Die Historikerin Valerie Worth (Mitte) betrachtet an der Oxford Brookes Universität mit Hebammen­studentinnen Abbildungen historischer geburtshilflicher Lehrbücher. Abbildung: Prof. Valerie Worth-Stylianou

Wenn Historiker:innen und Hebammen gemeinsam forschen, ergibt sich daraus ein Potenzial für Erkenntnisse, auch zur heutigen Geburtshilfe. Die Autorin hat in ihren Seminaren mit Studierenden der Hebammenkunst den Blick auf historische Quellen geworfen. Sie entwickelte Ansätze zur Erforschung der Quellen, die dazu anregen können, eigene Forschungsfragen zu stellen.

Der Zusammenhang zwischen Hebammenkunst und intellektuellem Denken ist mindestens so alt wie Sokrates, den Platon seinen fragenden Studenten in seinem Werk »Theaetetus« erwidern lässt: »Habt ihr niemals gehört, dass ich der Sohn einer Hebamme bin … und dass ich dasselbe Geschäft praktiziere? […] der einzige Unterschied ist, dass meine Patienten Männer sind, nicht Frauen, und mein Interesse gilt nicht dem Körper, sondern der Seele, die Geburtswehen erlebt.« Eine Frage zu erforschen und seine Gedanken klar und logisch hervorzubringen, kann so anstrengend sein wie zu gebären, aber eine erfahrene und sympathische »Hebamme« ermöglicht eine glücklichere und sichere Geburt.

In unserer multikulturellen Gesellschaft des 21. Jahrhunderts glauben wir natürlich nicht mehr, dass alle Denker Männer sind oder alle Hebammen Frauen! Aber bis heute braucht Forschung eine Orientierungshilfe, um geboren werden zu können, und Akademiker:innen, vor allem Historiker:innen und Sozialwissenschaftler:innen, können gegenseitig von einer Forschungskooperation profitieren.

Als Historikerin der Geburt habe ich großes Glück gehabt, seit 2014 in einer Partnerschaft zum Wissensaustausch »Knowledge Exchange Partnership« zu arbeiten. Es handelt sich dabei um ein sehr sokratisches Konzept, in dem ich mit einigen praktisch arbeitenden Hebammen arbeiten darf, die selbst historisch oder medizinisch forschen oder beides. Hierzu gehört auch die Hebamme Dr. Janette Allotey, ehemals Dozentin an der Manchester University. Sie ist Vorsitzende der Forschungsgruppe rund um die Geschichte der Hebammenkunde »De Partu«.

Louise Bourgeois war die Hebamme der französischen Königin Marie de Medici. 1609 verfasste sie ihr Werk »Diverse Beobachtungen«.

Reproduktionsmedizin der Barockzeit

Mein Forschungsbereich ist die Geschichte weiblicher Reproduktionsmedizin in Frankreich des 16. und 17. Jahrhunderts, und ich konzentriere mich vor allem auf veröffentlichte medizinische Lehrbücher. Berichte aus erster Hand von Frauen, die geboren haben, oder von Personen, die bei einer Geburt waren, sind kaum überliefert, denn die wenigen gebildeten Frauen neigten nicht dazu, über ihre persönlichen gynäkologischen Erfahrungen zu schreiben – sehr weit entfernt von der heutigen Welt der sozialen Medien wie Mumsnet (> www.mumsnet.com). Aber mit der Verbreitung des Druckes im frühen 16. Jahrhundert und einem wachsenden Anliegen aufgeklärter Ärzte, Lehrbücher in der Landessprache (lieber als in Latein) zur Verfügung zu stellen – in erster Linie für Studenten der Chirurgie und vielleicht ebenso der Medizin – verbreiteten sich die Informationen über Empfängnis, Schwangerschaft und Geburt viel mehr.

Diese Bücher – vor allem wenn sie illustriert waren – erfreuten sich zunehmend auch der Beliebtheit gebildeter Laien, und eine ganze Reihe von Ärzten widmete solche Bücher adligen Frauen. Ich habe etwa 20 solcher Bücher ausfindig gemacht, die zwischen circa 1530 und 1630 in französischer Sprache veröffentlicht wurden – eine außergewöhnliche Zahl im Vergleich zu anderen Ländern in dieser Zeit. Einige dieser Werke erlebten bis zu einem Jahrhundert lang viele Neuauflagen. Ich habe sie genutzt, um die Einstellung zur Geburt, auch Kontroversen und die Entwicklung der Geburtshilfe zu untersuchen.

