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Die Arbeit von Pflegekräften auf der Wochenstation wird oft unterschätzt. Bei geburtshilflichen Notfällen in den ersten Tagen des Wochenbetts kommt es auf ihre Kompetenz an, aber mehr noch auf eine gute Kommunikation und eine wertschätzende Zusammenarbeit im Team.

Die Arbeit in einer großen Geburtsklinik auf Level-1-Niveau funktioniert nicht ohne feste Abläufe und Standards. Auch Notfallsituationen müssen eingespielt sein – so denkt man jedenfalls … Als pflegerische Leitung einer Wochenbettstation mit 40 Betten in einer Level-1-Klinik war es mir immer wichtig, mit allen Berufsgruppen klar und offen zu kommunizieren. Und bei den vielen schönen Momenten, die Wochenbettpflege mit sich bringt und bei denen wir hautnah dabei sein dürfen, nicht das Augenmerk zu verlieren, wenn es gefährlich werden könnte.

Ein Notfall kann aus vielen Situationen heraus entstehen: Ein Säugling, der sich beim Trinken verschluckt, ein Neugeborenes, das zu viel schläft und schwer erweckbar ist, eine Wöchnerin, die wunde Mamillen entwickelt, eine, die verstärkt blutet – die Bandbreite ist groß. Welche Notfallsituationen können für die Patient:innen postpartal lebensbedrohlich werden und wo kommt es auf berufsgruppenübergreifende Zusammenarbeit an?

Postpartale Übernahme: Theorie und Praxis

In der Theorie ist die postpartale Übernahme wahrscheinlich in vielen Häusern ähnlich bis gleich. Ungefähr zwei Stunden bleiben Mutter und Kind nach einer Geburt ohne Komplikationen im Kreißsaal, bevor sie auf die Station verlegt werden. Außer es besteht der Wunsch, nicht stationär zu bleiben, dann greifen andere Regularien. Es erfolgt eine Übergabe zwischen Kreißsaal und Wochenbettteam, ärztliche Angaben werden mit übergeben beziehungsweise folgen dem gängigen Standard im Haus. Die übernehmende Pflegekraft trägt ab diesem Zeitpunkt die pflegerische Verantwortung für Mutter und Kind. Deshalb muss sie sich zwingend persönlich einen eigenen Überblick über den Zustand von Mutter und Kind machen. Dies gelingt nur durch aktives Handeln: Uterusstand ertasten, vaginale Blutung überprüfen, eine Blutdruckkontrolle und gegebenenfalls auch eine Blutzuckerkontrolle. Außerdem die Versorgung des Neugeborenen, auf die an dieser Stelle nicht näher eingegangen wird.

In der Praxis ist die Übernahme aber oft von Hektik und Zeitdruck geprägt. Wichtig ist, dass hier gut berufsgruppenübergreifend kommuniziert wird, auf Augenhöhe. Dabei ist es nicht zielführend, dass sich die Berufsgruppen gegenseitig Druck und Vorwürfe machen, vornehmlich Hebammen und Pflegekräfte. Aus meiner Erfahrung geht es oft hinter den Kulissen darum, dass die Wöchnerin zu spät vom Kreißsaal abgeholt wird oder ohne Absprache auf die Station gebracht wird. Oder dass die Patientin nach der Geburt nicht mobilisiert wurde, oder dass das Verwenden eines Stillhütchens im Kreißsaal schon bei der Übergabe von Kopfschütteln durch die Pflegekraft begleitet wird.

Eine adäquate Betreuung durch die Hebammen benötigt Zeit, genauso wie eine adäquate Übernahme einer Wöchnerin mit Kind durch eine Pflegekraft. Und wenn Dinge geschehen sind oder nicht gemacht wurden, gibt es dafür sicherlich Gründe. Es ist wichtig, dass die organisatorischen Rahmenbedingungen für alle Berufsgruppen passen, damit individuelle und professionelle Geburtshilfe stimmig abläuft. Natürlich braucht es dafür geregelte, niedergeschriebene Abläufe, um das nächste Mutter-Kind-Paar mit Freude in Empfang nehmen zu können.

