit möglich.

Nach solchen Ereignissen sind strukturierte Aufklärungsgespräche und psychosoziale Unterstützung essenziell. Shared-Decision-Elemente sind auch im Notfall möglich: Wo klinisch vertretbar, werden Optionen samt Konsequenzen in klarer Sprache angeboten (zum Beispiel vaginal-operative Entbindung versus Sectio).

Kulturelle und sprachliche Barrieren verlangen strukturiertes Dolmetschen; andernfalls steigt das Risiko für Missverständnisse. Nach den Ereignissen mindern empathische, ehrliche Gespräche mit transparenter Darstellung der Abläufe das Risiko für Vertrauensverlust und sekundäre Traumatisierung.

Training und Simulation

Simulationstraining mit interprofessionellen Teams verbessert messbar die Kommunikation im Team und mit der Frau, die Prozesszeiten und teilweise auch die klinischen Outcomes (Brogaard et al., 2022; Draycott et al., 2006; Agency for Healthcare Research and Quality, 2023).

Beobachtungsstudien zeigen weniger hypoxisch-ischämische Enzephalopathien und plexusbedingte Armlähmungen nach Einführung multiprofessioneller Notfalltrainings (Draycott et al., 2006; Brogaard et al., 2022).

Die randomisierte Evidenz bleibt leider bisher begrenzt, dennoch sprechen Metaanalysen und große Kohorten für einen Nutzen, insbesondere bei Schulterdystokie und PPH (Brogaard et al., 2022; Draycott et al., 2006; Kaijomaa et al., 2023).

Die Wirksamkeit entfaltet sich vor allem, wenn das Simulationstraining im Team regelmäßig, in situ, mit klaren Lernzielen, Checklisten, Rollenübungen und Debriefings erfolgt, als auch, wenn Organisationen durch Simulationstrainings aufgedeckte Hindernisse systematisch adressieren (zum Beispiel Personalmangel, lange Rufwege, zu verbessernde Materiallogistik) (Agency for Healthcare Research and Quality, 2023; Brogaard et al., 2022).

Maximal wirksam ist Training, wenn reale Teams in der realen Umgebung ungestört in situ üben können, wenn es häufig genug stattfindet (zum Beispiel quartalsweise), wenn klare, messbare Lernziele definiert sind und Debriefings das »Wie« der Kommunikation und nicht nur das »Was« der Technik beleuchten (Agency for Healthcare Research and Quality, 2023; Brogaard et al., 2022).

Cognitive-Aid-Drills (Training zur Verbesserung kognitiver Fähigkeiten), Mikrosimulationen am Schichtbeginn und sogenannte Notfallhuddles (Kurzteammeetings von 5–10 Minuten während der laufenden Schicht, zum Beispiel an einem Whiteboard) zwischen Geburts-, Anästhesie- und Neonatologie-Team senken sprachliche und gedankliche Barrieren vor und während der Anwendung im Ernstfall (Brogaard et al., 2022; Draycott et al., 2006; Kaijomaa et al., 2023) (Agency for Healthcare Research and Quality, 2023).

Messung, Implementierung, Nachhaltigkeit

Die Implementierung von Sicherheit benötigt einen abgestimmten Takt für die Prozessindikatoren (Zeit bis Tranexamsäure, Zeit bis Ballon, Zeit bis Manöverwechsel), für Teamindikatoren (Anteil Closed-Loop-Aufträge, Vollständigkeit von SBAR-Übergaben) sowie für Ergebnisindikatoren (Transfusionsbedarf, Re-OP, Apgar, pH). Audit-und-Feedback-Zyklen, Sicherheitsbegehungen und morgendliche Kurzteammeetings stabilisieren Standards.

Digitale Tools zur Echtzeit-Dokumentation und E-Learning-Module können die Nachhaltigkeit erhöhen, ersetzen aber keine gemeinsamen Übungen. Kennzahlen sollten visualisiert werden (Run-Charts) und in Teamsitzungen besprochen werden. Ein Minimal-Kennzeichen-Set umfasst: die mediane Zeit bis Tranexamsäure bei PPH, den Anteil vollständiger SBAR/SINNhaft-Übergaben, den Anteil geschlossener Schleifen, die Zeit bis zum ersten wirksamen Manöverwechsel bei Schulterdystokie, sowie die Rate zeitnaher Debriefings. Ein Lernzyklus, zum Beispiel nach. PDCA-Logik, erleichtert schrittweise Verbesserungen.

