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Antonia Christina Braune: »Den Takt gibt die ­Hebammenarbeit vor.«

Es ist 23:30 Uhr; ich schlafe. Mein Rufbereitschaftshandy klingelt. Mein Herz schlägt schnell, Adrenalin durchströmt mich. Ich bin schlagartig wach. Raus aus dem Bett – leise, damit mein Partner nicht aufwacht. Das Telefonat dauert sieben Minuten. Ich schlafe weiter. Um 01:00 Uhr kommt der Ruf zur Geburt und ich fahre los in Richtung Geburtshaus. Die Frau bringt um 9:57 Uhr ihr Baby zur Welt. Nach der postpartalen Überwachung und Putzen fahre ich um 15 Uhr nach Hause. Ich stehe in meiner Wohnung, müde und unter Strom. Ich habe mein Ritual, um runterzufahren: Duschen, Tagebuch schreiben und Handy in den Flugmodus schalten. Ich schlafe zwei Stunden und starte ruhig in meinen Abend.
Den Takt meines Lebens gibt die Hebammenarbeit vor. Schlafen, Hobbys und Familienfeiern sortieren sich um Rufbereitschaft, Geburtsbegleitungen und Vorsorgen. Freiberufliche Hebammenarbeit steht auf einem Fundament aus Verständnis des sozialen Umfelds. Ein gut organisierter und flexibler Alltag erhält die Work-Life-Balance trotz Rufbereitschaft aufrecht. Und man wird Profi im Schlafen: überall und zu jeder Zeit!
Jeder Tag hat eine »Übergangsphase«. Eine Phase des Abschlusses der Arbeit und Anfang des Privatlebens. Durch die oben beschriebene Routine kann ich mich auf meine Familie konzentrieren und meinen Bedürfnissen Raum geben, denn sie sind genauso wichtig wie meine Arbeit. Schließlich ist ausreichend Schlaf eine Voraussetzung, um sichere und qualitativ hochwertige Hebammenarbeit zu leisten.

Die Autorin
Antonia Christina Braune (B.Sc.) hat an der Hochschule Fulda studiert und ist seit Oktober 2022 Teil des Geburtshauses und Hebammenkollektivs »Haus für Geburt und Gesundheit, Hebammen Brown & Partnerinnen« in Hamburg-Hamm. Dort ist sie in Schwangerenvorsorge, Geburtshilfe und ­Wochenbettbetreuung tätig.

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Julia Füchtner: »Mein Körper hat sich den Schlaf zurückgeholt.«

Was ausreichend Schlaf bedeutet, habe ich erst in den Monaten nach meinem Examen erfahren, als ich meine Bachelorarbeit schreiben musste. Ich hatte keine Praxisphasen mehr, nur Bibliothekstage und habe mich dafür einem 9-to-5-Rhythmus angepasst. Mein Körper hat sich den verpassten Schlaf aus der Ausbildung einfach zurückgeholt. Ein Jahr lang ausschlafen – wann ich die Bachelorarbeit schreibe, kann ich schließlich selbst entscheiden.
Seit zwei Monaten bin ich zurück im Schichtdienst und muss neue Routinen finden. Was mir dabei hilft sind meine Mitbewohner:innen. Ich lebe in einer Hausgemeinschaft mit weiteren zehn Menschen. Nahezu rund um die Uhr sitzen Menschen in unserer Küche, die gespannt darauf warten, was ich von meinem Dienst erzähle. Das sehe ich als eine sehr wertvolle Ressource an. Statt mich die halbe Nacht mit Gedanken aus dem Dienst zu beschäftigen, werde ich die Eindrücke bei meinem Mitbewohner:innen los.
Gerade als Berufsanfängerin tauscht man sich viel mit ehemaligen Kommiliton:innen über Fragen und Eindrücke aus den Diensten aus. So haben wir weiterhin am Alltag der Anderen Teil und verlieren uns nicht aus den Augen. Das ist für mich eine Form der Selbstfürsorge, die ich mir auf jeden Fall bewahren möchte.

Die Autorin
Julia Füchtner hat 2023 ihr Staatsexamen zur Hebamme absolviert. Sie ist seit Gründung der Jungorganisation aktiv und war bis zuletzt Sprecherin der Region 4. Während ihres Studiums in Jena arbeitete sie als Tutorin und wissenschaftliche Hilfskraft. Mittlerweile ist sie im Kreißsaal Gera tätig.

