Junger Säugling mit Down-Syndrom Fotos: © Deutsches Down-Syndrom Infocenter; htttps://www.ds-infocenter.de/

Kinder mit einem Down-Syndrom weisen medizinische Besonderheiten auf, die engmaschige klinische Überwachung und spezielle Vorsorgeuntersuchungen erforderlich machen, um eventuelle Erkrankungen rechtzeitig behandeln und Folgeschäden verhindern zu können. Durch diese spezifische Betreuung hat sich die allgemeine Gesundheit, Lebensqualität und -erwartung von Menschen mit Down-Syndrom deutlich verbessert. 

Menschen mit Down-Syndrom zeichnen sich dadurch aus, dass Chromosom Nr 21 nicht zweimal, sondern dreimal im Zellkern vorhanden ist, deshalb auch die Bezeichnung Trisomie 21. Bei der freien Trisomie 21 befindet sich das dritte Chromosom 21 als freies Chromosom im Zellkern (betrifft ca. 96 % der Down-Syndrom Fälle). Das zusätzliche Chromosom 21 kann aber auch mit einem anderen Chromosom verbunden sein, eine sogenannte Translokationstrisomie (betrifft ca. 3–4 %). Beim Mosaik einer Trisomie (betrifft ca. 1–2 %) findet sich die Trisomie nur in einem Teil der Körperzellen (Bull, 2020).

Ein Down-Syndrom tritt in Deutschland mit einer Häufigkeit von etwa 1 auf 800 Geburten auf. Da die Daten statistisch nicht erfasst werden, sind nur Schätzungen möglich. Gerechnet wird in Deutschland jährlich mit 700 bis 800 Geburten von Kindern mit Down-Syndrom (De Graaf, 2021).

Menschen mit einem Down-Syndrom weisen einige Besonderheiten beziehungsweise Gemeinsamkeiten auf (Bull, 2020; Valentini, 2021):

  • Eine Down-Syndrom charakteristische Physiognomie, wodurch sie sich äußerlich ähnlich sehen.
  • Die psychointellektuelle Entwicklung ist unterschiedlich stark beeinträchtigt und verläuft langsamer als bei Menschen ohne Down-Syndrom.
  • Verschiedene medizinische Veranlagungen und Erkrankungsrisiken, die dazu führen, dass einige Erkrankungen und spezifische gesundheitliche Probleme häufiger auftreten als in der Allgemeinbevölkerung.

Verantwortlich für diese Gemeinsamkeiten beziehungsweise Besonderheiten beim Down-Syndrom sind letztlich die auf Chromosom 21 lokalisierten Gene, die bei der Trisomie dreimal und nicht nur zweimal exprimiert werden. Allerdings ist man noch weit davon entfernt, die entscheidenden Gene und ihre Funktion zu kennen und vor allem ihr Zusammenspiel und die zugrundeliegenden genetischen und metabolischen Vorgänge zu verstehen, die zu den typischen Merkmalen und Eigenschaften von Menschen mit Down-Syndrom führen (Asim, 2015; Antonorakis, 2020).

Das zusätzliche Chromosom 21 begünstigt aber nicht nur das Auftreten gesundheitlicher Probleme, sondern wirkt auch protektiv und krankheitsverhindernd: Menschen mit Down-Syndrom haben deutlich seltener solide Tumoren, was wahrscheinlich auf eine schützende Wirkung von zwei auf Chromosom 21 lokalisierten Genen zurückzuführen ist (Hasle, 2016).

Auch wenn viele Gemeinsamkeiten und ähnliche Besonderheiten bei Menschen mit Down-Syndrom bestehen, ist darauf hinzuweisen, dass diese Eigenschaften nicht bei jedem beobachtet werden und dass sie bei jedem Einzelnen unterschiedlich ausgeprägt sind. Jeder Mensch mit Down-Syndrom ist ein einzigartiges Individuum mit sehr unterschiedlichen Veranlagungen und Talenten. Als solcher sollte er auch respektiert und behandelt werden.