Fallbeispiel
Best Practice im Notfall
Eine 32-jährige Zweitgebärende, 39+2 SSW, vaginale Geburt, Geburtsgewicht 3.850 g. 30 Minuten nach der Geburt der vollständigen Plazenta fällt der Hebamme eine verstärkte Blutung auf; Uterus weich. Die Hebamme ruft klar »PPH-Alarm« und fordert die Oberärztin und Anästhesie an.

Mini-SBAR: Situation: »Atonische PPH, geschätzt 900 ml.« Background: »Spontanpartus vor 45 min, Plazenta vor 15 min vollständig geboren, Oxytocin bereits 5 IE i.v.« Assessment: »BD 95/60, HF 110, Tonus schlecht, ich halte den Uterus.« Recommendation: »Oxytocin oder Carbetocin, Tranexamsäure, Reevaluation der Blutungsursache, zweiter Zugang mit Blutentnahme Kreuzblut und Volumen.«

Die Teamleitung teilt die Rollen zu, der Zeitwächter kündigt Intervallziele an. Nach Uterusmassage und zusätzlichem Carbetocin wird binnen 6 Minuten Volumen und Tranexamsäure gegeben, nachdem der zweite Zugang etabliert wurde.

Die Blutentnahme ist erfolgt, das Sonogerät im Raum und es werden die 4 Ts abgearbeitet (Tone, Tissue, Trauma, Thrombin).

Keine Verbesserung unter Carbetocin, daher entschließt sich das Team 25 Minuten später, nach Ausschluss anderer Blutungsursachen, bei der Diagnose Atonie auf das Medikament Sulproston umzusteigen und einen Ballonkatheter anzulegen. Nach 10 Minuten liegt der Ballon, das Sulproston läuft über den Perfusor, die Blutbank bestätigt die Freigabe von Erythrozytenkonzentraten, falls erforderlich, während der Uterus dauerhaft komprimiert wird.

Die Teamleitung fasst im Minutenraster zusammen, entscheidet nach weiteren 15 Minuten mangels ausreichender Wirkung die Verlegung in den OP und kündigt die Strategie offen, laut und klar an.

Im Debriefing werden die positiven Momente festgehalten (klare Alarmauslösung, Closed-Loops, frühe Blutbankmeldung), ebenso wie die Verbesserungsfelder (Ballon-Set war nicht vollständig, Kommunikationslücke beim Transfer). Die notwendigen Prozessänderungen folgen noch am selben Tag.

Grenzen der Evidenz

Die Evidenz zur Kommunikation in der Geburtshilfe ist von Publikationsbias, Konfundierung (Vermischung von Daten) und heterogenen Endpunkten geprägt. Viele Studien messen Ersatzgrößen wie Teamverhalten oder Prozesszeiten; belastbare Daten für die Effekte auf schwere Morbidität sind seltener. Verschiedene Kontextfaktoren (Teamgröße, Schichtmodell, Hauslevel, Rechtssystem) begrenzen die Übertragbarkeit auf die zukünftige Realität.

Zudem existieren nur wenige Kontrollgruppen. Eine Qualitätsverbesserung in der Geburtshilfe erfordert daher lokale Datenerhebungen, eine kontinuierliche Anpassung und eine Kultur, die Fehler als Lernanlässe und nicht als Schuldzuweisungen versteht. Kommunikation ist leider ein komplexes Interventionsbündel; isolierte Effekte sind methodisch schwer zu schätzen. Cluster-randomisierte Designs mit Prozess- und Outcome-Maßen wären wünschenswert, sind aber ressourcenintensiv. Bis dahin bleibt eine Kombination aus plausibler Theorie, realistischer Prozessverbesserung und wachsender, wenn auch heterogener Evidenz leitend.

Fazit

Kommunikation entscheidet im geburtshilflichen Notfall über Tempo, Priorisierung und Sicherheit während der Versorgung. Wer antizipiert, standardisiert und trainiert, reduziert Variabilität und schafft mentale Modelle, auf die Teams unter Druck zurückgreifen können. Die aktuelle Evidenz ist nicht frei von Lücken, spricht jedoch dafür, strukturierte Teamkommunikation und Simulation systematisch in Leitlinien, Ausbildung und Klinikalltag zu verankern.

