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Eine Woche im Bett, eine ums Bett, eine im Haus, eine ums Haus – das Wochenbett sollte eine Zeit der Erholung und des Bondings sein. Die Realität sieht oft anders aus. Was passiert im Wochenbett, was erleben Hebammen, wie verhalten sich junge Frauen und was bringt das mit sich? Eine Stimmensammlung verschiedener Wochenbetthebammen.

Skrollan Geck:

Am besten funktioniert das Wochenbett, wenn man schon im Vorfeld darüber aufklärt. Ich verwende viel Zeit, vor allem in den Geburtsvorbereitungskursen, um den werdenden Eltern verständlich zu machen, wie einmalig und besonders diese Zeit ist. Wie fragil im frühen Wochenbett das Stillen und der Familienalltag sind. Wie wichtig für das Neugeborene Hautkontakt und Geduld sind. Und zeitgleich versuche ich, vor allem auch die Partner:innen dafür zu sensibilisieren, den/die Türsteher:in zu machen und der Rückenwind für die Frauen zu sein, mit allem was zu Hause so anfällt. Denn ein Faktor, der das Wochenbett gerne sprengt, ist das Thema Haushalt und herumwuseln. Häufig sind es die Wöchnerinnen selbst, bei denen nach 4 bis 5 Tagen Wochenbett der Geduldsfaden reißt. Es ist eben nicht so einfach, dem Wäscheberg immer weiter beim Wachsen zuzusehen. Natürlich ist es aber auch nicht so einfach, in 20 Jahren Beckenboden-Probleme zu haben. Was dort hilft, ist ein offenes Ohr und vor Allem das ernst nehmen der Bedürfnisse. Dem Kummer des Lagerkollers Platz zu geben und die Partner:innen einzubeziehen, das ist ein großer Teil meiner Hebammenarbeit. Ist die Schwierigkeit des Wochenbett Einhaltens vielleicht auch generationsbedingt?

Das ist für mich, selbst Jahrgang 1995, schwer zu beurteilen. Man sollte eigentlich denken, dass in der Zeit der unbegrenzten Möglichkeiten so eine Woche Bettruhe keine Schwierigkeit mehr darstellt. Immerhin kann man sich seine Einkäufe und sogar frische Blumen einfach per App nach Hause liefern lassen, Podcasts hören und Videotelefonieren. Die Realität ist aber doch nicht immer so einfach – denn während manche Frauen das Wochenbett vollends genießen, vorgekocht haben und im Bett essen können, wollen andere möglichst schnell in die Struktur zurück, die ihnen Sicherheit gibt: ihren Alltag. Was ist nun das kleinere Übel? Eine Wöchnerin, die sich fühlt wie ein Tiger im Käfig, oder eine, die sich morgens 15 Minuten Zeit nimmt, um Mascara zu benutzen, vielleicht ihre beste Freundin zu sich einlädt, und ja – auch mal eine Woche post Partum zur Eisdiele um die Ecke spaziert (optimalerweise nach dem »Go« der Hebamme). Ich schätze, Aufklärung und damit einhergehend Prävention kann der Schlüssel sein. Sich und dem/der Partner:in zu vermitteln: Was brauche ich? Was brauchst du? Was braucht unsere Familie? Und wo können wir uns in der Mitte treffen? Auf die Frage, ob das Paar wirklich unbedingt einen überfüllten IKEA braucht, um sich wohlfühlen zu können fällt die Antwort meist einheitlich mit »Nein« aus. Sie sind sich also schon bewusst darüber, dass sie als familiäres System vor allem Ruhe und Entspannung brauchen. Ich treffe auch immer wieder auf Familien, die bereits das zweite oder dritte Kind erwarten, und mir von ihren Erfahrungen berichten. Der Tenor ist eigentlich immer der Gleiche: »So früh Besuch von allen möglichen Menschen und direkt wieder in den Alltag kommen wollen – das würden wir nie mehr so machen.« Demnach scheint das Bewusstsein für die heilige Wochenbettzeit durchaus da zu sein – nur leider oft erst dann, wenn es eigentlich zu spät ist. Das Forcieren der Bettruhe ist trotzdem nicht der richtige Weg, sondern klare Gespräche darüber, wie die Frau im Wochenbett zu Ruhe kommen kann, und dabei ihre Involution zu begleiten. Denn was erzwungen wird, trägt sicherlich nicht zur Entspannung bei.

