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Auf welchen vertraglichen Grundlagen beruht die Erstattung von Wegegeldern? Wie können Hebammen bei der Abrechnung günstige Bedingungen für die vollständige Bezahlung schaffen? 

Das Wegegeld wird von den gesetzlichen Krankenkassen häufig gekürzt, wenn die einfache Entfernung mehr als 20 Kilometer beträgt. Das ist die Erfahrung vieler Hebammen. Um diese Kürzung zu vermeiden, berechnen einige Hebammen von vornherein eine einfache Entfernung von höchstens 20 Kilometern und lassen den Rest unter den Tisch fallen. Meist wird das Wegegeld dann vollständig bezahlt.

Ebenso, wenn der Besuch im Rahmen einer Tour zu mehreren Frauen erfolgt. Bei mehreren Besuchen auf einem Weg muss die Hebamme in der Abrechnung die gesamte Wegstrecke anteilig auf alle Frauen verteilen. Das ist in der Hebammen-Vergütungsvereinbarung, Anlage 1 zum Gebührenvertrag, in § 3 Absatz 4 so festgelegt. Wegegeld-Kürzungen aufgrund der Entfernung sind oft unberechtigt, denn eine maximale Entfernung von der Hebamme zum Ort der Leistung ist nirgends definiert. In der Hebammen-Vergütungsvereinbarung heißt es zur Entfernung in § 3 Absatz 3: „Hat eine andere als die nächstwohnende Hebamme Hilfe geleistet, so kann die Krankenkasse den dadurch entstehenden Mehrbetrag an Wegegeld ablehnen, wenn der Weg von der Stelle der Leistung zur Wohnung oder Praxis der anderen Hebamme mehr als 20 Kilometer länger ist als zur Wohnung oder Praxis der nächstwohnenden Hebamme.” Anders ausgedrückt: Die Entfernungsdifferenz zwischen dem Weg der einen Hebamme zur Frau und dem Weg der anderen Hebamme zur Frau ist entscheidend dafür, ob die Kasse den Mehrbetrag für das Wegegeld bezahlen muss oder nicht. Implizit vorausgesetzt wird hier, dass die nächstwohnende Hebamme die Leistung ebenfalls hätte erbringen können. Das wäre der Kasse möglicherweise lieber, doch gibt es dank der Regelung in Absatz 3 hier etwas Gestaltungsspielraum.

Freiwillige Begründung

Angenommen, Sie besuchen eine Frau und erbringen eine abrechnungsfähige Leistung. Wenn nun der einfache Weg von Ihnen zur Frau nicht mehr als 20 Kilometer weiter ist als von der nächstwohnenden Hebamme zur Frau, haben Sie Anspruch auf das volle Wegegeld. Beispielsweise beträgt der einfache Weg von der nächstwohnenden Hebamme zur Frau 15 Kilometer und von Ihnen zur Frau sind es 33 Kilometer. Das sind weniger als 20 Kilometer Differenz. Daraus ergibt sich, dass Ihnen Wegegeld für den ganzen Hin- und Rückweg von 66 Kilometern zusteht!

Falls die einfache Entfernung von Ihnen zur Frau mehr als 20 Kilometer weiter ist als von der nächstwohnenden Hebamme zur Frau, kann die Kasse die Zahlung des Mehrbetrages an Wegegeld ablehnen. Dies gilt aber nicht, wenn Sie als Beleghebamme Leistungen in einem Krankenhaus aufgrund einer vereinbarten Rufbereitschaft erbringen oder wenn Ihre Inanspruchnahme nach der besonderen Lage des Falles gerechtfertigt war (Hebammen-Vergütungsvereinbarung § 3 Abs. 3, Satz 2). Eine besondere Lage des Falles liegt zum Beispiel vor, wenn eine Hausgeburt geplant ist oder wegen fehlender Kapazitäten keine näher wohnende Hebamme zur Verfügung steht. Sie haben dann Anspruch auf das volle Wegegeld auch bei mehr als 20 Kilometern Entfernungsdifferenz!

Hilfreich ist es, wenn Sie umfangreiches Wegegeld von vornherein „freiwillig” begründen. Das ist in vielen Abrechnungsprogrammen möglich oder wird sogar abgefragt. Der Text könnte beispielsweise lauten: „Die einfache Entfernung ist nicht mehr als 20 Kilometer weiter als von der nächstwohnenden Hebamme”, „Die Hinzuziehung war nach der besonderen Lage des Falles gerechtfertigt” (mit der besonderen Lage sind keine medizinischen Gründe gemeint) oder: „Ich bin die nächstwohnende Hebamme”.

Bei einer Anfrage einer weit entfernt wohnenden Frau sollten Sie die Frau darauf aufmerksam machen, dass das Wegegeld aufgrund der weiteren Entfernung vielleicht nicht vollständig bezahlt wird. Zu Ihrer Entlastung können Sie die Frau nach Möglichkeit selbst bei der Krankenkasse nachfragen lassen, ob es eine näher wohnende Hebamme mit freien Kapazitäten gibt, beziehungsweise ob die Kasse die Wegegelder zur angefragten Hebamme übernimmt. Darauf hat die Frau einen Anspruch, wenn eine der oben genannten Voraussetzungen erfüllt ist – zum Beispiel weil sie von näher wohnenden Hebammen nur Absagen bekommen hat. Den Krankenkassen liegen über die Vertragspartnerliste die Namen, Adressen und Tätigkeitsbereiche aller Hebammen vor. Diese Informationen können die Kassen weitergeben (Horschitz & Selow 2008, S. 215).

