Carotinoide, die als gelb-orangefarbene Farbpigmente vor allem aus pflanzlicher Nahrung die Muttermilch färben, sind unerlässlich für die Augen: Sie schützen die Netzhaut vor dem blauen Licht der Sonne wie eine Sonnenbrille. Illustration: © Birgit Heimbach

Carotinoide, darunter die Provitamine A und Retinol, die freie und vom Körper nutzbare Form von Vitamin A, sind vor allem wichtig für die Augen: Sie sorgen für Sehkraft, Lichtschutz und Befeuchtung. Stillende sollten über die Nahrung genug davon aufnehmen, um ihren Kindern über die Muttermilch ausreichende Mengen weiterzugeben. 

Dass Kolostrum so gelb ist, liegt an dem großen Anteil an gelösten Carotinoiden: rund 30 µg/ml, bei Mehrgebärenden meist noch mehr. Nach dem zwölften Tag nach der Geburt reduziert sich die Menge deutlich und bleibt dann relativ stabil. Diese gelb-orangefarbenen bis rötlichen Farbpigmente werden von Stillenden mit Obst, Gemüse oder auch Dotter vom Hühnerei aufgenommen und gelangen dann teils in die Muttermilch.

Der Körper kann Carotinoide nicht selbst bilden. Säuglinge bekommen sie also ausschließlich über die Muttermilch. Einige sind überaus wichtig für die Augen.

Pigmente für die Augen

Die nahezu gelben Carotinoide Lutein (etwa in Grünkohl) und Zeaxanthin (etwa in Mais) werden im lichtempfindlichsten Teil des Körpers deponiert: im Gelben Fleck (Macula lutea) in der Netzhaut (Retina) des Auges. Dies ist die Stelle des schärfsten Sehens, hier werden die Lichtstrahlen beim Fixieren eines Gegenstandes gebündelt. Die Sinneszellen sind hier am dichtesten und zeigen einen hohen Stoffwechsel mit hohem Nährstoffbedarf.

Die Pigmente erfüllen im Gelben Fleck eine Aufgabe, die mit der Eigenschaft zu tun hat, die auch ihnen selbst ihre Farbe verleiht: Angereichert im Pigmentepithel absorbieren sie das UV-Licht und schützen die Augen wie eine Sonnenbrille vor photochemischen Schäden. Zugleich binden sie freie Radikale beziehungsweise hoch reaktive Stoffwechselprodukte durch Oxidation und reduzieren damit oxidative Lichtschäden. Ohne sie würde die Makula zerstört werden.

Provitamin A und Retinol

Etwa 50 verschiedene Carotinoide besitzen Provitamin-A-Aktivität (Arnold 2000). Das heißt, sie werden im Körper zu 15 bis 20 % in das lebensnotwendige Vitamin A umgewandelt.

Beta-Carotin, das in Möhren, roter Paprika und Mango besonders hoch konzentriert vorkommt, gilt als das wichtigste dieser Provitamine A. 1831 wurde es erstmals von dem Apotheker Heinrich Wackenroder isoliert. Es hilft bei Zelldifferenzierung und Wachstum, bindet freie Radikale und stärkt das Immunsystem. Der ehemalige Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ernährungswissenschaften (DGE) Prof. Dr. Helmut Heseker betont: »Es gibt große individuelle Schwankungen in der Resorbierbarkeit von Beta-Carotin und seiner Umwandlung in Vitamin A.« Man gehe davon aus, dass nur etwa 50 % des absorbierten Beta-Carotins tatsächlich umgewandelt wird.

Die wichtigste Erscheinungsform von Vitamin A im Körper ist das Retinol. Es ist eine Transportform oder ein Zwischenprodukt und wird auch vorgebildetes, aktives oder freies Vitamin A genannt. Säuglinge erhalten Retinol zudem direkt mit der Muttermilch, die durch diesen Stoff zusätzlich gelb gefärbt wird. Es stammt aus Produkten tierischen Ursprungs, die die Mutter verzehrt hat. Besonders viel ist in Leber und in fettreichen Milchprodukten enthalten.