Die Situation der Pflegekraft

Die Pflegekräfte in Ausbildung lernen seit 2020 nicht mehr einen einzelnen abgeschlossenen Beruf wie Kranken-, Kinder- oder Altenpflege. Diese Fachbereiche sind zu einem Berufsprofil zusammengefasst worden. Die fertig ausgebildeten Pflegekräfte können nach Abschluss der dreijährigen Ausbildung entscheiden, wo sie arbeiten möchten. Praktisch heißt das zum Beispiel, dass sich eine Pflegekraft, die einen großen Teil ihrer Ausbildung im Pflegeheim eingesetzt war, auch auf eine Stelle einer Kinderintensivstation bewerben dürfte. Vor 2020 wäre dies undenkbar gewesen, da drei Jahre in einem Fachbereich gründlich ausgebildet wurde. Danach waren Einarbeitung und Onboarding viel leichter, da die Grundausbildung fundierter war (siehe Kasten: Fallbeispiel).

Fallbeispiel
Wenn die Einarbeitung fehlt
Was die neue Ausbildungssituation in der Praxis bedeuten kann, zeigt ein Beispiel: Eine frisch generalistisch ausgebildete Pflegekraft, drei Wochen auf der Station, holt eine Wöchnerin ab, deren Blutung leicht verstärkt ist. Die Hebamme hat zwei Frauen unter der Geburt und fasst sich deshalb kurz. Die Pflegekraft übernimmt die Patientin, obwohl sie sich unsicher ist. Zurück auf der Station ist sie erstmal auf sich allein gestellt, da die pflegerische Kollegin in einem anderen Zimmer länger beschäftigt ist. Was könnte sich in dieser Konstellation alles entwickeln?

Die Pflegekraft bringt die Patientin ins Zimmer, versucht den Uterus zu tasten, der noch etwas »schwammig« und am Nabel der Patientin zu sein scheint. Sie nimmt das Blut in der Einlage wahr, kann aber nicht beurteilen, ob die postpartale Blutung physiologisch ist. Sie versorgt den Säugling und kommt nach circa 20 Minuten wieder ins Zimmer. Die Patientin klagt über Schwindel und Übelkeit, nochmals versucht die Pflegekraft den Uterus zu tasten und kontrolliert die Einlage, die nun noch voller ist als zuvor. Die Einlage wird ausgetauscht, die Patientin wirkt teilweise etwas neben sich und die Pflegekraft beschließt, ihrer Kollegin die Situation zu schildern.

Diese telefoniert mit dem diensthabenden Arzt, der verspricht, bald zu kommen, und ordnet ein Medikament per Infusion an, damit sich der Uterus besser zusammenzieht. Die Pflegekraft geht erstmal davon aus, dass die Situation im Griff ist. 30 Minuten später findet sie die Patientin wie folgt vor: Sie ist nur noch bedingt ansprechbar, wirkt völlig abwesend, ist weiß, der Blutdruck ist bei 80/50 mmHg und das vaginal austretende Blut steht deutlich in der Einlage. Sofort wird im Kreißsaal angerufen, Hebamme und Arzt beziehungsweise Oberarzt kommen und nehmen die Patientin sofort mit den OP, wo eine Nachkürretage vorgenommen werden muss. Außerdem erhält die Patientin eine Bluttransfusion.

Das geschilderte Fallbeispiel zeigt ein erschreckendes Szenario, was selten ist, aber trotz aller Standards und Nachsorgen passieren kann. Hier geht es nicht darum, eine Berufsgruppe vorzuführen. Vielmehr möchte ich darauf hinweisen, dass das Wochenbett sehr oft unterschätzt wird. Sei es die Einarbeitung der Pflegekraft oder die Meinung, dass auf einer Wochenbettstation nicht viel zu tun wäre (Babys schaukeln kann jede:r). Auch erlebe ich immer wieder, dass junge Assistenzärzt:innen ohne viel Einarbeitung eine komplette Station betreuen und visitieren müssen, da auch hier die vorherrschende Meinung ist, dass das Wochenbett immer nach Standard F ablaufe. Ärzt:innen frisch vom Studium, kurze Zeit auf der Station, fragen in der geschilderten Situation auch die Pflegekräfte, was sie tun sollen. Die ärztlichen Kolleg:innen dürfen kaum Einarbeitung erfahren.