Daniela Erdmann:

Haben Sie schon mal einen »Tatort« gesehen, in dem ganz selbstverständlich eine Wöchnerin vorkommt? Oder in einem Hollywoodfilm?

Wahrscheinlich nicht. Und genauso geht es den meisten Menschen – sie haben keine Vorstellung davon, was Wochenbett eigentlich ist. Das Wochenbett kommt in der Öffentlichkeit nicht vor und nachdem bis 1982 die Versorgung der Wöchnerin in den ersten zehn Tagen nach der Geburt in der Klinik stattgefunden hat, ist es auch aus dem familiären Bereich für mehr als eine Generation nahezu komplett verdrängt worden.

Und damit ist auch Wissen verschwunden. Darüber, was »normal« ist, darüber, welche Belastung die Umstellungsprozesse bedeuten und darüber, welche Kompetenzen notwendig sind. Während die Schwangerschaft und die Geburt noch Themen sind, zu denen von der Nachbarin über den Kioskbesitzer bis hin zur Verwandtschaft jede und jeder etwas zu erzählen hat, ist es mit der Wochenbettzeit schon ganz anders. Sie verschwindet hinter verschlossenen Türen und ist nahezu unsichtbar. Und nicht nur, dass es öffentlich kaum wahrgenommen und besprochen wird, es besteht auch kaum ein Bewusstsein für diese Zeit.

Dass zum Beispiel eine Frau vier Wochen nach der Geburt eine Wöchnerin ist – mit allem, was das bedeutet – ist den meisten Menschen gar nicht klar.

Der Stress, der für die Frauen daraus resultiert, ist der, dass ein hoher Druck entsteht, einer Vorstellung zu entsprechen, wie es sein könnte, wie fit man sein könnte, wie man aussehen sollte, wie leistungsfähig man sein müsste.

Das führt teilweise zu einer extrem großen Verunsicherung von Müttern. Eine Schwangere hat mich kürzlich gefragt, wie viele Stunden sie Körperkontakt mit ihrem Kind haben muss, damit das mit dem Bonding richtig läuft. Und nachdem ich im ersten Moment ganz kurz gedacht habe »meine Güte, was für eine Frage«, hat mich im zweiten Moment vor allem beschäftigt, wie zutiefst verunsichert eine Frau sein muss, damit sie nach jedem Anker greift, um eine Anleitung zu bekommen. Diese Verunsicherung erlebe ich zunehmend, besonders beim ersten Kind. Und eigentlich ist es gar kein Wunder. Bevor man den Kopf schüttelt lohnt sich ein Blick darauf, dass Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und Stillzeit keine isolierten Prozesse sind, sondern selbstverständlich ineinandergreifen. Nachdem es in der Schwangerschaft aus Sicht der Frau viel um Zahlen und Daten geht, gemessen, gewogen und vor allem bewertet wird und daran anschließend die Geburt eine vermeintlich hochriskante Unternehmung ist, soll sie dann ganz plötzlich in der Wochenbettzeit auf ihre Intuition vertrauen, die ihr vorher zum Teil vehement abgesprochen wurde. Das kann nicht funktionieren.

Die Angst davor etwas falsch zu machen, ist oft ein Damoklesschwert, das über den Frauen schwebt und führt unter Umständen dazu, dass sie ihr Selbstvertrauen verlieren.

Um aus der Wochenbettzeit mit einem gestärkten Selbstvertrauen herauszugehen, müssen die Kompetenzen, die Frauen mitbringen, gesehen und gefördert werden. Und das wahrscheinlich schon lange vor der Schwangerschaft im Umgang mit dem weiblichen Körper – aber das ist ein Thema für sich. In der Betreuung ist ein erster Schritt die Fragen danach, wie die Frau Situationen selbst einschätzt oder die Nachfrage, was sie denn denkt, was ihr guttäte. Damit hat man die Gelegenheit, an die vorhandenen Gesundheitskompetenzen der Frauen anzuknüpfen und diese als Ressource zu nutzen. Manchmal sind das ganz einfache Fragen und Antworten, die einen positiven Effekt haben können. So zum Beispiel die Frage danach, welche Erfahrungen die Frau im Umgang mit Erschöpfung hat und was ihr in der Regel dann guttut. Wenn man das in der Betreuung aufnimmt, ist das eine unaufwendige, aber effektive Möglichkeit, Frauen zu empowern und auch Weichen zu stellen, wie sie sich selbst wahrnimmt in dieser ja oft krisenhaften Zeit. Wir Hebammen haben mit dem Prinzip der Salutogenese ein wertvolles Instrument an der Hand, mit dem wir die physiologischen Prozesse betonen und stärken können und damit einen entscheidenden Anteil daran, wie die Förderung der Frauen und Familiengesundheit aussehen kann.

