Laut des aktuellen IGES-Gutachtens denken mehr als 40 % der befragten angestellten Hebammen über eine Stellenreduktion nach. Mehr als 25 % erwägen, ganz auszusteigen. Foto: © Stephanie Eichler/stock.adobe.com

Die Mehrzahl der Geburten in Deutschland findet in der Klinik statt (QUAG 2017). Durch die gesetzliche Hinzuziehungspflicht einer Hebamme zu jeder Geburt ergibt sich, dass geburtshilfliche Abteilungen zwingend Hebammen benötigen.

Aktuell ist zu beobachten, dass immer mehr Kliniken ihre geburtshilflichen Abteilungen endgültig oder temporär schließen. Als Ursachen galten bisher häufig Hebammenmangel (47 %) und/oder ökonomische Gründe (28 %) (Deutscher Hebammenverband 2018a; Blum et al. 2019). 57 % der Kliniken mit geburtshilflichen Abteilungen gaben 2018 an, dort nicht kostendeckend gearbeitet zu haben (Blum et al. 2019).

Der Geburtenanstieg der letzten Jahre, der wachsende Personalmangel in den Kliniken und die Erweiterung des Tätigkeitsspektrums auf fachfremde und zusätzliche Aufgaben führen zu hoher Arbeitsdichte und wachsender Belastung für die Mitarbeiterinnen (Deutscher Hebammenverband 2016).

In den letzten Jahren zeigten die Forschungsergebnisse, dass die Zufriedenheit von angestellten Hebammen abgenommen hat (Takase 2010; IGES 2020). Wenn sie auf Dauer eine höhere Zahl von Frauen betreuen müssen, denken sie häufiger darüber nach, ihren Arbeitgeber zu verlassen (Stahl 2016; Takase 2010). Laut des aktuellen IGES-Gutachtens zur stationären Hebammenversorgung denken mehr als 40 % der befragten angestellten Hebammen über eine Stellenreduktion nach. Mehr als 25 % von ihnen erwägen, ganz auszusteigen (IGES 2020).

Fast jedes zweite Krankenhaus (41 %) mit einer geburtshilflichen Abteilung stand 2018 vor der Herausforderung, vakante Hebammenstellen nicht besetzen zu können. Im Vergleich zum Jahr 2014 hat sich der Anteil der betroffenen Häuser mehr als verdoppelt (Blum et al. 2019).

Befragung ehemaliger Klinikhebammen

Welche Umstände genau führen letztlich dazu, dass Hebammen kündigen und die klinische Geburtshilfe verlassen? Und wer kann was dagegen tun?

Die hier beschriebene Untersuchung hatte zum Ziel, das Erleben und die Wahrnehmung von der Absicht bis zur Kündigung aus der Sicht von angestellten Hebammen zu beleuchten. Wie haben sie subjektiv das Entstehen der Absicht und die Entscheidung zur Kündigung wahrgenommen? Was hat ihnen bei der Entscheidung zu kündigen geholfen, was stellte eine Barriere dar?

Die neun interviewten Hebammen waren zwischen 25 und 54 Jahre alt. Insgesamt hatten 44 % der Befragten zum Zeitpunkt der Kündigung Kinder, die zwischen 3 und 24 Jahre alt waren. Der Examenszeitpunkt variierte zwischen den Jahren 1984 und 2017. Die aktive Berufserfahrung lag zum Zeitpunkt der Kündigung im Durchschnitt bei 9,3 Jahren.

22 % arbeiteten Vollzeit, als sie kündigten. Von den 78 % der Teilzeitbeschäftigten hatten 86 % einen Stellenumfang von ≤ 50% Vollzeitäquivalent. 14 % arbeiteten zwischen 50 % und 100%.

Was macht eigentlich zufrieden?

Um zu verstehen, was MitarbeiterInnen zufrieden oder unzufrieden macht, dient die Zwei-Faktoren-Theorie (Herzberg et al. 1959). Sie ist eine theoretische Grundlage der Motivationsforschung im Kontext von Arbeit, die bis heute als wegweisend gilt (Nerdinger 2014).

Frederick Herzberg und sein Team widersprechen der allgemeinen Annahme, dass ökonomische Anreize allein Menschen zur Arbeit motivieren können. Sie erkannten die Bedeutung intrinsischer Tätigkeitsaspekte für die Zufriedenheit und die Motivation von MitarbeiterInnen (ebenda). Herzberg und KollegInnen identifizierten im Rahmen ihrer Forschung zwei voneinander unabhängige Hauptkategorien: die Hygienefaktoren (im Sinne der Basisfaktoren von Motivation) und die Motivatoren (Herzberg et al. 1959). Wenn die Hygienefaktoren nicht vorhanden sind, entsteht Unzufriedenheit. Sind sie vorhanden entsteht der Zustand der »Nicht-Unzufriedenheit«, jedoch keine Zufriedenheit. Wenn dem Arbeitgeber, aber auch dem Team bewusst ist, was sie zufrieden machen kann, können Maßnahmen daraufhin abgestimmt werden, um zielführend zu mehr Zufriedenheit zu führen.

Tabelle 1: Hygienefaktoren und Motivatoren im Arbeitsleben

Jetzt weiterlesen mit DHZ+

dhz-badge 1,- Euro für 4 Wochen

  • freier Zugriff auf alle DHZ+-Artikel auf staudeverlag.de/dhz
  • inkl. aller ePaper-Ausgaben der DHZ und der Elterninfos
  • Zugriff auf das DHZ-Archiv auf dhz.de
  • jederzeit kündbar