Die Zeit des Barock ist in Frankreich aus zwei Gründen besonders interessant. Erstens entwickelte eine Minderheit männlicher Chirurgen ein spezielles Interesse an der Betreuung von Geburten mit Geburtsstillstand, und einige von ihnen wurden zunehmend auch zu normalen Geburten gerufen, die zuvor ausschließlich in den Zuständigkeitsbereich der Hebammen fielen. Zweitens veröffentlichte Louise Bourgeois, die Hebamme der französischen Königin, 1609 ihr Werk »Diverse Beobachtungen«, das erste Buch, das von einer Hebamme verfasst wurde. Sie fügte dem Spektrum der Zeugnisse über die Geburt eine starke weibliche professionelle Stimme hinzu. Lassen Sie mich anhand einiger Beispiele erläutern, warum diese Texte für Gesellschafts- und Medizinhistoriker:innen wertvoll sind, damit ich zeigen kann, wie ich mit ihnen sowohl innerhalb meiner eigenen akademischen Disziplin als auch im Dialog mit zeitgenössischen Hebammenpraktiker:innen arbeite.

Abbildung in einem medizinischen Lehrbuch des Italieners Scipio Mercurio von 1601. Diese Geburtsposition bekam erst rund 300 Jahre später den Namen Walchersche Hängelage. Heute beschreibt die Lage die erste Phase des McRoberts-Manövers.

Geburtspositionen

Welches ist die beste Geburtsposition? Diese Frage war vor 400 Jahren ebenso umstritten wie heute. Deutsche Hebammen waren in ganz Europa für ihre Verwendung von Gebärhockern berühmt, wie sie im Lehrbuch von Eucharius Rösslin dargestellt sind (deutsche Erstausgabe 1513). Diese wurde in viele Sprachen übersetzt – eindrucksvoll nachgezeichnet von Monica Green (siehe Kasten: Primärtexte). Und einige französische Ärzte mit besonderem Interesse an der Anatomie befürworteten entweder den Gebärstuhl, um eine Dilatation in der Eröffnungsphase zu begünstigen (Ansicht von Jean Liebault, 1582), oder stehende, sitzende oder kniende Positionen beim Pressen, vorausgesetzt, die Frau sei nicht zu schwach dazu (Ansicht von Jacques Duval, 1612).

Der Chirurg Jacques Guillemeau, der drei Jahre zuvor im Jahr 1609 publizierte, verfügte über die ungewöhnliche Erfahrung von etwa 500 Geburten in Paris, bei denen er der Frau die Wahl ihrer Position überließ. Er kam zu dem Schluss, dass »die beste und sicherste Art der Geburt im Bett ist«, was sich mit dem Rat der Hebamme Louise Bourgeois deckt, die ebenfalls im Jahr 1609 publizierte und etwa 2.000 Geburten beaufsichtigt hatte. Bourgeois sprach sich dafür aus, dass sich die Gebärende frei bewegen und die Position ihrer Wahl einnehmen sollte, kam aber zu dem Schluss, dass es für die Frau im Bett bequemer ist, wenn die Wehen normal verlaufen und es nicht zu lange dauert. Sie behielt sich das Stehen oder Sitzen vor allem für schwierige Geburtsverläufe vor, bei denen die Schwerkraft für die Geburt genutzt werden könnte. All diese Praktiker:innen – Hebammen, Chirurgen und Ärzte – hatten gemeinsam, dass sie der Mutter die Möglichkeit gaben, die beste Position für sich selbst zu wählen.

Dies steht in deutlichem Gegensatz zu den Entwicklungen im späteren Verlauf des siebzehnten Jahrhunderts, als in den städtischen Zentren zunehmend spezialisierte männliche Chirurgen (Accoucheurs) wie François Mauriceau hinzugezogen wurden, die ihre Fähigkeiten im Umgang mit einem neuen Instrument, der Geburtszange, als mögliche Lösung für schwierige Wehen anpriesen, von ihren Patientinnen aber verlangten, dass sie waagerecht auf dem Entbindungsbett lagen.

