Bei frühgeborenen Kindern fördert der Haut-zu-Haut-Kontakt die Entwicklung der Nervenbahnen im Gehirn. Foto: © Jason/stock.adobe.com

Die Känguru-Methode hat bekanntermaßen positive Auswirkungen auf die physiologische Regulierung und Bindung bei Frühgeborenen: Der Hautkontakt wirkt sich günstig auf die Atmung, den Herzschlag und den Schlaf aus. Die Kinder schreien weniger und bekommen seltener Infektionen, zudem wird das Stillen gefördert. Doch wie sich der frühe Hautkontakt auf die frühe Gehirnstruktur der Kinder auswirkt, war bislang unklar. Eine aktuelle New Yorker Studie hat nun den Zusammenhang zwischen Hautkontakt im Krankenhaus und der Mikrostruktur der weißen Substanz bei sehr frühgeborenen Säuglingen untersucht, wobei der Schwerpunkt auf den frontolimbischen Bahnen lag, die an der Stressregulation und der sozioemotionalen Entwicklung beteiligt sind.

Untersucht wurden 88 Frühgeborene, die im Schnitt nach 29 Schwangerschaftswochen mit durchschnittlich 1.200 g geboren wurden und zwei Monate auf der Neugeborenenstation bleiben mussten. Die Eltern kamen in der Regel einmal am Tag und bekamen die Känguru-Methode angeboten. 10 % nahmen den Hautkontakt für 30 Minuten bis zwei Stunden wahr, einige lehnten die Methode aber auch ab. Im Durchschnitt dauerte der Hautkontakt über die gesamte Zeit täglich 24 Minuten.

Nervenbahnen im MRT-Bild

Am Weill Medical College in New York wurden bei Frühgeborenen auf der der Neugeborenen-Intensivstation die Häufigkeit und Dauer des Hautkontakts dokumentiert und zur Entlassung eine MRT durchgeführt. Forschende vom Burke Neurological Institute in White Plains bei New York werteten die Daten aus und betrachteten dabei vor allem den frontalen Kortex und das limbische System. Sie untersuchten die Integrität von drei größeren Nervenbahnen: dem Cingulum, das sich vom Frontallappen zum Temporallappen zieht und an der Regulierung von Aufmerksamkeit und Emotionen beteiligt ist, des Radiatio thalami, der sensorische Informationen an die Großhirnrinde weiterleitet und an der Verarbeitung von Emotionen und Gedächtnis beteiligt ist, sowie des Fasciculus uncinatus als bidirektionaler Verbindung zwischen Frontal- und Temporallappen.

Mit einer Diffusions-Tensor-Bildgebung konnten die Forschenden die Beweglichkeit von Wassermolekülen in den Nervenfasern unter dem starken Magnetfeld messen. Da die Membranen der Nervenfasern eine Barriere bilden, ermöglichte die Untersuchung Rückschlüsse über Verlauf und Ausprägung der einzelnen Verbindungen.

Frühe Erfahrungen prägen das Gehirn

Im MRT wurden die die Auswirkungen deutlich: Im Cingulum und in der Radiatio thalami nahmen die Diffusionsbewegungen mit der Dauer des Hautkontakts zu. In der Radiatio thalami war außerdem die fraktionale Anisotropie vermindert. Nur im Fasciculus uncinatus waren keine signifikanten Veränderungen erkennbar.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Nervenbahnen der Frühgeborenen empfindlich reagieren und dass positive Erfahrungen mit der Känguru-Methode Spuren im Gehirn hinterlassen.

Quelle: Travis, K. E., Lazarus, M. F., Scala, M., Marchman, V. A., Bruckert, L., Velasco Poblaciones, R., Dubner, S. E., & Feldman, H. M. (2025). Skin-to-Skin Holding in Relation to White Matter Microstructure in Infants Born Preterm. Neurology, 105(8), e214138. https://doi.org/10.1212/WNL.0000000000214138 ∙ Deutsches Ärzteblatt, 1.10.2025 ∙ DHZ