Wie die Konzentration an Carotinoiden in der Muttermilch, wird die Menge an Retinol von der Ernährung der Mutter beeinflusst (Lipkie et al. 2015). Heseker, der derzeit an der Universität Paderborn eine Professur für Ernährungswissenschaften innehat, erklärt: »Das Retinol stammt letztlich aus den Carotinoiden der Pflanzen, denn auch Tiere können es nicht selbst produzieren. In Form von Retinylpalmitat ist es dem für Menschen wichtigen Retinol am ähnlichsten und ist daher leichter vom Körper in Vitamin A zu verwandeln.«

Der Ernährungswissenschaftler gibt an: »Für eine bessere Übersicht werden alle Provitamine A und das Retinylpalmitat/Retinol als Retinoläquivalente (RAE) klassifiziert.« Das bedeutet: 1 mg Retinol oder 6 mg Beta-Carotin oder 12 mg anderer Provitamin A-Carotinoide wie Lutein entsprechen 1 mg Retinol-Äquivalent. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE) empfahl 2018 eine erhöhte Zufuhr für Schwangere von 1,1 und für Stillende von 1,5 mg sowie für Säuglinge in den ersten sechs Monaten 0,5 mg Retinol-Äquivalente (RAE, RÄ) pro Tag.

Schutzfilm fürs Auge

Vitamin A wurde erstmals 1933 vom Schweizer Nobelpreisträger für Chemie Paul Karrer in Reinsubstanz, in der es farblose Kristalle bildet, aus Lebertran gewonnen (Ahrens 1947). Schon damals erkannte ein Mitarbeiter das Vorkommen von Vitamin A in der Retina – daher der Name Retinol.

In den Photorezeptoren der Retina bildet Retinol den Stoff Retinal, der die Sehpigmente bildet: In den Stäbchen, die dem Schwarz-Weiß-Sehen dienen, verbindet es sich mit dem Protein Opsin zum Sehpigment Rhodopsin (Sehpurpur) und in den Zapfen für das Farbensehen zum Photopsin. Ohne Retinol drohen Sehstörungen bis hin zur Blindheit.

Retinol ist zudem wichtiger Bestandteil des Tränenfilms, der die Hornhaut mit Nährstoffen versorgt und das Auge vor Austrocknung und Infektionen schützt. Vitamin A wird zunächst mit der Tränenflüssigkeit geliefert und muss aus einer Proteinbindung gelöst werden. Im gravierenden Vitamin-A-Mangel oder wenn Retinol nicht gelöst wird, wird die Haut vor der Pupille, die Kornea, durch Austrocknung zerstört, was zur Erblindung führt (Xerophthalmie).

Die WHO geht von weltweit 190 Millionen Kleinkindern aus, die vor allem nach der Stillzeit unter Vitamin-A-Mangel leiden, davon sind etwa 1,5 Millionen erblindet. Zudem sollen weltweit 9,8 Millionen Frau rund um die Geburt von Sehstörungen und Blindheit durch diesen Vitamin-Mangel betroffen sein.

Ernährung und Carotinoide in der Milch

Die US-amerikanischen ErnährungswissenschaftlerInnen Dr. Ardythe Morrow, einst Professorin an der Universität in Cincinnati in Ohio, und Mario Ferruzzi, Professor für Ernährungswissenschaft an der Purdue University, Indiana, untersuchten mit anderen ForscherInnen den Gehalt an Carotinoiden in der Milch von 60 Müttern. Die Proben stammten von Stillenden aus Mexiko, China und den USA in der Zeit zwischen 2 und 26 Wochen post partum (Lipkie 2015). Ergebnis: Die Hauptvertreter der Carotinoide während der gesamten Stillzeit waren Lutein (median 114,4 nmol/l), Beta-Carotin (49,4 nmol/l), Beta-Cryptoxanthin (33,8 nmol/l) und Lycopin (33,7 nmol/l).

Auffällig war, dass die Konzentration der Carotinoide in der Muttermilch amerikanischer Frauen zwei Wochen nach der Geburt insgesamt um etwa 40 % niedriger lag als bei Chinesinnen und um 25 % niedriger als bei Mexikanerinnen. Ferruzzi mutmaßt, dass Amerikanerinnen deutlich weniger Obst und Gemüse essen. Bei der Milch von Chinesinnen war der Gehalt an Lutein und Fettsäuren am höchsten. Zugleich war dort der Anteil von Lycopin am niedrigsten (p<0.0001). In den USA kam immerhin das rote Carotinoid Lycopin am häufigsten vor, das in Wassermelone, Grapefruit und Tomaten zu finden ist (Lipkie 2015). Die Korrelation zwischen mütterlichen und kindlichen Blutplasma-Konzentrationen war signifikant (p<0.05), was den unmittelbaren Zusammenhang zwischen mütterlicher Nahrungsaufnahme und Versorgung des Säuglings zeigt.