Die medizinische Versorgung, Lebensqualität und insbesondere Lebenserwartung von Menschen mit Down-Syndrom hat sich während der letzten Jahrzehnte deutlich verbessert; entsprechendes gilt auch für die Entwicklungsprognose und Selbstständigkeit als Erwachsene. In den 1970-er Jahren lag die mittlere Lebenserwartung eines Menschen mit Down-Syndrom bei 10 Jahren während sie 2013 60 Jahre betrug (Valentini, 2021). Diese Verlängerung der Lebenserwartung ist vor allem auf eine verbesserte medizinische Versorgung zurückzuführen: konsequente antibiotische Behandlung bakterieller Infektionen, rechtzeitige operative Korrektur komplexer angeborener Herzfehler und eine speziell angepasste Leukämiebehandlung aller Betroffenen. Regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen haben ebenfalls zur Verbesserung der Lebensqualität beigetragen, beispielsweise die Überprüfung des Gehörs oder der Schilddrüsenfunktion mit entsprechender rechtzeitiger Intervention, sobald sich Auffälligkeiten ergeben (Bull, 2022).

Für Kinder mit Down-Syndrom werden daher spezielle Untersuchungen und Vorsorgemaßnahmen empfohlen, zusätzlich zu den in Deutschland bei Säuglingen, Kindern und Jugendlichen üblichen Vorsorgeuntersuchungen, wie sie vom Gemeinsamen Bundesausschuss und entsprechenden Fachgesellschaften im »Gelben Kinderuntersuchungsheft« festgelegt sind (AWMF 2024).

Die wichtigsten medizinischen Besonderheiten bei Kindern mit Down-Syndrom sind in Tabelle 1 zusammengestellt. Es kann zwischen zwei Gruppen unterschieden werden:

Angeborene Auffälligkeiten oder Fehlbildungen

Die Auffälligkeiten oder Fehlbildungen betreffen beispielsweise das Herz, den Dünn- und Dickdarm, den Hals-Nasen-Ohrenbereich oder oder das Auge.

Krankheitsveranlagungen

Bei den Krankheitsveranlagungen handelt es sich um Erkrankungen oder gesundheitliche Probleme, die zwar bei Geburt nicht vorhanden sind, bei Menschen mit Down-Syndrom aber im Laufe des weiteren Lebens häufiger auftreten als bei Menschen ohne Trisomie 21. Dies gilt beispielsweise für Schilddrüsenerkrankungen, Hörstörungen, Infekte der oberen Luftwege und das erhöhte Risiko für eine Leukämie oder Autoimmunerkrankung. Diese Fehlbildungen, Erkrankungen oder gesundheitlichen Risiken finden sich keineswegs bei allen Kindern mit Down-Syndrom. Sie werden – statistisch gesehen – bei diesen allerdings häufiger gefunden als bei Menschen ohne Down-Syndrom. Viele Kinder mit Down-Syndrom wachsen jedoch ganz normal ohne wesentliche medizinische Probleme oder Beeinträchtigungen auf (Bull, 2020; Antonorakis, 2020).

Im Folgenden werden einzelne medizinische Aspekte dargestellt, die bei der Betreuung und medizinischen Behandlung von Kindern mit Down-Syndrom besonderer Aufmerksamkeit oder spezieller Vorsorgeuntersuchungen bedürfen.

Chromosomenanalyse

Beim Neugeborenen mit Verdacht auf ein Down-Syndrom sollte eine komplette Chromosomenanalyse veranlasst werden (Deutsche Gesellschaft für Humangenetik, 2019), es sei denn, diese wurde schon pränatal – beispielsweise nach Amniozentese – durchgeführt. Schnelltests,wie zum Beispiel die Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH), weisen lediglich das Vorhandensein eines dritten Chromosom 21 nach. Translokationen oder andere feinere Abweichungen werden nicht erkannt. Die Differenzierung zwischen freier und Translokationstrisomie ist jedoch für eine genetische Beratung unerlässlich, um das Wiederholungsrisiko für die betroffenen Eltern oder andere Familienmitglieder beurteilen zu können (Bull, 2022).

Kleinkind mit Down-Syndrom Fotos: © Deutsches Down-Syndrom Infocenter; htttps://www.ds-infocenter.de/

Wachstum und Ernährung

Menschen mit Down-Syndrom wachsen langsamer und erreichen als Erwachsene eine geringere Körpergröße als Menschen ohne Down-Syndrom: Bei Frauen beträgt die durchschnittliche Körperlänge 148–161 cm und bei Männern 156–165 cm. Zur Beurteilung von Körpergröße und -gewicht werden deshalb Down-Syndrom spezifische Normwerte und Perzentilenkurven herangezogen (Deutsches Down-Syndrom Infocenter, 2023).