Wie könnte so eine Situation sicher gestaltet werden? Wie lernt eine Pflegekraft, die in ihrer Ausbildung viele Fachbereiche nur streift und in einigen unter Umständen gar nicht eingesetzt war, eine physiologische vaginale Blutung von einer pathologischen Blutung postpartal zu unterscheiden? Wann hole ich mir Hilfe? Wo/wen rufe ich an?

Ausreichende Einarbeitung, gute Kommunikation

Ein konsequentes Einarbeitungskonzept mit ausreichend Zeit, um die neuen Kollegen:innen genau auf solche Situationen vorzubereiten, ist zwingend. Es muss von der Führung getragen und verantwortet werden. Praktisches Üben und Erleben sollten im Vordergrund stehen und vor allem auch der Austausch mit den mitbetreuenden Berufsgruppen, in diesem Fall die Hebammen und Ärzt:innen.

Ich war schon einige Zeit als Pflegekraft auf der Wochenbettstation eingesetzt, als sich die Möglichkeit ergab, im Rahmen meiner Ausbildung zur IBCLC (International Board Certified Lactation Consultant) für mehrere Tage im Kreißsaal zu hospitieren. Die Betreuung, natürlich die Geburt an sich und die direkte Zeit danach live miterleben zu dürfen, war eine lehrreiche Erfahrung. Wie viel Blut ist normal? Wie taste ich einen schwammigen Uterus, wann muss die Plazenta unter Umständen manuell gelöst werden? Diese und viele weitere Fragen habe ich gestellt, stellen können und die entsprechenden Situationen auch zum Teil miterleben dürfen. Danach fühlte ich mich wirklich befähigt, die Betreuung einer Wöchnerin und ihres Babys auf der Station professionell und sicher durchzuführen.

Das Vier-Ohren-Modell
Das Vier-Ohren-Modell stammt aus der Kommunikationspsychologie und besagt, dass eine Nachricht auf vier Ebenen gesendet und verstanden werden kann: Sachinhalt, Selbstkundgabe, Beziehung und Appell. Was bedeutet das etwa im geschilderten Fallbeispiel (siehe Kasten)?

Die Wöchnerin, die gerade übernommen worden ist, blutet verstärkt nach, der Uterus ist schwammig. Die Pflegekraft fragt: »Was sollen wir tun? Kann bitte nochmal jemand kommen?«

  • Sachinformation: Die Patientin blutet verstärkt nach.
  • Selbstkundgabe: Ich brauche Hilfe, eine ärztliche Angabe oder eine Visite.
  • Beziehungshinweis: Ich vertraue dir, deshalb rufe ich dich an.
  • Appell: Bitte helft mir!

Im Idealfall nimmt der Empfänger mit seinen vier Ohren den geschilderten Fall so auf, dass sofort eine Hebamme oder ärztliche Kollegin die Patientin untersucht beziehungsweise schon telefonisch erste Angaben machen kann und dann auf die Station kommt.

Quelle: https://www.schulz-von-thun.de/die-modelle/das-kommunikationsquadrat

Foto: © https://www.schulz-von-thun.de/die-modelle/das-kommunikationsquadrat

Ich erinnere mich, dass es anfangs ganz normal war, dass Schüler:innen oder auch neue Kolleg:innen zumindest einen kurzen Einsatz im Kreißsaal hatten. Als die Klinik dann Praxispartner für einen neuen Studiengang für Hebammenwissenschaft wurde, änderten sich die Bedingungen und Anforderungen an die Hebammen im Kreißsaal, so dass der Austausch zwischen Kreißsaal und Wochenbettstation gänzlich abgeschafft werden musste, da sonst keine Kapazität für die Hebammenstudentinnen geblieben wäre.

