
Etwa eine von zehn Frauen entwickelt nach der Geburt ihres Kindes eine postpartale Depression. Eine Studie zeigt, dass auch Hebammen und andere Betreuungspersonen diese behandeln können. Illustration: © Alina/stock.adobe.com
Hebammen und andere in der Betreuung von Mutter und Kind beteiligte Personen können nach einer Einweisung eine postpartale Depression behandeln, unter der eine von zehn Frauen nach der Geburt leidet. Die Psychotherapie kann dabei durch direkten Kontakt oder über eine Zoomkonferenz erfolgen.
Dies kam in einer der bisher größten randomisierten Studien zur Psychotherapie heraus, deren Ergebnisse jetzt in Nature Medicine publiziert wurden.
Etwa jede zehnte Frau braucht Hilfe
Bei den meisten Müttern kommt es in den ersten Tagen nach der Geburt zu depressiven Verstimmungen. Die Freude über das Kind wird überlagert von Ängsten und Sorgen, die sich aus der neuen Lebenssituation ergeben.
Die meisten Wöchnerinnen erholen sich nach kurzer Zeit von ihrem »Baby Blues«. Etwa 10 % der Frauen entwickeln jedoch eine postpartale Depression, die sie aus eigener Kraft oder mit Unterstützung ihrer Familie oft nicht überwinden können.
Diese Frauen benötigen professionelle Hilfe, die sie allerdings in der Regel nicht erhalten. Auch in Ländern mit einem gut entwickelten Gesundheitssystem gibt es nicht genügend Psychotherapeut:innen.
Die »Scaling Up Maternal Mental health care by Increasing access to Treatment« (SUMMIT) hat untersucht, ob Krankenpflegekräfte, Hebammen oder Sozialarbeiter:innen, die die Mütter in den ersten Wochen ohnehin betreuen, diese Lücke füllen könnten. Die Studie hat außerdem untersucht, ob die Psychotherapie auch online über ein Zoomgespräch durchgeführt werden kann.
Studie in Kanada und den USA
Zwischen Januar 2020 und Oktober 2023 wurden an fünf Kliniken in Kanada und den USA 3.629 Frauen angesprochen, bei denen ein Score von mehr als 10 Punkten in der Edinburgh-Postnatal-Depressions-Skala (EPDS) auf eine zumindest milde Depression hinwies.
Insgesamt 1.230 Frauen konnten zur Teilnahme gewonnen werden. SUMMIT war damit laut Studienleiterin Daisy Singla vom Lunenfeld-Tanenbaum Research Institute in Toronto eine der größten randomisierten Studien, die jemals zu einer Psychotherapie durchgeführt wurden.
Die Frauen wurden auf vier Gruppen verteilt: 472 Frauen wurden von einer nicht spezialisierten Person telemedizinisch und 145 im direkten Kontakt betreut. Weitere 469 Frauen erhielten eine telemedizinische und 144 eine persönliche Behandlung durch ausgebildete Spezialist:innen.
Die Behandlungen waren in allen Gruppen identisch. Sie bestanden jeweils aus acht Sitzungen, die einmal pro Woche angeboten wurden. Psychotherapeut:innen und nichtspezialisierte Personen (Hebammen, Krankenpflegekräfte und Doulas) waren zuvor in Workshops mit den Prinzipien der »Behavioral Activation« vertraut gemacht worden.
Es handelt sich um eine Verhaltenstherapie, die speziell für depressive Störungen entwickelt wurde. Ihr Ziel ist es, die Frauen zu werteorientierten Aktivitäten zu motivieren und sie damit in ihrer neuen Rolle als Mütter zu stärken. Grundlage der Schulung war ein Manual, an dem sich Psychotherapeut:innen und Nichtspezialist:innen gemeinsam orientierten.
Der primäre Endpunkt der Studie war die Entwicklung des EPDS, den die Frauen bei allen Therapiesitzungen und nach drei Monaten ausfüllten. Zu Beginn der Studie lag der EPDS-Wert bei durchschnittlich 15,77 Punkten von maximal möglichen 30 Punkten.
Nach drei Monaten war er in allen vier Gruppen abgefallen. Nach der Therapie durch die Nichtspezialist:innen wurde im Durchschnitt ein EPDS-Wert von 9,27 Punkten erreicht gegenüber 8,91 Punkten nach der Betreuung durch Psychotherapeut:innen.
Die telemedizinische Betreuung erreichte einen Wert von 9,15 Punkten gegenüber 8,92 Punkten, wenn die Sitzungen vor Ort erfolgten. In beiden Fällen lagen die Differenzen innerhalb einer Noninferioritätsmarge (Nichtunterlegenheit) von 10 % beim Vergleich Spezialist:in mit Nichtspezialist:in und 13 % beim Vergleich Telemedizin mit Vorortbetreuung.
Auch bei den Angstsymptomen, die mit dem GAD-7-Score (»Generalized Anxiety Disorder«) ermittelt wurden, gab es keine wesentlichen Unterschiede zwischen den vier Gruppen.
In allen Modalitäten kam es zu einem Abfall des GAD-7-Score auf durchschnittlich unter 8 Punkte, was die Grenze zu einer möglichen Angststörung ist. Es gilt jeweils: beide Fragebögen, (EPDS und GAD-7) sind Screeningtests. Die abschließende Diagnose können nur Psychotherapeut:innen oder Psychiater:innen stellen.
Ausblick für die Praxis
Eine Betreuung durch Nichtspezialist:innen und eventuell über Zoom eröffnet nach Ansicht von Singla die Möglichkeit, die Psychotherapie einer größeren Gruppe von betroffenen Frauen anbieten zu können, die sonst durch begrenzte personelle und finanzielle Ressourcen keine Chance auf eine Behandlung hätten.
Die Forscher:innen wollen die Teilnehmerinnen weiter beobachten, um die langfristigen Auswirkungen der Behandlungen zu untersuchen. Geplant sei auch eine separate ökonomische Bewertung des neuen Therapieansatzes für das kanadische und US-amerikanische Gesundheitssystem.
Quelle: Singla, D. R., Silver, R. K., Vigod, S. N., Schoueri-Mychasiw, N., Kim, J. J., La Porte, L. M., Ravitz, P., Schiller, C. E., Lawson, A. S., Kiss, A., Hollon, S. D., Dennis, C. L., Berenbaum, T. S., Krohn, H. A., Gibori, J. E., Charlebois, J., Clark, D. M., Dalfen, A. K., Davis, W., Gaynes, B. N., … Meltzer-Brody, S. (2025). Task-sharing and telemedicine delivery of psychotherapy to treat perinatal depression: a pragmatic, noninferiority randomized trial. Nature medicine, 10.1038/s41591-024-03482-w. Advance online publication. https://doi.org/10.1038/s41591-024-03482-w · aerzteblatt.de, 27.03.2025 · DHZ