Wie alle Neugeborenen sollen auch Kinder mit Down-Syndrom möglichst gestillt werden, was anfangs Probleme bereiten kann (Nordstrøm, 2020). Mit entsprechender Anleitung durch Hebammen oder Stillberaterinnen bessert sich die Trinkschwäche meist innerhalb einiger Wochen (siehe auch Seite 30, Artikel Heißler). Während der ersten drei Lebensjahre zeigen viele Kinder deutliche Wachstumsverzögerungen und Gedeihstörungen, was meist auf Ernährungsstörungen und Trinkunlust beruht. In der Regel normalisiert sich das mit zunehmendem Alter und der Verbesserung der Mundmotorik.

Gastrointestinaltrakt

Angeborene Fehlbildungen des Magen-Darm-Kanals finden sich beim Down-Syndrom in etwa 4–10 % der Fälle. Es handelt sich um Atresien oder Stenosen im Bereich des Ösophagus, des Enddarms und insbesondere des Duodenums (Ravel, 2019; Bull, 2020).

Komplette Atresien führen schon in den ersten Lebenstagen zu erheblichen und teils lebensbedrohlichen klinischen Problemen, die einer raschen Behandlung und operativen Korrektur bedürfen. Bei den Stenosen ist die Symptomatik eventuell nicht so stark ausgeprägt. Die genaue klinische Beobachtung eines Neugeborenen mit Down-Syndrom ist von entscheidender Bedeutung. Wenn es nicht trinken will beziehungsweise kann oder durch mehrfaches Erbrechen, einen aufgetriebenen Bauch oder Probleme bei der Darmentleerung auffällt, sollte immer ein:e Kinderärzt:in hinzugezogen und das Kind gründlich untersucht werden. Gegebenenfalls ist weitere spezifische Diagnostik erforderlich (Bull, 2022).

Klinische Beobachtung
Neugeborene mit Down-Syndrom sollen wegen medizinischer Besonderheiten und eventueller angeborener Fehlbildungen besonders beobachtet werden.

Ausgeprägte Trinkschwäche kann Folge des Down-Syndroms selbst sein, aber auch auf ein bedeutsames Vitium oder intestinale Passagebehinderung hinweisen. sein, aber auch auf ein bedeutsames Vitium oder intestinale Passagebehinderung hinweisen.

Angeborene Stenosen im Darm oder ein Morbus Hirschsprung fallen je nach Ausprägung durch folgende Symptome auf: Spuckeln, Erbrechen, Obstipation oder andere Probleme bei der Stuhlentleerung, verspäteter oder gar fehlender Mekoniumabgang, aufgetriebenes oder druckempfindliches Abdomen, eventuell mit starker Venenzeichnung, grau-fahles Hautkolorit und allgemeines Verfallen (akutes Abdomen).

Tachy- beziehungsweise Dyspnoe und exspiratorisches Stöhnen sind gegebenenfalls nicht nur Hinweis auf eine pulmonale Erkrankung sondern können auch Ausdruck eines bedeutsamen Herzfehlers oder – oft im Zusammenhang mit blassem Hautkolorit – Folge eines Transitorischen Myeloproliferativen Syndroms (TMS) sein.

Fehlende Reaktion bei Ansprache oder Kontaktaufnahme kann auf Hörstörung oder Sehbehinderung hinweisen.

Die Häufigkeit einer angeborenen Innervationsstörung des Dickdarms – der sogenannte Morbus Hirschsprung – ist beim Down-Syndrom etwa 40-mal größer als in der Allgemeinbevölkerung (Bull, 2020; Ravel, 2019). Die klinische Symptomatik hängt sehr von der Länge des betroffenen Colonsegmentes ab. Sie reicht von mäßiggradig ausgeprägter Obstipation bis hin zu einer akuten Erkrankung mit aufgetriebenem Leib, fehlendem Mekoniumabgang, Trinkverweigerung und Erbrechen in den ersten Lebenstagen. Auch hier kommt der klinischen Überwachung entscheidende Bedeutung zu.