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Greta Mahne: »Eine Pause im Dienst ist 
nicht selbstverständlich.«

Guter Schlaf und Schicht­dienst ist wahrscheinlich das am häufigsten diskutierte Thema unter Mitarbeitenden im Krankenhaus. Ist es überhaupt möglich, bei ständig wechselnden Arbeitszeiten einen gesunden und erholsamen Schlaf zu haben? Eine Pause im Dienst ist nicht selbstverständlich und oft macht man Überstunden, um die Übergabegeburt oder die Dokumentation aus dem Dienst nachzuholen.
Mich persönlich umtreiben oft im Bett viele Gedanken aus dem Dienst und erschweren mir trotz Müdigkeit das Einschlafen. Was mir beim Schlafen insgesamt hilft, sind Ruhe und Dunkelheit und vor dem Schlafengehen zu lesen. Ohropax und Schlafmaske gehören für mich zum Nachtdienst dazu sowie das Melatoninspray und die Melatonin-Baldrian Tabletten am Abend vor dem Frühdienst.
Ein wesentlicher Bestandteil meines Alltages ist außerdem Sport – für mich das Laufen – was mir physisch als auch psychisch viel Kraft gibt und meinen Schlaf positiv beeinflusst. Da ich keine eigenen Kinder habe und meinen Alltag überwiegend nach meinen persönlichen Bedürfnissen ausrichten kann, lässt sich eine Vollzeitstelle im Kreißsaal aktuell unkompliziert mit meinem Familienleben vereinbaren. Nichtsdestotrotz frage ich mich, wie Kolleginnen, die Kinder oder pflegebedürftige Angehörige haben, die Care-Arbeit mit ihrer regulären Arbeit vereinbaren. Davor habe ich großen Respekt. Ich werde sicherlich noch viel in meinem Berufsleben zum Thema Schlaf, Job und Schichtdienst dazulernen.

Die Autorin
Greta Mahne hat im Frühjahr 2024 ihr duales Bachelorstudium Hebammenwissenschaften an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg und der medizinischen Fakultät des Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf abgeschlossen. Seit Januar 2025 arbeitet sie im Universitätsklinikum Eppendorf in Hamburg.

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Christina Preiß: »Früher konnte ich ­Schlaf­mangel besser ­kompensieren.«

Seit 20 Jahren übe ich diesen schönen Hebammenberuf aus. Derzeit als freiberufliche Beleghebamme im Zwölf-Stunden-Dienst-System. Meine Beziehung zum Thema Schlaf hat sich in den letzten Jahren sehr gewandelt. Früher konnte ich Schlafmangel viel besser kompensieren: sowohl die wilden Partynächte, als auch die vielen Nachtschichten oder Spät-/Frühwechsel. Selbst in der Stillphase meiner Kinder konnte ich den fehlenden Nachtschlaf mit kurzem Co-Schlaf wieder ausgleichen. Diese Zeit war zwar auch anstrengend, aber nicht belastend.
Heute brauche ich meinen Schlaf – und guter Schlaf ist seltener geworden. Einerseits durch die hormonellen Veränderungen im Alter, anderseits weil der Biorhythmus insbesondere nach einem Nachtdienst komplett freidreht. Tagsüber schlafen ist qualitativ völlig anders. Ich komme noch nicht mal auf die empfohlene Schlafzeit von 7–9 Stunden. Daher fühle ich mich danach oft sehr erschöpft, unmotiviert und fahrig. Vergleichbar wie mit einem Jetlag oder Hangover. Dieser Zustand kann auch tageweise nachhängen.
Als erfahrende Hebamme ist mir bewusst, wie Schlafmangel sich auf meine berufliche Tätigkeit auswirken kann. Es ist wichtig, ausgeruht und konzentriert in seinen Dienst zu starten, damit keine Fehler passieren.
In Nachtdiensten kann ich eher zur Ruhe finden – das ist aber nicht die Regel. Schlafpausen gibt es keine, Ruhephasen durchaus: Im rotierenden Prinzip mit den anderen Kolleginnen können wir uns in ruhigen Diensten gegenseitig kleine Auszeiten verschaffen.
Ebenso möchte ich als Mutter ausgeglichen für meine Familie da sein. In anstrengenden Dienstperioden haben mein Mann und meine Töchter viel Verständnis und nehmen Rücksicht, damit ich mir Ruhepausen nehmen kann. Dafür bin ich sehr dankbar. Es bleibt trotzdem ein Kraftakt, die Balance zwischen Beruf und Familie gut zu meistern. Die Belastung hat auch körperliche Folgen. Um resilient sein zu können, muss ich mir Freiräume schaffen: Freiraum für Bewegung, Entspannung oder einfach nur schlafen. Routinen, ein klarer Plan und zeitliche Struktur helfen mir dabei, mich nicht zu verlieren. Ich liebe To-do-Listen, denn Dinge wegstreichen macht glücklich.
Zusammenfassend gibt es für mich nicht die eine große Lösung. Meine Erholung besteht aus vielen Kleinigkeiten. Geplante Auszeiten – auch wenn es manchmal nur 15 Minuten sind – viel Bewegung und eine positive Einstellung zum Leben.

