Das Gehirn von Frühgeborenen entwickelt sich anders, wenn sie regelmäßig die mütterliche Stimme hören. Foto: © Toshi Photography/stock.adobe.com

Bei Frühgeborenen zeigt sich in den ersten Lebensjahren häufig eine verzögerte Sprachentwicklung. Die Ursachen hierfür sind vermutlich vielfältig und bislang nur unzureichend erforscht. Ein möglicher Faktor könnte der fehlende akustische Kontakt zur Mutter sein, da viele Frühgeborene in den ersten Wochen auf der Neugeborenen-Intensivstation im Inkubator liegen müssen.

Ein Forschungsteam um Katherine Travis vom Weill Cornell Medicine in New York ging der Frage nach, ob das regelmäßige Vorlesen einer Geschichte durch die Mutter die Gehirnentwicklung der Kinder positiv beeinflussen könnte. An der randomisierten Studie nahmen 46 Säuglinge teil, die zwischen der 24. und 31. Schwangerschaftswoche geboren wurden und bis zum ursprünglich vorgesehenen Geburtstermin auf einer Neugeborenen-Intensivstation betreut wurden.

Die Hälfte der Kinder hörte dort täglich zwischen 10 Uhr und 16 Uhr stündlich zweimal eine zehnminütige Tonaufnahme, auf der die Mutter ein Kapitel aus dem Buch »Ein Bär namens Paddington« vorlas – im Durchschnitt 2,67 Stunden pro Tag. Die andere Hälfte der Säuglinge erhielt keine Hörstimuli.

Bei der Entlassung aus der Klinik wurde bei allen Kindern eine Magnetresonanztomografie (MRT) des Gehirns durchgeführt. Das Forschungsteam interessierte sich dabei insbesondere für Veränderungen im Fasciculus arcuatus – einer Faserbahn, die den unteren parietalen mit dem hinteren temporalen Cortex verbindet und vor allem in der linken Hemisphäre eine zentrale Rolle bei der Spracherkennung spielt.

Tatsächlich zeigte sich bei den Säuglingen, die regelmäßig die Stimme ihrer Mutter gehört hatten, im linken Fasciculus arcuatus eine verringerte Diffusivität. Das MRT misst vereinfacht gesagt, wie stark sich Wasserstoffmoleküle im Magnetfeld bewegen. Eine reduzierte Diffusivität weist auf Barrieren hin, die im Gehirn vor allem durch die Membranen der Nervenfasern gebildet werden. Travis interpretiert dieses Ergebnis als Hinweis auf eine verstärkte Myelinisierung der Nerven – also eine verbesserte Leitfähigkeit.

Ob diese Veränderungen langfristig die Sprachentwicklung der Frühgeborenen fördern, lässt sich allein anhand der MRT-Daten jedoch nicht beurteilen. Dafür wären weiterführende klinische Studien erforderlich.

Quelle: Travis, K. E., Scala, M., Marchman, V. A., Wu, H., Dodson, C. K., Bruckert, L., Lazarus, M. F., Poblaciones, R. V., Yeom, K. W., & Feldman, H. M. (2025). Listening to mom in the neonatal intensive care unit: A randomized trial of increased maternal speech exposure on white matter connectivity in infants born preterm. Frontiers in Human Neuroscience, 19. https://doi.org/10.3389/fnhum.2025.1673471 ∙ Deutsches Ärzteblatt, 16.10.2025 ∙ DHZ