Wie kommuniziert man mit werdenden Vätern? Väter sind eigentlich keine besonders exotische Spezies Mensch, für die eigens ein raffinierter Kommunikationscode ausgetüftelt werden müsste. Die Antwort fällt deshalb sehr einfach aus: Mit werdenden Vätern kommuniziert man am besten, indem man mit ihnen redet.
Bis Mitte des vergangenen Jahrhunderts brachten die meisten Frauen ihre Kinder zu Hause zur Welt und hatten dabei neben einer Hebamme oft noch andere Frauen um sich, die Mutter, eine Schwester oder die Nachbarin. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Gebären dann im Zuge einer epochalen Hospitalisierung der Geburt (Braun 2006) innerhalb weniger Jahre fast vollständig in die Kreißsäle der Krankenhäuser verlegt – unter anderem mit dem Ergebnis, dass gebärende Frauen mit einem Mal keinen vertrauten Menschen mehr bei sich hatten. Nur wenige Jahre später wurden schließlich zu Beginn der 1970er Jahre die ersten Väter in die Kreißsäle gebeten, unter anderem, um diese Lücke zu schließen.
2007 führte die klinische Gynäkologin Britta Hinken an der Universität Greifswald eine Studie durch, über deren erste Ergebnisse der Berliner Tagesspiegel damals schrieb, dass Männer sich leicht hilflos fühlten, wenn ihre Partnerin leide. Und zwar mit „messbaren Folgen: Wie eine noch unveröffentlichte Studie von der Uni Greifswald ergab, steigt der Schmerzmittelbedarf, wenn die Väter im Kreißsaal dabei sind.“ (Müller-Lissner 2007).
Diese Information tauchte in den folgenden Jahren immer wieder in einigen der ohnehin spärlichen deutschsprachigen Fachveröffentlichungen zum Thema „Väter im Kreißsaal“ auf. Da ich auch in diversen Fachgesprächen immer wieder auf die Greifswalder Studie verwiesen wurde, fragte ich bei Britta Hinken nach, ob das Projekt inzwischen abgeschlossen und das Ergebnis gesichert sei. Sie schrieb, es habe damals eine Befragung von 47 Vätern nach der Geburt ihrer Kinder gegeben. Dabei habe sich gezeigt, dass eine „kleine Spinale“ oder ein Periduralkatheter häufiger gewünscht worden war, als dies dem Durchschnitt entsprochen habe. Wer da was genau in welcher Situation gewünscht hatte und was dann mit welchem Durchschnitt verglichen wurde, blieb leider unklar. Meines Wissens ist die Studie bis heute nicht abgeschlossen, zumindest nicht veröffentlicht, weshalb die Aussage zu der durch werdende Väter induzierte Schmerzmittelsteigerung auch nicht bestätigt wurde.
Einfluss aller Anwesenden
Das Beispiel zeigt, wie schnell vage Hinweise zu vermeintlichen Fakten werden, wenn ein geneigtes Fachpublikum gewissermaßen darauf wartet, einen Sündenbock für die zuweilen große Unzufriedenheit mit der modernen Geburtshilfe zu bekommen: den überengagierten, technikaffinen und besserwisserischen werdenden Vater, der vielleicht auch noch schuld ist an der gestiegenen Kaiserschnittquote und überhaupt. Ebenso gut und ebenso absurd könnte man behaupten, die unschönen Entwicklungen in der Geburtshilfe gingen zurück auf den gestiegenen Anteil der Ärztinnen in der klinischen Gynäkologie. Ihr Anteil hat sich in den vergangenen 30 Jahren auf immerhin fast zwei Drittel erhöht: In der Gynäkologie arbeiten immer mehr Frauen, und die Gebärenden werden von immer mehr Medizin und Technik umstellt …
Väter im Kreißsaal sind nur eine von vielen grundlegenden Veränderungen in der Geburtshilfe, die sich in unterschiedlichem Ausmaß, aber doch erstaunlich gleichförmig in praktisch allen Industriestaaten der Welt vollzogen haben. Gegenüber der fortschreitenden Technisierung der Geburtsmedizin, dem Rentabilitätsdruck der Kreißsaalbetriebe, den Verteilungskämpfen zwischen Hebammen, Geburtskliniken und niedergelassener Gynäkologie halte ich den Einfluss der werdenden Väter für überschaubar. Natürlich beeinflussen sie das Geburtsgeschehen. Im Guten wie im Schlechten, ebenso wie gestresste, überforderte oder auch einfach mal indisponierte Hebammen, Ärzte und Ärztinnen. Alle Anwesenden im Kreißsaal nehmen Einfluss auf das systemische Geschehen einer Geburt. Wie sollte es auch anders sein?