Zöliakie

Eine Zöliakie findet sich – wie andere Autoimmunerkrankungen auch – beim Down-Syndrom relativ häufig, etwa 5–7 % im Vergleich zu 0,06–0,4 % in der Allgemeinbevölkerung (Wouters, 2009; Bull, 2022). Es handelt es sich um eine erworbene, entzündliche Erkrankung des Dünndarmes, die auf einer Immunreaktion gegenüber dem in vielen Getreidearten enthaltenen Klebereiweiß Gluten beruht. Typische Symptome sind: Appetitlosigkeit, Durchfälle, Erbrechen, Wachstumsretardierung, häufig auch Wesensveränderungen wie Missmutigkeit und allgemeines Desinteresse. Das Auftreten der Erkrankung lässt sich durch prophylaktische Gluten-freie Ernährung nicht verhindern.

Wegen der Häufigkeit der Zöliakie beim Down-Syndrom wird ein Screening ab dem dritten Lebensjahr empfohlen: alle zwei bis drei Jahre werden durch eine Blutuntersuchung die Endomysium- oder Gewebstransglutaminase-Antikörper bestimmt.

Spezielle Vorsorge­untersuchungen
Zusätzlich zu den in der Bundesrepublik Deutschland bei Säuglingen und Kindern üblichen Vorsorgeuntersuchungen, die im Gelben Kinderuntersuchungsheft verankert sind, sollten bei Kindern mit Down-Syndrom einige spezielle Vorsorgeuntersuchungen durchgeführt werden:

Neugeborenenperiode

  • Komplette Chromosomenanalyse
  • Kardiologische Untersuchung, einschließlich ECHO-Kardiografie
  • Komplettes Blutbild
  • Schilddrüsen- und Hörfunktion werden routinemäßig bei U2 überprüft, bei Down-Syndromallerdings aufwändiger:
  • Hypothyreose Screening mittels TSH und fT4
  • Hörscreening mittels Hirnstammaudiometrie (BERA)
  • Hüftgelenkssonografie
  • Abdominelle Sonografie.

1. Lebensjahr

  • Schilddrüsenfunktion (TSH, fT4) mit 3, 6 und 12 Monaten
  • HNO-ärztliche Untersuchung, mit Hör­prüfung im 2. Lebenshalbjahr
  • Ophthalmologische Untersuchung, in Mydriasis im 1. Lebenshalbjahr
  • Logopädische Untersuchung im 6. Lebensmonat

Kleinkind bis Schulkindalter

  • Schilddrüsenfunktion (TSH, fT4) 1 x jährlich
  • HNO-ärztliche Untersuchung, mit Hör­prüfung 1 x jährlich, bei gehäuften Infekten mit Otitis media evtl. 2 x jährlich
  • Augenärztliche Untersuchung, in Mydriasis 1 x jährlich
  • Zöliakie-Screening 3. Lebensjahr, dann etwa alle 3 Jahre
  • Pädiatrisch neurologische Untersuchung 1 x jährlich, durch Kinderarzt.

Herz

Bei ungefährt 50 % der Kinder mit Down-Syndrom findet sich eine angeborene Herzfehlbildung, die zum Teil so schwerwiegend sein kann, dass schon im Neugeborenenalter erhebliche Probleme auftreten und eine frühzeitige operative Korrektur erforderlich ist (van der Linde, 2011; Bull, 2020). Deshalb muss unbedingt während der ersten Lebenstage eine kinderkardiologische Untersuchung einschließlich ECHO-Kardiografie veranlasst werden (Bull, 2022). Auch hämodynamisch bedeutsame Herzfehlbildungen lassen sich im Neugeborenenalter durch allein klinische Untersuchung nicht verlässlich erkennen oder ausschließen (Wren, 1999).

Nicht alle angeborenen Vitien (Herzfehlbildungen) haben so dramatische klinische Auswirkungen. Manche sind relativ harmlos und verwachsen sich meist während der ersten Lebensmonate oder -jahre. Auch bei diesen sind zunächst regelmäßige kinderkardiologische Untersuchungen indiziert.