Deutsche Hebammen waren in Europa dafür bekannt, dass sie Gebärhocker verwendeten – so auch abgebildet im Lehrbuch des deutschen Arztes Eucharius Rösslin aus dem Jahr 1513

Anwesenheit des Vaters

Konnten ein Vater oder andere Männer bei einer Geburt anwesend sein? Man geht allgemein davon aus, dass Männer – abgesehen von Chirurgen oder Ärzten, die im Krisenfall gerufen wurden – bis ins späte 20. Jahrhundert dem Geburtszimmer fernblieben, ja sogar daraus verbannt waren. Doch die Hinweise in medizinischen Texten bieten ein differenzierteres Bild. Um Genaueres herauszufinden, musste ich über die Kapitel zu einem bestimmten Thema hinausgehen. Ich musste zwischen den Zeilen aller relevanten Texte lesen und eine Datenbank mit allen Beispielen anwesender Männer erstellen, die ich finden konnte. Ich habe auch Texte ausgewählt, in denen ich keine derartigen Fälle gefunden habe für eine Kontrollstichprobe. Es ist in der historischen Forschung immer wichtig, festzustellen, wie verbreitet ein Phänomen ist oder nicht!

Die erste häufige Situation, in der Männer zu einer Geburt gerufen werden, ist die körperliche Hilfe bei der schwierigen Entbindung eines totgeborenen Kindes. In einer Zeit, als es noch keine Narkose gab, wurden Männer des Ortes hinzugerufen, die Mutter festzuhalten, während der Chirurg den toten Fetus herauszog. Dies geschah sowohl wegen ihrer körperlichen Stärke als auch wegen der Befürchtung (die von verschiedenen Autoren wiederholt geäußert wurde), dass andere Frauen zu verzweifelt und von dem Anblick zu erschüttert sein könnten, um die Frau wirksam zu halten. Auch für den Fall, dass eine Frau während der Wehen schwächer wurde und man glaubte, ihr Leben sei in Gefahr, finden sich in den Texten verschiedene Fälle, in denen der Ehemann und manchmal auch ihre Eltern von den Ärzten herbeigerufen wurden. Letztere wollten damit vor allem verhindern, dass sie später der medizinischen Nachlässigkeit bezichtigt wurden. In solchen Fällen wurde regelmäßig auch der Priester (immer ein Mann) vorgeladen. In glücklichen Fällen, zumindest in den elitären Familien, konnten zudem ein oder zwei besondere weitere Männer im oder in der Nähe des Geburtsraums anwesend sein: die Astrologen, die für die Erstellung des Horoskops des Kindes zuständig waren, für das sie den genauen Zeitpunkt der Geburt aufzeichnen mussten.

Holzschnitt einer Geburt aus einem Lehrbuch von dem Geburtshelfer und Chirurgen Jacobus Rueff (1505–1558) aus Zürich. Neben der Hebamme sieht man auch zwei Astrologen.

Personen bei der Geburt der Königin

Die Geburt, über die wir die meisten Informationen haben, ist, wenig überraschend, eine königliche. Es ist die Geburt des zukünftigen Ludwig XIII., des ersten Kindes von Marie de Medici, der Frau von König Heinrich IV, im Jahr 1601. Der zweite Band der Beobachtungen von Louise Bourgeois, der 1617 veröffentlicht wurde, enthält einen detaillierten Bericht über die Geburten aller Kinder der Königin, insbesondere von Ludwig, der 1610 den Thron bestieg. Ich habe Bourgeois` Bericht, den sie als Augenzeugin und Hauptakteurin aufschrieb, ganz genau mit dem des königlichen Kinderarztes Jean Héroald verglichen, der auch dabei war. Er hatte die Geburt in seinem handschriftlichen Tagebuch festgehalten, das er die nächsten 27 Jahre führen sollte, um den medizinischen Fortschritt des erstgeborenen Sohnes des Königs zu dokumentieren.

Jeder erzählt seine Version der Ereignisse aus der eigenen Perspektive und um die eigene Rolle hervorzuheben. Bourgeois schildert ihre enge Verbundenheit sowohl mit der gebärenden Königin – es war eine Geburt von etwa 27 Stunden und anscheinend sehr schmerzhaft – als auch mit dem wartenden Monarchen. Der Brauch verlangte, dass nicht nur der Monarch, sondern auch eine Reihe von Prinzen und Prinzessinnen von königlichem Blut anwesend sein sollten, um die Geburt mitzuerleben (und um zu vermeiden, dass ein Baby in einer Wärmepfanne hineingeschmuggelt wird!).