Weder Patient noch Besucher
Die Anwesenheit der Väter bei der Geburt hat sich zu einer kritisch zu hinterfragenden Norm entwickelt. Sie ist aber zugleich Ausdruck des veränderten Verständnisses von Partnerschaft, Schwangerschaft und Elternschaft, des Wunsches der Paare, die Geburt ihres Kindes als Familieninitiation zu erleben, bis hin zu genormten Vorstellungen von der perfekten Partnerschaft und der perfekten Geburt. Nicht zuletzt ist es der Versuch, der Einsamkeit der gebärenden Frau in einer Klinik zu begegnen, wo Hebammen in aller Regel mehrere Geburten gleichzeitig betreuen.
Allerdings ist ein Aspekt sehr speziell an der Anwesenheit werdender Väter: Sie sind weder Patient noch Besucher, sondern als Partner einer gebärenden Frau aktiv wirksamer Teil des Geburtsgeschehens (Steen 2012). Folglich stehen sie mit im Fokus und haben doch aufgrund ihrer besonderen Position zugleich eine Außenperspektive, die sie zu unberufenen Zeugen der Arbeit von Hebammen und ÄrztInnen macht. Sie schauen den Profis sozusagen auf die Finger. Von medizinisch-geburtshilflichen Laien nach einem vielleicht problematischen Geburtsverlauf dann kritisiert zu werden, ist sicher nicht leicht hinzunehmen und trägt möglicherweise unablässig zum schlechten Ruf der Väter im Kreißsaal bei: Was haben die hier überhaupt zu suchen? Müssen wir mit denen reden? (Premberg 2012).
Noch ein weiterer Aspekt ist in der Entwicklung der modernen Geburtshilfe an den werdenden Vätern im Kreißsaal speziell: Bevor sie kamen, waren andere Männer längst da. Gemeint sind die Medizinmänner, die sich im Zuge der Hospitalisierung der Geburt bereits des gewaltigsten und vielleicht weiblichsten aller Momente bemächtigt hatten. Und so lässt sich durchaus denken, dass die Halbgötter in Weiß bald nicht mehr nur einen Kampf mit den Hebammen um die Deutungshoheit des Geburtsgeschehens auszufechten hatten, sondern dass ihnen in den Partnern der gebärenden Frauen in gewisser Weise Nebenbuhler erwuchsen. Aus der Sicht nicht weniger Hebammen war und ist der werdende Vater zudem bloß ein weiterer Mann zu viel im Kreißsaal.
Noch im Sommer 2013 war in einem Artikel in dieser Zeitschrift von einem Chefarzt für Geburtshilfe von Männern als „allzu häufig doch (…) subtilen Störfaktoren des Geburtsverlaufs“ zu lesen. Die Väter, hieß es weiter, müssten gezielt und genderspezifisch vorbereitet werden, was aber bedeutete: „Sie müssen lernen, dass es im Kreißsaal für sie letztlich nichts zu tun gibt. Und dass ihre Hauptaufgabe darin liegt, ihrer Frau nicht zur Last zu fallen.“ (Lütje 2013).
Die Aussage bezeugt die enorme Skepsis gegenüber werdenden Vätern im Kreißsaal. Im vergangenen Jahr führte ich im Auftrag der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung eine Recherche zum Thema „Geburtsvorbereitung für werdende Väter“ durch. Ich sprach mit Hebammen und ÄrztInnen darüber, wie sie die Männer bei der Geburt erleben und wie jene am besten darauf vorbereitet werden sollten. Alle Gesprächspartnerinnen und -partner reagierten interessiert und positiv, aber es wurde auch klar, dass den Wenigsten das Thema unter den Nägeln brennt. Die Väter gehören zum Alltag im Kreißsaal dazu, laufen gewissermaßen so mit. Niemand berichtete von dezidierten Diskussionen in den Kreißsaalteams, was die Anwesenheit der Väter für die Interaktion im Geburtsraum, für die Kommunikation mit der gebärenden Frau und dem Paar bei der Geburt bedeutet. Die Erfahrungen werden kaum systematisch analysiert, die geburtshilflichen Teams bewältigen die Situationen im Kreißsaal mit ihrer Klinikroutine. Alle haben die Väter irgendwie auf dem Schirm, aber nicht wirklich im Blick.