Ein gemeinsamer Defekt zwischen den beiden Herzvorhöfen und Herzkammern mit zusätzlichen Veränderungen an den großen Herzklappen – Mitral- und Tricuspidalklappe – ein kompletter atrioventrikulärer Septumdefekt (CAVSD) ist der charakteristische Herzfehler für ein Kind mit Down-Syndrom und findet sich bei knapp der Hälfte aller angeborenen Vitien. Die betroffenen Kinder sind durch die hämodynamischen Auswirkungen in ihrer Entwicklung erheblich beeinträchtigt, was sich erst nach operativer Korrektur im Alter von fünf bis sechs Monaten bessert.

Bezüglich der Ergebnisse und Komplikationsraten von Herzoperationen gibt es keine Unterschiede zwischen Kindern mit und ohne Down-Syndrom und entsprechend auch – im Gegensatz zu früher – keine Unterschiede in der kardiologischen Behandlung und Indikation zur operativen Korrektur.

Schilddrüse

Bei Kindern mit Down-Syndrom ist die Häufigkeit von Störungen der Schilddrüsenfunktion deutlich höher als in der Allgemeinbevölkerung, insbesondere gilt dies für eine Unterfunktion (Hypothyreose). Diese kann angeboren oder im weiteren Leben – insbesondere im ersten Lebenshalbjahr – erworben sein (Pierce, 2017; Antonorakis, 2020).

Während der Säuglingszeit und frühen Kindheit ist eine normale Entwicklung des Gehirns nur möglich, wenn Schilddrüsenhormon in ausreichender Menge zur Verfügung steht (Prezisio, 2018). Bei unerkannter Hypothyreose kommt es schon nach wenigen Wochen zu einer irreversiblen Hirnschädigung. Um das zu verhindern und eine Hypothyreose rechtzeitig zu diagnostizieren, wird im Rahmen des üblichen Neugeborenen-Screenings die Schilddrüsenfunktion überprüft. Bei Kindern mit Down-Syndrom werden zusätzliche Kontrollen empfohlen: mit drei, sechs und zwölf Monaten und ab dem zweiten Lebensjahr dann einmal jährlich (Bull, 2022; Pierce, 2017).

Bücher & Informationsmaterial
Etta Wilken (2017). Kinder und Jugendliche mit Down-Syndrom – Förderung und Teilhabe. Kohlhammer Verlag, 1. Auflage

Birte Müller (2017). Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Verlag Freies Geistesleben

Deutsches Down-Syndrom Infocenter: Erstinformationsmappe Down-Syndrom. Für neue Eltern

Hörstörungen

Beim Down-Syndrom finden sich sehr oft Erkrankungen des Hals-Nase-Ohren-Bereiches und insbesondere Hörstörungen. Für letztere wird eine Häufigkeit zwischen 38 und 78 % angegeben. Sie können angeboren (Innenohrschwerhörigkeit) und vor allem erworben (Schallleitungsstörungen) sein (Bull, 2020; Shott, 2006).

Hörstörungen im Säuglings- oder Kleinkindesalter haben besondere Relevanz, da sie die sprachliche und damit auch die intellektuelle und emotionale Entwicklung beeinträchtigen. Eine frühzeitige Diagnose und rechtzeitiger Behandlungsbeginn sind von entscheidender Bedeutung.

Rezidivierende Infekte mit Mittelohrentzündungen und konsekutiven Paukenergüssen treten beim Down-Syndrom relativ häufig auf (50–70 %) und sind die Hauptursache erworbener Hörstörungen (Shott, 2006). Deshalb werden HNO-ärztliche Untersuchungen mit Hörprüfung (BERA – brainstem evoked response audiometry) einmal jährlich empfohlen, bei gehäuften Infekten mit Otitis media eventuell zweimal jährlich. Oft ist die operative Behandlung einer Mittelohrentzündung mit Parazentese, Einlage von Paukenröhrchen und Entfernung einer vergrößerten Rachenmandel erforderlich.

Leukämie

Bei Kindern mit Down-Syndrom treten Leukämien häufiger auf als üblicherweise – insbesondere während der ersten vier Lebensjahre. Die Häufigkeit beträgt 1 bis 2 von 100 Kindern verglichen mit 1 von 1.000 in der Allgemeinbevölkerung. In der Mehrzahl der Leukämien bei Kleinkindern handelt es sich um eine Sonderform, die nur beim Down-Syndrom beobachtet wird (AML-DS) (Bull, 2020; Garnett, 2020).