Persönlich bin ich fest davon überzeugt, dass von starken Müttern eine ganze Gesellschaft profitiert.

Agnes Lehmann:

Die Zeit des Wochenbettes sollte für die Familien eine Zeit des Ankommens, Kennenlernens und der Regeneration sein. Ich erlebe die Realität leider oft anders.

Der Start ist meist geprägt von organisatorischen Faktoren, so dass die meist am Anfang genommenen vier Wochen Elternzeit der Partner:innen sich hauptsächlich darum drehen.

Da sind unzählige Seiten Anträge auszufüllen und Fristen für deren Abgabe einzuhalten. Dokumente müssen abgeholt werden, aber bitte von beiden Eltern, und zur Anmeldung in der jeweiligen Gemeinde ist das Baby bitte mitzubringen. Geschwisterkinder werden in einigen Bundesländern nur noch maximal 30 Stunden in der Kita betreut und die Beantragung einer Haushaltshilfe gestaltet sich mehr als schwierig – und ist gefühlt eine Leistung, die selten bis gar nicht genehmigt wird. Ganz zu schweigen von völlig ausgelasteten bürokratischen Stellen, die die nötigen Dokumente nicht zeitnah bearbeiten können. Aber ohne Geburtsurkunde und Meldebescheinigung kein Eltern- oder Kindergeld.

Wünschenswert wäre, dass hier die Digitalisierung voranschreitet und es eine Vernetzung der Behörden gibt. Außerdem sollten Anträge kürzer und einfacher gestaltet werden.

Anderseits erlebe ich auch Paare, die sich vorher ihr »Dorf« zusammengestellt haben, soweit es möglich ist. Da wird Essen geliefert, Wäsche an Freunde und Verwandte abgegeben und die Geschwisterkinder werden geholt und gebracht und in ihren Bedürfnissen gesehen. Das wäre für alle wünschenswert, ist jedoch oft nur dann möglich, wenn Menschen in der Nähe sind, die die Ressourcen dazu haben und oft leider auch nur mit dem nötigen Kleingeld.

Es fehlt definitiv an zentraler und zeitnaher Unterstützung für junge Familien. Diese wäre jedoch gerade in den ersten Wochen so enorm wichtig, vor allem in Form einer Haushaltshilfe, zeitnaher Zahlung der Gelder und mehr bezahlter Elternzeit für Partner:innen. Generell sollte das Elterngeld flexibler gestaltet und einfacher zu verstehen sein.

Meiner Erfahrung nach ist das Familienleben, die Regeneration der Mutter und das Ankommen des Babys umso harmonischer, desto entspannter die ersten Wochen verlaufen sind.

Anja Lehnertz:

Ich bin eine von den Frauen, die gerne am Fernseher sitzt, wenn bei den Royals geheiratet wird oder sonstige Festivitäten übertragen werden. Monatelang wird geplant und organisiert. Dann am großen Tag geht die werdende Königin im Mittelgang glamourös den Weg zum Thronsessel. Die Menschenmenge jubelt ihr zu. Die Kirche ist prunkvoll geschmückt, das Buffet ausladend und reichlich. Spätestens jedoch, wenn die Gekrönte auf dem Thronsessel Platz nimmt macht es »möööp« in meinem Kopf.

Das Wochenbett – die Krönungsfeier der Geburt. Oft aber kein Zeitraum, auf den sich junge Familien besonders vorbereiten oder durch Hebammen vorbereitet werden. Meist weicht die Vorbereitung dem Schwerpunkt selbstbestimmte Geburt, dabei wissen wir um die körperlichen und emotionalen Herausforderungen im Wochenbett. Wir wissen um die traumatisierten Frauen, die geplatzten Träume.

