Der prähistorische Mensch war ein Fleischfresser, ein Karnivor. Er verzehrte täglich bis zu 3 kg Fleisch. Das reichlich vorhandene leicht verdauliche tierische Eiweiß, das durch Erhitzen noch leichter zu verwerten ist, war über die 50.000 Jahre menschlicher Evolution entscheidend für die Entwicklung des menschlichen Gehirns zur jetzigen Größe. Noch ein anderer Stoff gewährleistete dessen heutige Leistung: das weiße, leicht temperatur-empfindliche Kreatin, dessen detaillierte Kristallstruktur erstmals 1954 bestimmt wurde (Mendel & Crowfoot
Hodgkin 1954). Es kommt fast ausschließlich in Fleisch und Fisch vor. Speziell das Phospo-Kreatin ist essenziell für die Energieversorgung von Muskeln, Gehirn und inneren Organen. Es ist für alle Zellen mit hohem fluktuierendem Energiebedarf absolut wichtig und erhöht damit die körperliche Leistungsfähigkeit.
Der Körper ist zwar in der Lage, bei genügender Versorgung mit den Aminosäuren Alanin, Arginin und Methionin etwa die Hälfte des Kreatin-Bedarfs selbst herzustellen – das geschieht in Nieren, Leber und Bauchspeicheldrüse. Für die andere Hälfte ist er aber auf Fleisch und Fisch angewiesen. Menschen, die sich vegetarisch oder vegan ernähren, weisen deutlich niedrigere Kreatin-Konzentrationen in Muskeln und Gehirn auf. Eine Supplementierung (3–4 gr Kreatin-Monohydrat pro Tag) oder Verzehr von Fleisch und Fisch führt zu deutlichen Leistungssteigerungen in Bezug auf Muskelkraft, Gedächtnis und Lernen (siehe auch DHZ 5/2017. Seite 46f., Wallimann 2017).
Vegane Ernährung der Mutter
Wenn sich die Mutter auch noch in der Stillzeit vegan ernährt, besteht bei den Kindern die Gefahr einer Unterversorgung mit Kreatin. Besonders dramatisch sind die Folgen, wenn bei ihnen die Kreatin-Eigensynthese oder der Kreatin-Transport ins Gehirn genetisch gestört sind. Bei diesem Creatine-Deficiency Syndrom (CDS) kommt es zu gravierenden neuromuskulären Problemen und zu schweren Entwicklungsstörungen des Gehirns. Die Sprachentwicklung ist signifikant verzögert und beeinträchtigt. Die Langzeitfolgen eines Kreatin-Mangels während der Entwicklungsphase sind etwa geistige Behinderung, Autismus und Epilepsien. Wird ein genetischer Defekt frühzeitig erkannt, können einige von ihnen effizient und kostengünstig durch Supplementierung mit Kreatin vollständig geheilt werden.
Zusammenhänge mit Vitamin B12
Ein Vitamin, das ebenfalls nur durch Nahrungsmittel tierischer Herkunft (Fleisch, vor allem Innereien, Eier und Milchprodukte) erhältlich ist, ist das 1948 erstmals isolierte Vitamin B12. Es ist geruchlos, tief dunkelrot, kristallin und bindet Wasser (hygroskopisch). B12 ist vor allem für die Bildung roter Blutkörperchen, die Funktion des Nervensystems und die Regeneration der Schleimhäute wichtig. Zudem wird es benötigt für Wachstum und Entwicklung des Gehirns. Es ist als Kofaktor für das Funktionieren der beiden Enzyme Methionin-Synthase und Methylmalonyl-CoA-Mutase verantwortlich. Die Methionin-Synthase ist für die körpereigene Synthese von Methionin erforderlich, welches für die Herstellung von Kreatin benötigt wird. Ohne Vitamin B12 fehlt Methionin und dadurch Kreatin. Dann ist der Körper umso mehr auf die Zufuhr von alimentärem Kreatin durch Fleisch und Fisch angewiesen. Das Stoffwechsel-Zwischenprodukt Methylmalonsäure sammelt sich bei einem Mangel an Vitamin B12 an und ist heute eine Messmethode für den Vitamin-Status. Im Verhältnis zu anderen Vitaminen reichen geringe Dosen. Muttermilch erhält nur durchschnittlich 0,05 µg/100 g (Kuhmilch 0,4 µg/100 g).
Konsequent vegan lebende Frauen nehmen im Schnitt nur 0,4 µm des Vitamins auf – nötig für die zusätzliche Versorgung des Babys wäre aber etwa das Zehnfache. Das hat schwerwiegende Konsequenzen. Schwangere, die sich vegan ernähren, sollten rechtzeitig einen Vitamin-B12-Test machen, selbst wenn sie noch keine typischen Mangelsymptome wie Appetitlosigkeit, Erschöpfung oder Blutarmut zeigen. Meist benötigen sie eine Supplementierung. Oral aufgenommen dauert es ein paar Wochen, bis der nötige Wert im Körper erreicht ist.
Injektionen begleichen das Defizit schneller. Verbreitet und erfolgreich ist die synthetische Form Cyanocobalamin. Im Einklang mit dem Schweizer Bundesamt für Gesundheit in der Schweiz (BAG) kann man aus wissenschaftlicher Sicht Schwangeren und Stillenden sehr abraten, komplett auf Fleisch und Fisch zu verzichten oder sich ausschließlich vegan zu ernähren und dann die Kleinkinder ebenfalls vegan zu füttern. Für Frauen, die das trotzdem praktizieren, gibt es diesen Kompromiss: Zufuhr von Vitamin B12 und Kreatin-Supplementation mit reinstem Kreatin-Monohydrat. Die offiziell empfohlene Dosierung ist 3 g Kreatin pro Tag.