»Kannst du bitte nochmal kommen und die Patientin untersuchen? Ich bin mir unsicher, ob die vaginale Blutung und der Uterus so in Ordnung sind.« »Klar Jenny, bin gleich da.« Glücklicherweise war das meist die Antwort, die ich bekommen habe. Gemeinsam für das Wohl der Mutter. Leider musste ich aber oft erleben, dass Unterschiede gemacht werden, je nachdem wer um Hilfe bittet. Wichtig ist, dass hier die Führungskräfte der betreffenden Abteilungen gefragt sind. Auch wenn es mehrere Berufsgruppen sind und die Abläufe sehr stark voneinander abgegrenzt sind, ist es dennoch Teamarbeit und hier darf nicht die persönliche Sympathie entscheiden. Eine wertschätzende Kommunikation benötigt Übung und muss von der Führungsebene vorgelebt werden. Dabei steht das Wohl von Mutter und Kind im Mittelpunkt.

Fürs Verständnis einer guten Kommunikation ist das Vier-Ohren-Modell von Friedemann Schulz von Thun aus dem Jahr 1981 sehr hilfreich (siehe Kasten). Mit der richtigen Kommunikation wird dafür gesorgt, dass es zu weniger Missverständnissen und Konflikten kommt. Sollte ein Team mit der Kommunikation größere Schwierigkeiten haben, empfiehlt es sich, solche Fälle gemeinsam mit Kommunikationstrainer:innen zu besprechen und aufzuarbeiten.

Geburtshilfe ist Teamarbeit

Um als Team gut zu funktionieren, sind die Rahmenbedingungen entscheidend. In großen Kliniken habe ich bisher zwei unterschiedliche Strukturen kennengelernt.

Wenn die Hebammen direkt in der Klinik angestellt sind, sind sie gebundener in die Strukturen und müssen auch auf der Wochenstation arbeiten oder in anderen geburtshilflichen Bereichen der Klinik. Wenn diese direkte Anbindung nicht besteht und sie im Belegsystem arbeiten oder zum Beispiel auf selbstständiger Basis Visiten und Wochenbettbesuche durchführen, sind sie nicht so gebunden an die Strukturen, müssten die Abläufe und Notfallmechanismen aber genauso beherrschen und kennen. Egal nach welchem Modell gearbeitet wird, Notfalltraining für das ganze Team ist eine perfekte Übungsvariante für Notfallsituationen. Notfalltraining wird zum Beispiel als sogenannte Simulation durchgeführt. Es gibt verschiedene Szenarien, die durchgespielt werden, und nicht immer sind alle Berufsgruppen beteiligt. Die Simulation kann in einer »Laborsituation« durchgeführt werden (alle Beteiligten wissen, dass es eine gestellte Situation ist) oder in einen normalen Kreißsaal oder Stationsbetrieb integriert sein. Dieses Training dient dazu, Abläufe zu prüfen und zu verbessern, Wissen zu aktualisieren, um im wirklichen Notfall effektiver agieren zu können.

Außer den Pflegekräften im Wochenbett sind alle genannten Berufsgruppen tagtäglich gewöhnt, schnell handeln zu müssen: Eine Notsectio durchzuführen, einen Säugling zu intubieren, auf schwindende Herztöne zu reagieren – all das sind Beispiele, die schnelles Handeln notwendig machen. Im Wochenbett auf einer Station geht es meistens ruhiger zu, eine postpartale Blutung oder ein anderer Notfall kommen eher selten vor.

Deshalb ist es umso wichtiger, solche Situationen zu üben. Genauso wie ein reines Reanimationstraining sollten geburtshilfliche Simulationen regelmäßig stattfinden, speziell für postpartale Notfälle.

Durch gute Einarbeitung aller Berufsgruppen, eine klare (Schnittstellen-)Kommunikation und regelmäßige Notfallsimulationen sind alle Beteiligten in der Lage zu handeln. Dann kann die Wöchnerin trotz hoher Routine, Stress und vielen zwischenmenschlichen Ereignissen nicht nur in Notfallsituationen adäquat und sicher betreut werden – von einem wirklichen Team.

Zitiervorlage
Fleischmann, J. (2024). Wochenbettpflege ist mehr als Kaffeetrinken. Deutsche Hebammen Zeitschrift, 76 (5), 16–19.
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