Bourgeois lässt sie kaum mehr als die Zuschauer einer Szene erscheinen, die sie selbst souverän leitet. Nach Héroald hingegen ist Bourgeois weniger kompetent, und es ist der König, der hinter dem Geburtsstuhl der Königin steht, um sie zu stützen, und er, der Arzt und der erste Chirurg hätten die Geistesgegenwart gehabt, das schwache Neugeborene wiederzubeleben.

Welche Version näher an der Wahrheit ist, können wir nicht wissen. Bourgeois berichtet auch von den verschiedenen Helfern im Gebärsaal und vom Einzug von etwa 200 Höflingen, die den frischgebackenen Eltern unmittelbar nach der Geburt gratulierten. Zwei nicht-medizinische Männer spielten während der gesamten Geburt eine wichtige Rolle im Gebärsaal: Mönche von St.-Germain-des-Prés, die für die sichere Entbindung der Königin beteten.

1633 fertigte Abraham Bosse in Paris den Stich einer Hausgeburt an. Auch der Ehemann ist zu sehen.

Ein Ehemann bei einer »normalen« Geburt

Falls wir glauben, dass Könige die einzige Ausnahme von der Regel waren, zeigt eine Illustration, die um 1633 in Paris von dem berühmten Künstler von Szenen aus dem zeitgenössischen Leben Abraham Bosse gestochen wurde, auch einen Ehemann, der bei einer »normalen« Geburt anwesend ist. Dieser Stich dürfte Details aus dem medizinischen Text des Chirurgen Jacques Guillemeau übernommen haben, der zwischen 1609 und 1674 regelmäßig neu aufgelegt und ergänzt wurde. Tatsächlich deutet die Kleidung des Ehemannes – insbesondere der Hut, der im Haus getragen wird, während das Outdoor-Pendant vor dem Bett abgelegt ist – darauf hin, dass er für die letzte Phase der Geburt nach Hause gerufen worden ist. Obwohl es sich der Einrichtung nach zu urteilen um einen relativ eleganten Pariser Haushalt handelt, wird die Geburt nur von einer Hebamme beaufsichtigt. Ein Chirurg oder ein männlicher Begleiter ist nicht anwesend. Mehrere Freundinnen oder Verwandte begleiten die Frau sowie eine Dienerin, die frische Laken vorbereitet. Und – ähnlich wie bei der königlichen Geburt – gibt es auch eine religiöse Person: eine Frau, die für die sichere Geburt der Mutter betet.

Konkrete Zusammenarbeit

Bei meinen Forschungen zu diesen beiden Themen hatte ich das große Glück, von der Zusammenarbeit mit Hebammen zu profitieren. Die Bibliothek in London, die gemeinsam vom Royal College of Obstetricians and Gynaecologists (RCOG) und dem Royal College of Midwives (RCM) betrieben wird, verfügt über eine besonders beeindruckende Anzahl früher europäischer geburtshilflicher Texte. Janette Allotey und ich konnten mit dem Archivar zusammenarbeiten, um von 2015 bis 2016 im Bildungszentrum und in der Bibliothek eine Ausstellung mit einigen dieser Schätze zu zeigen.

Wir wählten Bilder aus gedruckten Lehrbüchern aus der Zeit um 1500 und Fotos aus dem 20. Jahrhundert aus, um Vergangenheit und Gegenwart in einen Dialog zu bringen. Wir begleiteten die ausgestellten Poster mit einer Broschüre, in der die historischen Zusammenhänge erläutert wurden. Unser Grundgedanke ist, dass wir durch die Annäherung an die Geburt im Verlauf der Geschichte sowohl die lange medizinische Tradition unserer Hebammen aufwerten als auch einen Raum für die Diskussion von Themen schaffen, die auch heute noch debattiert werden und sogar zu Meinungsverschiedenheiten führen können.