Nach Möglichkeit sollte sich die Frau eine Zusage für die Übernahme der Wegegelder schriftlich bestätigen lassen. Vereinbaren Sie im Behandlungsvertrag auch die private Bezahlung der Wegegelder, die nicht erstattet werden. Das ist besonders dann wichtig, wenn es von der Kasse keine schriftliche Bestätigung für die Übernahme der Wegegelder gibt.

„Information zum Wegegeld”

Bei Rechnungen mit umfangreichen Wegegeldern können Sie der Kasse, zusammen mit der Unterschriftenliste, vorsorglich eine „Information zum Wegegeld” mitschicken. Darin sollte der entsprechende Abschnitt der Hebammen-Vergütungsvereinbarung enthalten sein sowie ein Hinweis, warum Anspruch auf das höhere Wegegeld besteht; zum Beispiel, weil die nächstwohnende Hebamme die Betreuung nicht übernehmen konnte und die Entfernungsdifferenz zur nächsten Hebamme weniger als 20 Kilometer beträgt. Auf dem Belegbegleitzettel muss die Anzahl der Belege um eins erhöht werden. Dann wird der zusätzliche Beleg von der Kasse zur Kenntnis genommen und die Wahrscheinlichkeit für die vollständige Bezahlung des Wegegeldes erhöht sich.

Auszug aus der Hebammen-Vergütungsvereinbarung
§ 3 Wegegeld

(1) Die Hebamme erhält für jeden Besuch aus Anlass einer abrechnungsfähigen Leistung Wegegeld; hierdurch sind auch Zeitversäumnisse abgegolten. Wege zwischen der Wohnung oder Praxis der Hebamme, der Weg zum Krankenhaus zur Ableistung eines Schichtdienstes mit Anwesenheitspflicht, Wege zu Kursstätten sowie zu durchgeführten Sprechstunden in Einrichtungen sind nicht berechnungsfähig.

(2) Bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel werden als Wegegeld die Fahrkosten erstattet oder eine Pauschale nach den Nrn. 3350, 3351 sowie 3352. In den übrigen Fällen richtet sich das Wegegeld

a) bei einer Entfernung von nicht mehr als zwei Kilometern zwischen der Wohnung oder Praxis der Hebamme und der Stelle der Leistung nach den Nrn. 3000, 3001 und 3002, bei Nacht nach den Nrn. 3100, 3101 und 3102 und

b) bei einer Entfernung von mehr als zwei Kilometern zwischen der Wohnung oder Praxis der Hebamme und der Stelle der Leistung für jeden zurückgelegten Kilometer nach den Nrn. 3200, 3201 und 3202, bei Nacht nach den Nrn. 3300, 3301 und 3302.

(3) Hat eine andere als die nächstwohnende Hebamme Hilfe geleistet, so kann die Krankenkasse die Zahlung des dadurch entstehenden Mehrbetrages an Wegegeld ablehnen, wenn der Weg von der Stelle der Leistung zur Wohnung oder Praxis der anderen Hebamme mehr als 20 Kilometer länger ist als zur Wohnung oder Praxis der nächstwohnenden Hebamme. Dies gilt nicht, wenn das Wegegeld anfällt, weil mehrere Hebammen die Dienstleistungen in einem Krankenhaus nach einem vereinbarten Einsatzplan ausführen oder wenn die Zuziehung der anderen Hebamme nach der besonderen Lage des Falles aus anderen Gründen gerechtfertigt war.

(4) Besucht die Hebamme mehrere Frauen auf einem Weg, ist das Wegegeld insgesamt nur einmal und nur anteilig nach dem Verhältnis der zurückgelegten Gesamtstrecke zu der Zahl der besuchten Frauen zu berechnen. Die Gebühren richten sich dabei nach den Nrn. 3010, 3011, 3012; 3210, 3211, 3212 am Tag sowie 3110, 3111, 3112; 3310, 3311, 3312 in der Nacht.


Hinweis:  Weitere Informationen und Gerichtsurteile zum Thema sind im Kommentar zur Hebammen-Vergütungsvereinbarung zu finden (Horschitz & Selow 2008, S. 214 ff.).


Zitiervorlage
Haas S: Abrechnung von Wegegeld: Leidiges Thema. DEUTSCHE HEBAMMEN ZEITSCHRIFT 2013. 65 (10): 78–79
Literatur
Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV-Spitzenverband):
– Hebammen-Vergütungsvereinbarung ab 1. Juli 2010 (05.07.2010)
– Übergangsvereinbarung zu dem Vertrag nach § 134a Abs. 1 SGB V (31.01.2013)
– Anlage zur Übergangsvereinbarung zu dem Vertrag nach § 134a SGB V (31.01.2013)
URL: http://www.gkv-spitzenverband.de/krankenversicherung/ambulante_leistungen/hebammen/hebammenhilfevertrag/hebammenhilfevertrag.jsp (www.gkv-spitzenverband.de -> Hebammen -> Hebammenhilfevertrag, Zugriff am 29.7.2013)

Horschitz, H.; Selow, M.: Hebammengebührenrecht. Vertragstext und Kommentar zur Hebammen-Vergütungsvereinbarung 2007. Mabuse-Verlag. Frankfurt (2008)

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