Diese Down-Syndrom typische Leukämie hat eine wesentlich bessere Prognose als die entsprechenden Leukämien bei Kindern ohne Down-Syndrom (Caldwell, 2014). Die Heilungsrate liegt bei > 85 %. Zur Behandlung ist weniger intensive Chemotherapie erforderlich. Kritische Nebenwirkungen der Behandlung treten wesentlich seltener auf. Spezielle Früherkennungstests (Screeninguntersuchungen) zur Leukämiediagnostik gibt es nicht. Regelmäßige Überprüfungen des Blutbildes werden bei Kindern mit Down-Syndrom trotz des erhöhten Risikos nicht empfohlen und sind auch nicht sinnvoll.

5 bis 10 % der Neugeborenen mit einer Trisomie 21 entwickeln eine Leukämie-ähnliche Erkrankung (Transientes Myeloproliferatives Syndrom, TMS) mit starker Vermehrung pathologischer weißer Blutkörperchen (Blasten) wie bei einer Leukämie (Garnett, 2020). In der Mehrzahl der Fälle kommt es zu einer spontanen Rückbildung, selten ist eine chemotherapeutische Behandlung erforderlich. Ein Teil der Betroffenen (10 bis 20 %) erkrankt später an einer Leukämie. Deshalb sollen alle Neugeborenen mit einem TMS von einem kinderonkologischen Zentrum weiterbetreut und überwacht werden. Um ein TMS rechtzeitigt zu erkennen, wird bei allen Kindern mit Down-Syndrom die Untersuchung eines kompletten Blutbildes während der ersten Lebenstage empfohlen (Bull, 2022).

Institutionen
Deutsches Down-Syndrom InfoCenter
Hammerhöhe 3, 91207 Lauf
Tel. 09 123 982 121
Kontakt: info@ds-infocenter.de
www.ds-infocenter.de

Down-Syndrom Netzwerk Deutschland e.V.
Fröbelstr. 125, 50767 Köln
Tel. 02 21 16 831 988
Kontakt: hjs@down-syndrom-Netzwerk.de

Deutsche Gesellschaft Down Syndrom Ambulanzen (DGDSA) Kontakt über die Geschäftsstelle
Hammerhöhe 3, 91207 Lauf
Kontakt: elzbieta.szczebak@ds-infocenter.eu

Sehstörungen

Eine angeborene Katarakt (grauer Star) sollte im Rahmen der zweiten Vorsorgeuntersuchung (U2) oder durch frühzeitige Vorstellung beim Ausgenarzt erkannt und operativ behandelt werden. Sehstörungen finden sich beim Down-Syndrom relativ häufig, beispielsweise Weit- und Kurzsichtigkeit, Schielen, Nystagmus (Augenzittern) oder Astigmatimus (Hornhautverkrümmung) (Postolache, 2021; Antonorakis, 2020). Es wird – auch bei Normalbefund der vorangegangenen Untersuchung – eine jährliche augenärztliche Untersuchung in Mydriasis (Weitstellung der Pupillen) empfohlen.

Atlanto-axiale Instabilität

Bei der atlanto-axialen Instabilität (AAI) handelt es sich um eine Instabilität der Halswirbelsäule in Höhe der ersten beiden Halswirbel mit eventuell konsekutiver Schädigung des Rückenmarks. Die AAI ist Folge eines sehr lockeren Bandapparates in diesem Bereich und tritt bei Kindern mit Down-Syndrom relativ häufig auf (Antonorakis, 2020). Allerdings finden sich nur bei 1–2 % der Betroffenen entsprechende Rückenmarksschädigungen.

Zur Früherkennung wird eine jährliche speziell pädiatrisch-neurologische Untersuchung empfohlen (Mysliwiec, 2015). Ein früher übliches radiologisches Screening mit einem seitlichen Röntgenbild der HWS hat sich als nicht sinnvoll erwiesen, da die eventuell gefährdeten Kinder nicht sicher erkannt werden.