Eine Studie bei Stillenden nach einer Frühgeburt zeigte, dass ihre Muttermilch eine geringere Gesamtmenge an Carotinoiden aufwies (Xavier 2018). Eine Studie in den USA mit ausgewogen ernährten Frauen ergab einige Jahre zuvor, dass sich auch durch zusätzliche Beta-Carotin-Gaben der offensichtlich physiologisch sinkende Gehalt von Carotinoiden in der Muttermilch zwischen dem 4. und 32. Tag nach der Geburt nicht steigern lässt. Es wurde gemutmaßt, dass es eine Sättigung mit Beta-Carotin in der Muttermilch gebe.

»Die Evidenz nimmt zu, dass Carotinoide für Mutter und Kind wichtig sind«, sagt Ferruzzi. »Stillende sollten Früchte und Gemüse entsprechend der Ernährungsrichtlinien essen.« Solange der Säugling damit zufrieden sei, sollten sie leuchtend orangefarbenes oder gelbes Obst und Gemüse sowie grünes Blattgemüse essen, das ebenfalls eine große Menge an Carotinoiden enthält, was nur nicht sichtbar ist, weil es vom Grün des Chlorophylls überdeckt wird. Ideal seien auch Kürbis, Zitrusfrüchte und Süßkartoffeln. Ferruzzi betonte, dass Lutein ein Schlüssel zur Gesundheit des Auges sei und verwies auf Zusammenhänge mit der visuellen Entwicklung und der Gesundheit des Gehirns.

Vitamin-A-Mangel mit Todesfolge?

Carotinoide und Retinol können im Darm nur aufgenommen werden, wenn sie mit Fetten verzehrt werden und in diesen gelöst sind. In öliger Zubereitung werden sie besonders gut resorbiert, zum Beispiel in Form von Lebertran. Auch in der mütterlichen Brust werden sie mit Hilfe sogenannter Fettsäuretransporter in die Epithelzellen der Alveolen im Drüsengewebe transportiert. Die Fette (Lipide) sammeln sich zu Tröpfchen und werden in winzige Milchfettkügelchen gepresst. Der Gehalt an Carotinoiden in der Milch steigt gegen Ende der Stillmahlzeit mit dem zunehmenden Lipid-Gehalt.

Eine Meta-Analyse untersuchte 2018 die Menge an Retinol in der Muttermilch im Zusammenhang mit dem Transporteur Milchfett (Dror & Lindsay 2018). Die Forscherinnen fanden es irritierend, dass die Konzentration von Retinol im Kolostrum am höchsten ist, obwohl dessen Fettgehalt niedrig ist. Erst in reifer Milch korreliert die Retinol-Konzentration mit dem Milchfett in konstanter Weise. In den ersten sechs Monaten reichern gestillte Säuglinge von Müttern mit entsprechender Zufuhr und Depots im Körper etwa 310 µmol Vitamin A im Gewebe an. Die Autorinnen der Studie betonen, dass sich die Abgabe von Retinol in die Muttermilch auf die mütterlichen Vitaminreserven in Leber und Fettgewebe negativ auswirkt, vor allem bei Frauen, die von einem Vitamin-A-Mangel betroffen sind. Vitamin-A-Gaben erhöhen die Retinol-Konzentrationen in der Muttermilch und haben einen positiven Effekt bei Mangel­ernährung.

Die Autorinnen der Meta-Analyse kritisieren die Begrenztheit aktuellen Wissens, auf dem die empfohlenen Nährstoff-Mengen für Kinder und Stillende basieren. Sie weisen auf die zahlreichen Folgen eines Vitamin-A-Mangels hin: Hierzu gehören Wachstumsbeeinträchtigung, Infektanfälligkeit, verminderte Immunabwehr, Durchfallerkrankungen und anderes.

Laut WHO sterben jedes Jahr drei Millionen Kinder an Mangelerscheinungen, an denen ein Vitamin-A-Mangel maßgeblich mit beteiligt ist. In Entwicklungsländern sollen Ernährungsprojekte, bei denen Pflanzen wie »Golden Rice« gentechnisch mit Carotinoiden angereichert werden, Abhilfe schaffen.

Zitiervorlage
Heimbach B, Heidrich J: Carotinoide und Vitamin A: Natürliche Sonnenbrille. DEUTSCHE HEBAMMEN ZEITSCHRIFT 2019. 71 (8): 55–58
Literatur

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