Gertrud Müller Ende der 1990er Jahre mit einem Neugeborenen, das sie auf die Welt begleitet hat. Foto: © privat
Bis zuletzt widmete die 93-jährige Gertrud Müller (*18.9.1931 in Müllheim) sich der Hebammenarbeit und schenkte werdenden Müttern Mut. Am 26. Mai 2025 verstarb die Freiburger Hebamme im Alter von 93 Jahren. Bis zuletzt war sie mit vollem Herzen und ihren erfahrenen Händen an der Seite der Mütter. Noch 2024 begleitete sie »ihre« Frauen zur Geburt in alle drei Freiburger Kliniken, wenn auch nicht mehr in voller Verantwortung. Noch Anfang 2025 leitete sie liebevoll Babymassagekurse in ihrem Zuhause.
Gertrud Müller war eine Hebamme der alten Schule – bodenständig, direkt, unerschrocken. Sie sagte den Frauen die Wahrheit, machte keine falschen Versprechungen, aber schenkte immer Zuversicht: »Jede Frau kann das schaffen. Aber Geburt ist Arbeit – und wer arbeitet, kann nicht ruhen.« Mit diesem Satz, den viele von ihr hörten, erinnerte sie die Frauen an ihre Kraft und Eigenverantwortung. Sie beschönigte nichts – und machte gleichzeitig Mut. Denn sie war da. Immer! Ohne Pathos und ohne esoterisches Gehabe.
Ich erinnere mich an meine eigene Geburt 2010 nach zwei Kaiserschnitten. Gertrud saß an meiner Seite – während jeder einzelnen Wehe, mit festen Händen, klarem Blick und unerschütterlichem Vertrauen. Sie hat mich nie allein gelassen. Ihre Präsenz war stark, sie hat nicht nur begleitet, sondern angeleitet, massiert, durchgetragen. Sie war Hebamme mit Leib und Seele;, eine, die zupackte und wusste, was zu tun war – auch dann, wenn es anders kam als geplant.
Mit nur 13 Jahren wurde sie Zeugin einer Geburt – und wusste: »Das ist meine Berufung.« Ihre Ausbildung begann sie 1948 mit der ihr eigenen Beharrlichkeit. Nach Stationen in Lörrach, Müllheim und Freiburg wirkte sie jahrzehntelang als Hausgeburtshebamme in der Region. Fast 4.000 Kinder kamen in ihrer Begleitung zur Welt.
Viele Freiburger Mütter – gerade nach schwierigen Vorerfahrungen – haben durch sie wieder Vertrauen in ihre eigene Gebärkraft gefunden. Sie war eine Hebamme, die Frauen ermutigte und in ihrer eigenen Stärke sah. Vielleicht ist es das, was bleibt: Ihre Liebe und ihr kraftvolles Vertrauen in die Geburt – und zu den Frauen selbst.
Wir verneigen uns in tiefer Dankbarkeit vor einem langen Leben voller Hingabe.
Hinweis
Dr. Ute Taschner stellte Getrud Müller 2017 bereits in einem Porträt vor: »Warten können ist eine Tugend« (DHZ 09/2017).
Quelle: Dr. Ute Taschner, 22.6.2025 ∙ DHZ