Impfungen

Bei Kindern mit Down-Syndrom sollten die üblichen Impfungen entsprechend den aktuellen Empfehlungen der ständigen Impfkommission (STIKO) durchgeführt werden, so wie in der Allgemeinbevölkerung auch (Neuhäuser, 2008; Marder, 2020). Gelegentlich geäußerte Bedenken, dass das Immunsystem beim Down-Syndrom durch Mehrfachimpfungen und die vielen Impfungen im ersten Lebensjahr überfordert wird, treffen nicht zu (Bull, 2022). Die Impfungen werden gut vertragen und es wird ein ausreichender Impfschutz auch bei Kindern mit Down-Syndrom erreicht. Zusätzlicher Impfschutz, beispielsweise eine jährliche Grippeimpfung, wird diskutiert, insbesondere bei Kindern mit schwerwiegenden Herzfehlern.

Aus aktuellem Anlass seien noch die Impfungen gegen Covid-19-Infektionen erwähnt. Das Robert Koch-Institut (RKI) und die STIKO haben darauf hingewiesen, dass für Menschen mit Down-Syndrom ein erhöhtes Risiko für schwerere Verläufe im Rahmen einer Covid-19-Infektion besteht. Seit Oktober 2023 empfehlen das RKI und die STIKO für Kinder mit Down-Syndrom ab einem Alter von sechs Monaten sowohl eine Grundimmunisierung als auch eine entsprechende Auffrischimpfung gegen SARS-CoV-2, vorzugsweise im Herbst (RKI 2023).

Alternative Behandlungen

Bei Kindern mit Down-Syndrom gibt es neben den bekannten und sehr effektiven Fördermaßnahmen wie zum Beispiel Physiotherapie, Logopädie, Ergotherapie (Wilken 2017, Bull 2022), verschiedene Versuche, die psychointellektuelle und sprachliche Entwicklung durch alternativ komplementäre Therapien positiv zu beeinflussen. Vor allem wird eine Nahrungsergänzung empfohlen, beispielsweise die Gabe von Spurenelementen, Vitaminen, Antioxidantien oder aktuell vor allem individuell zubereitete Mischungen (Targeted Nutritional Intervention, TNI).

Die Wirksamkeit einer solchen Behandlung wurde in wissenschaftlich überprüfbaren Studien nie nachgewiesen. Die Unwirksamkeit allerdings ist durch entsprechende Untersuchungen belegt (Ellis, 2008, Antonorakis, 2020). Medizinische Fachgesellschaften und internationale Down-Syndrom Organisationen haben vielfach darauf hingewiesen, dass eine Behandlung mit Nahrungsergänzungsmitteln bei Kindern mit Down-Syndrom wegen des fehlenden Wirksamkeitsnachweises nicht empfohlen werden kann (Hammersen, 2022). Entsprechende Hinweise finden sich in allen aktuellen wissenschaftlichen Übersichtsartikeln und Leitlinien zur Betreuung von Kindern mit Down-Syndrom.

Elterninformation und Beratung

Eltern eines neugeborenen Kindes mit Down-Syndrom haben großen Bedarf an Information und Beratung. Das Aufklärungssgespräch sollte von jemandem geführt werden, der über eigene Erfahrungen in der Behandlung und Betreuung von Kindern mit Down-Syndrom verfügt, vorzugsweise ein:e Kinderärzt:in. Das Gespräch sollte mit beiden Eltern unter optimalen Bedingungen geführt werden: ungestört in einem separaten Raum mit ausreichend Zeit. In der Regel empfiehlt es sich, mehrmals mit den Eltern zu sprechen. Im Rahmen eines solchen Informationsgespräches sollten folgende Aspekte angesprochen werden: Ursache, Genetik, medizinische Besonderheiten sowie Entwicklungsprognose und entsprechende Fördermöglichkeiten. Es sollte auch auf soziale Aspekte, beispielsweise Hilfen für die Familien und Unterstützung durch den Staat, hingewiesen werden, eventuell durch den Sozialmedizinischen Dienst.

Für die meisten betroffenen Eltern ist es hilfreich, Kontakt zu Selbsthilfegruppen und anderen betroffenen Eltern herzustellen. Diese Kontakte sollten möglichst frühzeitig vermittelt werden, sofern die Eltern den Wunsch äußern. Außerdem sollte die Vorstellung bei einer lokalen Einrichtung zur Frühförderung vereinbart werden.

Zitiervorlage
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Literatur
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