Recht, Ethik, Dokumentation

Notfallsituationen rechtfertigen beschleunigte Aufklärung, heben sie aber nicht auf. Dass Ziel ist eine angemessene, knappe Information an die beteiligten Personen, die Zustimmung wird soweit möglich eingeholt und dokumentiert. Die Dokumentation dient der patientenzentrierten Kontinuität und der Beweisführung. Zeitstempel für Maßnahmen, Dosen, Übergaben und Teamentscheidungen sind zentral. Eine transparente Kommunikation bei Zwischenfällen – inklusive aufrichtiger Entschuldigung, wo angezeigt – entspricht internationalen Empfehlungen zur Fehlerkultur und korreliert mit geringerer Eskalationsrate von Beschwerden. Eine konstruktive Sicherheitskultur schützt sowohl Patientinnen als auch Mitarbeitende.

Implementierungsbarrieren und Lösungen

Häufige Hürden sind unter anderem Personalknappheit, fehlende Übungszeit und Skepsis gegenüber Standardisierung. Erfolgsfaktoren sind die konsequente Unterstützung durch die Klinikleitung, eine schlanke, verbindliche Standards, die Verknüpfung von Training mit konkreten Kennzahlen sowie Peer-Tutor:innen. Kleine, häufige Übungen schlagen seltene Großevents.

Interessenkonflikt

Die Autor:innen sind für die InPASS GmbH, Institut für Patientensicherheit und Teamtraining tätig. Die InPASS GmbH bietet u.a. CRM-Seminare und Simulationsteamtrainings an.

Zitiervorlage
Langewand, S. & Jasper, C. (2025). Kommunikation im geburtshilflichen Notfall: Klare Worte, geregelte Schritte. Deutsche Hebammen Zeitschrift, 77 (11), 22–27.
Literatur
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Brogaard, L., Uldbjerg, N., Praestegaard, C., et al. (2022). The effects of obstetric emergency team training on patient outcomes: A systematic review. Acta Obstetricia et Gynecologica Scandinavica, 101(1), 6–15. https://doi.org/10.1111/aogs.14305

Draycott, T., Crofts, J., Ash, J. P., et al. (2006). Does training in obstetric emergencies improve neonatal outcome? BJOG: An International Journal of Obstetrics & Gynaecology, 113(2), 177–182. https://doi.org/10.1111/j.1471-0528.2006.00800.x

Gräff, I., Ehlers, P., & Schacher, S. (2023). SINNHAFT – Die Merkhilfe für die standardisierte Übergabe in der Zentralen Notaufnahme. Notfall + Rettungsmedizin. https://doi.org/10.1007/s10049-023-01167-4

Hüner, B., Derksen, C., Schmiedhofer, M., Lippke, S., Riedmüller, S., Janni, W., Reister, F., & Scholz, C. (2023). Reducing preventable adverse events in obstetrics by improving interprofessional communication skills—Results of an intervention study. BMC Pregnancy and Childbirth, 23, 55. https://doi.org/10.1186/s12884-022-05304-8

Jasper, C., Langewand, S., Rall, M., & Siedentopf, N. (2025). Teamarbeit im geburtshilflichen Notfall: Die 15 Leitsätze des Crew Resource Managements (CRM). Unveröffentlichtes Manuskript.

Kaijomaa, M., Gissler, M., Äyräs, O., Sten, A., & Grahn, P. (2023). Impact of simulation training on the management of shoulder dystocia and incidence of permanent brachial plexus birth injury: An observational study. BJOG: An International Journal of Obstetrics & Gynaecology, 130(1), 70–77. https://doi.org/10.1111/1471-0528.17278

Lippke, S., Wienert, J., & Keller, F. M. (2021). Effectiveness of communication interventions in obstetrics—A systematic review. International Journal of Environmental Research and Public Health, 18(5), 2616. https://doi.org/10.3390/ijerph18052616

Müller, M., Jürgens, J., Redaèlli, M., et al. (2018). Impact of the communication and patient hand-off tool SBAR on patient safety: A systematic review. BMJ Open, 8(8), e022202. https://doi.org/10.1136/bmjopen-2018-022202

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Salik, I., & Ashurst, J. V. (2023, 23. Januar). Closed-loop communication training in medical simulation. In StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK549899/

Schlembach, D., Annecke, T., Girard, T., et al. (2023). Peripartum haemorrhage, diagnosis and therapy: Guideline of the DGGG, OEGGG and SGGG (S2k, AWMF 015–063). Geburtshilfe und Frauenheilkunde, 83(12), 1446–1490. https://doi.org/10.1055/a-2073-9615

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