Eine Frau, die frisch geboren hat schleicht mit ihren ödematösen Beinen im Schlabberlook andächtig durch den Flur zum Klo. Ihre dicken Flockenwindeln lassen sie breitbeinig gut geerdet laufen. Das kleine Geschwisterkind hängt ihr am Rockzipfel und will die Mama unbedingt aufs das Klo begleiten. Während Sie so schleicht huscht ihr Blick zu den Wäschebergen und den Staubflocken auf dem Boden. Die Sonnenstrahlen verzaubern die ungeputzten Fenster in Kunstwerke. Der Magen knurrt, denn zum Essen blieb bis jetzt keine Zeit. Das Baby schreit im Hintergrund. Sogleich fangen die Brüste an zu tropfen und ihr Weg wird von Muttermilchflecken gezeichnet. Ihr Thronsessel, das Klo, besteigt sie vorsichtig, denn die Geburtsverletzungen zwicken, von den Hämorrhoiden gar nicht erst zu sprechen. Was erwartet also die in der Realität angekommene junge Mutter nach der Geburt?

Keine jubelnde Menge. Kein Hofstaat, der die junge Mutter unterstützt. Keine Köche, die sie versorgen. Ihre Hoffnungsträgerin, ihre Hebamme, die Sie mit Ach und Krach nach viel Suche gefunden hat, ist ihr Anker. Der feste Tagespunkt. Die, der man alles erzählen kann, alles fragen kann und auch mal Tränen fließen lassen darf, weil doch alles zu viel ist oder es nicht so ist wie gedacht. Die aber nie mehr als 30 Minuten bleiben kann, weil sie wirtschaftlich dazu genötigt wird.

Oft gibt es für Frauen nicht mal diese Hoffnungsträgerin, denn Sie haben keine Hebamme gefunden, wussten nicht um ihre Möglichkeit oder die Barrieren der Suche waren einfach zu hoch. Überforderung in der Situation. Natürliche Krisenhafte Umstände. Neue Rollenfindung und das zu einem Großteil ganz allein. Dazu der Druck der Gesellschaft, zu funktionieren und die sozialen Medien mit wunderschönen after Baby Bodys und rosigen Wangen zu bedienen. Geburt ist schließlich keine Krankheit. Und hier heißt es STOP für mich als Hebamme. Dieser Lebensübergang muss besser begleitet werden. Wenn nicht durch mich als Hebamme, dann mit mir und einem Netzwerk aus Menschen. Der Einsatz einer FamilienLotSinn®/Mütterpflegerin (angelehnt an die Kraamzorg in Holland) gehört für mich in dieser sensiblen Zeit dazu. Sie kommt mehrere Stunden. Sorgt für Ruhe im Chaos. Kümmert sich um das, was ich in 30 Minuten einfach nicht geschafft habe und steht mit mir im engen Kontakt. Sie stärkt den Frauen den Rücken. Und wenn es keine Hebamme in dieser Familie gibt, so gibt es dann wenigstens jemanden, der den Alltag mitorganisieren kann und in ihrem Netzwerk zur Not eine Hebamme antrifft. Aber auch um diese Möglichkeit muss eine Frau wissen. Sie muss sich häufig durch Anträge, die abgelehnt werden, quälen und somit lande ich wieder bei der Politik. Im Nationalen Gesundheitsziel steht geschrieben: »(…) Zentral ist dabei, dass Familien ermutigt und darin bestärkt werden, das Wochenbett als wichtige Zeit der Erholung, der Bindung und des Kennenlernens wahrzunehmen, sie zu nutzen und entsprechenden Freiraum und Unterstützung im Alltag zu organisieren. Eine gute Betreuung im Wochenbett trägt – z. B. durch die Förderung intuitiver Elternkompetenzen – wesentlich dazu bei, häufig auftretende Probleme wie Stillschwierigkeiten, exzessives Schreiverhalten des Kindes und Überlastung der Familien zu verhindern oder zumindest abzumildern (zu Sayn Wittgenstein, 2007). Eine individuelle Unterstützung mit passgenauen Angeboten ist auch hier entscheidend«. Es wird höchste Zeit das Politik das Nationale Gesundheitsziel verbindlich implementiert.

Zitiervorlage
Geck, S. et al. (2023). Stimmensammlung: Belastungen im Wochenbett. Deutsche Hebammen Zeitschrift, 75 (8), 38–41.