Brustwarze Illustration: © Tara Franke

Die Geburtshilfe hat anatomische Begriffe der Medizin übernommen, im Laufe der Zeit aber auch eigene entwickelt. So entstand eine Fachsprache, die mal sehr präzise, mal umschreibend und gelegentlich auch sehr bildhaft ausdrückt, was gemeint ist. Nicht immer sind diese Bilder zutreffend oder rufen angenehme Assoziationen bei werdenden Eltern hervor. 

Während der Geburt werden in der Kommunikation mit Frauen und Paaren heute sowohl umgangssprachliche als auch berufsspezifische Begriffe genutzt. Manch altertümliche Wörter wie das »Weichteilansatzrohr« für Beckenboden und Vagina, oder »Fruchtwalze« für das Kind, das geboren wird, sind glücklicherweise durch modernere, freundlichere ersetzt worden. Aber auch viele Worte, die wir heute zu werdenden Eltern sagen, können unangenehm bis schockierend wirken.

Ein Körper voller Wunder

Der weibliche Körper ist voller Wunder und Eigenarten. So schön viele Menschen eine Brust auch finden mögen – bei der »Brustwarze« könnten auch unschöne Assoziationen kommen. Feministinnen schlugen vor vielen Jahren als Alternative das Wort »Brustknospe« vor – leider hat es sich nicht durchgesetzt. Und auch das Fachwort Mamille ist klangvoll und weich.

Fauna und Flora beschreiben Tier- und Pflanzenwelt auf unserem schönen Planeten. Kaum zu glauben, dass auch der Darm eine eigene »Flora« haben soll. Ein Schelm, wer sich das bildhaft vorzustellen vermag …

Die sogenannte »Schamgegend« einer Frau sollte ihr eigentlich Lust am Sex und Erleichterung von anderen Bedürfnissen verschaffen, aber wie können Mädchen bei diesem Ausdruck ein positives Verhältnis zu ihrer intimsten Körperzone bekommen? Nur durch neue positive Begriffe! Der »Venushügel«, die »Venuslippen« – so benutzt von loveline, dem Jugendportal der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (siehe Link), die »Yoni« (Sanskrit: Ursprung) oder »Vulvina« für Vagina und Vulva zusammen, erfunden von Ella Berlin (siehe Link und Kolumne, Seite 112) sind Begriffe, die Feministinnen teilweise schon vor Jahrzehnten entwickelt haben. Zeit, sie aus der Schublade der Geschichte herauszufischen und neu zu beleben!

Im Innern des Körpers einer jungen Frau schlummern ein bis zwei Millionen Eizellen, von denen pro Zyklus 10 bis 20 heranreifen und meist nur eine oder zwei »springen« und durch die »Eileiter« zur Gebärmutter gelangen. Eigentlich ein passender Begriff, werden die Eier doch von den beiden weichen beweglichen Trichtern aus dem Bauchraum aufgenommen und von Millionen winziger Flimmerepithelzellen sowie mittels muskulärer Kontraktionen zum Uterus geleitet. Man könnte aber auch eine andere Assoziation dabei haben …

Auch der Weg des Kindes bei seiner Geburt hat ulkige Begriffe erhalten. Bei dem mechanistischen Ausdruck »Geburtskanal« entstehen jedenfalls eher morastige Assoziationen.

Kein Wunder, dass sich bei so vereinfachtem mechanistischem Denken auch Begriffe wie das »Schlüssel-Schloss-Prinzip« etablieren konnten. Werdenden Eltern bieten sie keine realistischen Bilder für die Dynamik der Geburt an, im Gegenteil: Ein metallener Schlüssel passt so knapp in ein metallenes Schloss, dass im Gehirn eher Assoziationen von Enge und Kälte entstehen können. Wenig hilfreich für Angstabbau und Motivation bei der Gebärenden.

Etwas gebräuchlicher erscheint vielleicht der Ausdruck »Beckenring«, aber auch dieser hat mit der Realität nichts gemein. Das Becken besteht nämlich weder aus einem Metallblock wie beim Schloss noch aus einem geschlossenen knöchernen Ring, sondern aus mehreren Knochen, die gelenkig und relativ beweglich miteinander verbunden sind. Der Ausdruck »Beckengürtel« (englisch: pelvic girdle) trifft seinen Aufbau und seine Funktion daher wesentlich besser. In der Geburtsvorbereitung kann die Hebamme dieses Bild sogar nutzen, um am Ledergürtel um die eigene Taille zu demonstrieren, wie in den veschiedenen Lebensphasen, in der Schwangerschaft, den Vorwehen und der Latenzphase die Hormone den Gürtel um einige Löcher weiterstellen – und so deutlich mehr Flexibität im knöchernen Becken erzeugen, als gemeinhin bekannt ist.

Wie oft werden Hebammen gefragt, warum der Gebärraum »Kreißsaal« heißt? Wir wissen es nicht, aber der Begriff kommt sicherlich nicht von kreisrund, sondern von dem Verb »kreißen« für »kreischen« – mittelhochdeutsch krîzen für »schreien«, »stöhnen«, so beschrieben im Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache von 1883. Oder auch von »kreiszen«, so im »Deutschen Wörterbuch« der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm.

Das Kind wächst in der Gebärmutter heran, umgeben von »Fruchtwasser«. Das klingt gesund und nahrhaft …

Die »Fruchtblase« kann bei einer langen Geburt allerdings schon einmal zum Hindernis werden. Ob die Hebammen sie deshalb aber gleich »sprengen« müssen? Vielleicht ließe sie sich auch sanfter öffnen?

Wie sich Frauen wohl in den »Presswehen« fühlen? Angenehmer ist vielleicht die Vorstellung, aktiv mitzuschieben, wenn der Körper das Kind hinausschieben möchte.

Die »Zangengeburt« birgt für viele Menschen einen Schrecken, vielleicht weil in der eigenen Familie noch Berichte über schwierige Geburten mithilfe der »Geburtszange« kursieren. Aber alleine schon das Wort, das an ein grobes Handwerkszeug erinnert, kann furchteinflößend sein. Da das Instrument eher zwei Löffeln oder Schuhlöffeln als einer Kneifzange ähnelt, wäre es vielleicht auch für die betroffenen Frauen angenehmer, wenn es »Geburtshilfelöffel« hieße?

Ein »Nahtbesteck« ist eine nützliche Zusammenstellung von Instrumenten, um Dammverletzungen zu versorgen. Für die firsch gebackenen Eltern hört es sich aber eher nach etwas anderem an.

Wenn die Frau dann alles überstanden hat, wartet noch der »Babyblues« auf sie … Wer diesen für sie anstimmt? Man könnte meinen, das sei das Baby. Dabei sind es nur die Hormone.

https://staudeverlag.de/wp-content/themes/dhz/assets/img/no-photo.png