Ein Ehemann bei einer »normalen« Geburt
Falls wir glauben, dass Könige die einzige Ausnahme von der Regel waren, zeigt eine Illustration, die um 1633 in Paris von dem berühmten Künstler von Szenen aus dem zeitgenössischen Leben Abraham Bosse gestochen wurde, auch einen Ehemann, der bei einer »normalen« Geburt anwesend ist. Dieser Stich dürfte Details aus dem medizinischen Text des Chirurgen Jacques Guillemeau übernommen haben, der zwischen 1609 und 1674 regelmäßig neu aufgelegt und ergänzt wurde. Tatsächlich deutet die Kleidung des Ehemannes – insbesondere der Hut, der im Haus getragen wird, während das Outdoor-Pendant vor dem Bett abgelegt ist – darauf hin, dass er für die letzte Phase der Geburt nach Hause gerufen worden ist. Obwohl es sich der Einrichtung nach zu urteilen um einen relativ eleganten Pariser Haushalt handelt, wird die Geburt nur von einer Hebamme beaufsichtigt. Ein Chirurg oder ein männlicher Begleiter ist nicht anwesend. Mehrere Freundinnen oder Verwandte begleiten die Frau sowie eine Dienerin, die frische Laken vorbereitet. Und – ähnlich wie bei der königlichen Geburt – gibt es auch eine religiöse Person: eine Frau, die für die sichere Geburt der Mutter betet.
Konkrete Zusammenarbeit
Bei meinen Forschungen zu diesen beiden Themen hatte ich das große Glück, von der Zusammenarbeit mit Hebammen zu profitieren. Die Bibliothek in London, die gemeinsam vom Royal College of Obstetricians and Gynaecologists (RCOG) und dem Royal College of Midwives (RCM) betrieben wird, verfügt über eine besonders beeindruckende Anzahl früher europäischer geburtshilflicher Texte. Janette Allotey und ich konnten mit dem Archivar zusammenarbeiten, um von 2015 bis 2016 im Bildungszentrum und in der Bibliothek eine Ausstellung mit einigen dieser Schätze zu zeigen.
Wir wählten Bilder aus gedruckten Lehrbüchern aus der Zeit um 1500 und Fotos aus dem 20. Jahrhundert aus, um Vergangenheit und Gegenwart in einen Dialog zu bringen. Wir begleiteten die ausgestellten Poster mit einer Broschüre, in der die historischen Zusammenhänge erläutert wurden. Unser Grundgedanke ist, dass wir durch die Annäherung an die Geburt im Verlauf der Geschichte sowohl die lange medizinische Tradition unserer Hebammen aufwerten als auch einen Raum für die Diskussion von Themen schaffen, die auch heute noch debattiert werden und sogar zu Meinungsverschiedenheiten führen können.
Für das Eröffnungsseminar, an dem Praktiker:innen, Historiker:innen und Soziolog:innen teilnahmen, haben Janette und ich unsere Forschungsergebnisse herangezogen, um die Einstellungen zu Geburtspositionen in den letzten 500 Jahren zu untersuchen. Für die anwesenden Hebammen war dies die Gelegenheit, sich kritisch mit den Möglichkeiten und Beschränkungen der derzeitigen Praxis auseinanderzusetzen. Als Historikerin nahm ich Janettes wichtige Erkenntnisse als Praktikerin auf zu einer eher ungewöhnlichen Abbildung in einem medizinischen Lehrbuch des italienischen Autors Scipio Mercurio aus dem Jahr 1601. Sie zeigt eine gebärende Frau, die ihr Becken mit Kissen abstützt, während die Hebamme ihre Hände am kindlichen Kopf positioniert hat. Dies entspricht dem, was man heute die erste Phase des McRoberts-Manövers bezeichnen würde, um die Geburt der Schultern des Kindes durch Überstrecken der Beine zu erleichtern. Diese Position entspricht auch der Walcherschen Hängelage.
Heute: Doulas und Familienangehörige
Wer in einem Gebärraum anwesend ist oder sein sollte, ist auch heute noch ein sehr wichtiges Thema. Es ruft oft leidenschaftlich vertretene Meinungen hervor. Im Jahr 2018 wurde ich gebeten, den ersten Vortrag auf der Jahreskonferenz der Hebammenstudent:innen der Oxford Brookes University zu halten, mit denen ich zuvor meine historischen Forschungen diskutiert hatte. Das Thema des Tages, das von den Studierenden gewählt wurde, lautete »Das Team um die Mutter«. So nutzte ich einige meiner historischen Forschungen über die Anwesenheit von nichtmedizinischen Männern und weiblichen Geburtshelfern im Gebärsaal als Ausgangspunkt, um Unterschiede zwischen medizinischen, praktischen, emotional unterstützenden und religiösen Rollen herauszuarbeiten und zu zeigen, wie diese unterschiedliche soziale Konventionen und Erwartungen widerspiegeln können.
Aus Gesprächen mit vielen Hebammen weiß ich, dass die Entscheidung mancher Mütter für eine Geburtsbegleitung durch eine Doula ein sensibler Bereich sein kann: Besteht die Gefahr, dass die Anwesenheit der Doula die traditionelle unterstützende Rolle der Hebamme beeinträchtigt (Hebamme bedeutet im Altenglischen »midwife« – wörtlich: »mit der Mutter«). Oder hilft die Doula den gebärenden Frauen, ihren Gedanken Ausdruck zu verleihen und das Gefühl zu haben, dass ihre eigenen kulturellen und emotionalen Erwartungen vertreten werden? Auf meinen Vortrag folgte tatsächlich – und das hatte ich nicht im Voraus geplant – ein Vortrag einer Doula. In den Diskussionen danach war es für mich nützlich, die verschiedenen Reaktionen der Hebammen-Dozent:innen und -Student:innen zu hören und auch ein Gefühl dafür zu bekommen, dass im Jahr 2018 davon ausgegangen wird, dass ein großes Team unterschiedlicher Familienmitglieder (und/oder einige Freunde) an einer Krankenhausgeburt teilnehmen könnte.
Damals war nicht abzusehen, welche dramatischen Veränderungen die Covid-Pandemie mit sich bringen würde, nämlich die Rückkehr zu einer einzigen Begleitperson (meist der Partner), die nur für einen kurzen Zeitraum in den aktiven Wehen vor und nach der eigentlichen Geburt anwesend ist. Es wird zweifellos viele Überlegungen von Hebammen, Soziolog:innen und Historiker:innen darüber geben, wie die Pandemie die Geburtspraktiken verändert hat, zum Guten oder zum Schlechten, aber in dieser kurzen Zeit notwendigerweise. Für mich als Historikerin gibt es eine faszinierende Parallele zu Geburten in früheren Zeiten von Masseninfektionen, insbesondere der Pest. Ich hoffe, dass ich mit dem größten Respekt vor der täglichen Leistung unserer Hebammen während der Pandemie mehr Einblicke in die historische Rolle der Hebammen in Zeiten von Epidemien oder Pandemien geben kann.