Für das Eröffnungsseminar, an dem Praktiker:innen, Historiker:innen und Soziolog:innen teilnahmen, haben Janette und ich unsere Forschungsergebnisse herangezogen, um die Einstellungen zu Geburtspositionen in den letzten 500 Jahren zu untersuchen. Für die anwesenden Hebammen war dies die Gelegenheit, sich kritisch mit den Möglichkeiten und Beschränkungen der derzeitigen Praxis auseinanderzusetzen. Als Historikerin nahm ich Janettes wichtige Erkenntnisse als Praktikerin auf zu einer eher ungewöhnlichen Abbildung in einem medizinischen Lehrbuch des italienischen Autors Scipio Mercurio aus dem Jahr 1601. Sie zeigt eine gebärende Frau, die ihr Becken mit Kissen abstützt, während die Hebamme ihre Hände am kindlichen Kopf positioniert hat. Dies entspricht dem, was man heute die erste Phase des McRoberts-Manövers bezeichnen würde, um die Geburt der Schultern des Kindes durch Überstrecken der Beine zu erleichtern. Diese Position entspricht auch der Walcherschen Hängelage.

Heute: Doulas und Familienangehörige

Wer in einem Gebärraum anwesend ist oder sein sollte, ist auch heute noch ein sehr wichtiges Thema. Es ruft oft leidenschaftlich vertretene Meinungen hervor. Im Jahr 2018 wurde ich gebeten, den ersten Vortrag auf der Jahreskonferenz der Hebammenstudent:innen der Oxford Brookes University zu halten, mit denen ich zuvor meine historischen Forschungen diskutiert hatte. Das Thema des Tages, das von den Studierenden gewählt wurde, lautete »Das Team um die Mutter«. So nutzte ich einige meiner historischen Forschungen über die Anwesenheit von nichtmedizinischen Männern und weiblichen Geburtshelfern im Gebärsaal als Ausgangspunkt, um Unterschiede zwischen medizinischen, praktischen, emotional unterstützenden und religiösen Rollen herauszuarbeiten und zu zeigen, wie diese unterschiedliche soziale Konventionen und Erwartungen widerspiegeln können.

Aus Gesprächen mit vielen Hebammen weiß ich, dass die Entscheidung mancher Mütter für eine Geburtsbegleitung durch eine Doula ein sensibler Bereich sein kann: Besteht die Gefahr, dass die Anwesenheit der Doula die traditionelle unterstützende Rolle der Hebamme beeinträchtigt (Hebamme bedeutet im Altenglischen »midwife« – wörtlich: »mit der Mutter«). Oder hilft die Doula den gebärenden Frauen, ihren Gedanken Ausdruck zu verleihen und das Gefühl zu haben, dass ihre eigenen kulturellen und emotionalen Erwartungen vertreten werden? Auf meinen Vortrag folgte tatsächlich – und das hatte ich nicht im Voraus geplant – ein Vortrag einer Doula. In den Diskussionen danach war es für mich nützlich, die verschiedenen Reaktionen der Hebammen-Dozent:innen und -Student:innen zu hören und auch ein Gefühl dafür zu bekommen, dass im Jahr 2018 davon ausgegangen wird, dass ein großes Team unterschiedlicher Familienmitglieder (und/oder einige Freunde) an einer Krankenhausgeburt teilnehmen könnte.

Damals war nicht abzusehen, welche dramatischen Veränderungen die Covid-Pandemie mit sich bringen würde, nämlich die Rückkehr zu einer einzigen Begleitperson (meist der Partner), die nur für einen kurzen Zeitraum in den aktiven Wehen vor und nach der eigentlichen Geburt anwesend ist. Es wird zweifellos viele Überlegungen von Hebammen, Soziolog:innen und Historiker:innen darüber geben, wie die Pandemie die Geburtspraktiken verändert hat, zum Guten oder zum Schlechten, aber in dieser kurzen Zeit notwendigerweise. Für mich als Historikerin gibt es eine faszinierende Parallele zu Geburten in früheren Zeiten von Masseninfektionen, insbesondere der Pest. Ich hoffe, dass ich mit dem größten Respekt vor der täglichen Leistung unserer Hebammen während der Pandemie mehr Einblicke in die historische Rolle der Hebammen in Zeiten von Epidemien oder Pandemien geben kann.


Hinweis: Übersetzt wurde der Artikel von Birgit Heimbach.


Zitiervorlage
Worth-Stylianou, V. (2021). Geburtshilfe und Geschichte. Deutsche Hebammen Zeitschrift, 73 (11), 62–67.
Literatur
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