Die Autorin
Christina Preiß ist seit 2005 Hebamme und war bis 2010 in einer Klinik angestellt und freiberuflich tätig. Während ihrer Elternzeit hat sie keine Geburtshilfe, sondern Vor- und Nachsorgen betreut. Seit 2021 arbeitet sie als freiberufliche Dienstbeleghebamme ausschließlich in der Geburtshilfe.

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Annick de Lamotte: »Man sorgt dafür, dass man 
sein Bestes geben kann.«

Vor ein paar Jahren habe ich mitten in der Nacht meine Adoptivtochter bei ihrer siebten Hausgeburt begleitet. Ich wusste, sie vertraut mir als Mensch und Hebamme bedingungslos. Was auch immer passieren würde, sie war ganz in der Akzeptanz. Wir waren zu zweit mit dem Baby und gaben unser Bestes im schönsten Sinn des Wortes. Ich war nur da, präsent und aufmerksam, bei mir, aber auch ganz bei ihr und bei ihrem Kind. Wir waren im Fluss. Ich wusste genau, was sie brauchte und wie es ihrem Kind ging. Das seltene Hören der Herztöne war ein Akt der Professionalität, nicht der Angst oder des Absicherns. Obwohl ich die ganze Nacht wach war, war ich an dem Tag und auch an den darauffolgenden Tagen nicht müde. Fließt die Energie, ist das Geben nicht einseitig, sondern auch die Hebamme wird reichlich beschenkt. Beeindruckt hat mich auch die erlebte »Qualitätssicherung« in ihrem ursprünglichen Sinn: Man sorgt dafür, dass man sein Bestes geben kann.
Was mir in solchen Situation Kraft gibt, ist die Selbsterfahrung und die regelmäßige Supervision und Intervision. Die Selbsterfahrung hilft mir, mich vor Grenzüberschreitungen und verbalen Aggressionen zu schützen. Ich bleibe eher bei mir. Die Supervision hilft mir, über meine Arbeit nachzudenken, meinen Platz wiederzufinden, innerlich aufzuräumen. Das ist auch Ziel der Intervision – ich würde fast jedes Gespräch unter Kolleginnen darunter verstehen. Ein zuverlässiges Netzwerk von solidarischen Kolleginnen stärkt mir und ihnen den Rücken.
Und schließlich ist es eine gesunde Lebensführung, die mich bei Kräften halten wird: Ich gehe nie ohne Proviant aus dem Haus und nehme mir genug Zeit für Besuche und Wege. Kämpfe ich mit der Zeit, verliere ich immer und bleibe erschöpft zurück.
Da ich viel unterwegs bin, betrachte ich mein gemütliches Auto als mein Wohnzimmer. Es bietet mir die Möglichkeit auszuruhen und mich zu Hause zu fühlen, gibt den Frauen die Sicherheit in der Nähe zu sein, ohne, dass sie sich durch meine Präsenz beobachtet und vielleicht gehemmt fühlen.
Den Müttern empfehle ich nach der Geburt, wann immer das Baby schläft, die Zeit für sich zu nutzen, nicht für die Hausarbeit. Das empfehle ich auch Hebammen: Ausruhen und Schlafen als absolute Priorität anzusehen. Auch hier ist das möglich, weil ich ein gutes Netz von Kolleginnen habe, die für mich einspringen können.
Um Beruf und Familie in Einklang zu bringen, hat mir etwas ganz besonders geholfen: ein stabiler Mann an meiner Seite, der alles hören konnte, übernahm, wenn ich zu müde war, mich auch kritisch hinterfragte und mir ein sicheres Gegenüber war.
Die Jahre von potenziell gestörtem Schlaf haben auch Konsequenzen. Mein Schlaf ist nie wieder richtig gut geworden. Als hätte sich mein Organismus darauf eingestellt, dass zu ungewöhnlichen Zeiten wach zu sein, Einsatz, Wachsamkeit und Bereitschaft bedeutet.

Die Autorin
Annick de Lamotte legte 1982 ihr Hebammenexamen ab. Seit 1984 ist sie Hausgeburtshebamme. Sie hat eine Geburtswohnung im eigenen Haus, in welcher die Familien vor und nach der Geburt wohnen können.

Zitiervorlage
Steinweger, C. (2025). Work-Life-Schlaf-Balance. Deutsche Hebammen Zeitschrift, 77 (5), 18–20.
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