Das Potenzial erkennen
Weder in der Geburtsvorbereitung noch für die Geburt selbst spielen männerspezifische Bildungs-, Kommunikations- oder Interventionskonzepte eine nennenswerte Rolle. Die Eins-zu-eins-Betreuung der gebärenden Frau durch eine Hebamme wird von allen im Prinzip gewünscht, sie sei aber aus finanziellen und organisatorischen Gründen nicht umsetzbar.
Die Anwesenheit der Väter im Kreißsaal wird mehr hingenommen als begrüßt und weder als Potenzial noch als besonderer Störfaktor empfunden. Auch in der Hebammenausbildung spielt das „Väterthema“ keine ausgewiesene Rolle. Männer, hieß es in den Gesprächen mit Hebammen oft, sähen sich doch häufig bloß als Begleiter der Frau, sowohl im Vorbereitungskurs als auch später bei der Geburt, so als beträfe sie das Ganze nicht direkt. Was mit der Geburt ganz persönlich auf sie zukommt, werde in der Regel auch deshalb nicht thematisiert, weil die Männer von sich aus kaum Fragen stellten. Das führt jedoch nicht zu Überlegungen, ob männerspezifische Kurskonzepte den werdenden Vätern das Reden vielleicht erleichtern könnten.
Dass die Mehrheit der Väter im Kreißsaal keinen Vorbereitungskurs besucht hat, wird nicht als Problem empfunden. Auch die Anmeldungen zur Geburt werden nicht als Chance genutzt, mit einem möglicherweise unvorbereiteten Vater ins Gespräch zu kommen. Was die Männer bei der Geburt tun können, kläre sich dann schon während der Geburt mittels der Routine der Hebammen in Form von konkreten Anweisungen.
Kaum jemand berichtete davon, dass nach schwierigen Geburten auch Vätern Gespräche zur Verarbeitung ihres Geburtserlebnisses angeboten werden. Und auch in der Nachsorge hat praktisch niemand die Väter wirklich im Blick.
Dass die meisten Mütter und Väter die Geburt ihres Kindes als ein schönes, bewegendes und glückliches Erlebnis in Erinnerung haben, liegt gewiss auch an der hingebungsvollen und professionellen Arbeit der Hebammen und ÄrztInnen. Die Frage bleibt aber, ob sie das Potenzial erkennen, das Väter im Kreißsaal unter den gegebenen Umständen darstellen – auch und vor allem zum Wohl der gebärenden Frauen.
Hebamme als Vorbild
Erscheinen Frau und Mann zur Geburt in einer Klinik, begegnet ihnen das geburtshilfliche Team in aller Regel zum ersten Mal – auch wenn sie einen Vorbereitungskurs besucht haben. Je unvertrauter jedoch einer gebärenden Frau der Ort ist, wo sie ihr Kind zur Welt bringen soll, umso bedeutsamer ist der Mensch, der sie dorthin begleitet (Hodnett 2011).
Erfreulicherweise hat sich in jüngster Zeit eine Reihe von Forscherinnen im Bereich der Public Health und der Hebammenwissenschaften mit dem Geburtserleben der Väter beschäftigt – allen voran Caroline Bäckström, Asa Premberg, Margereta Johansson und Ingegerd Hildingsson aus Schweden. Doch so unterschiedlich die Fragestellungen auch sind, ob das Befinden und Erleben der Männer vor, während oder nach der Geburt erforscht wird, so gleichlautend sind die Ergebnisse im Hinblick auf die Kommunikation mit den Vätern. Wenn die Männer etwas kritisch erleben oder im Nachhinein negativ bewerten (zum Teil, weil ihnen oft erst später klar wird, was sie vorher hätten gebrauchen können), dann ist es vor allem das Gefühl, von der Kommunikation ausgeschlossen worden zu sein. Während der Geburt geschieht dies meist ausgerechnet in den kritischen Phasen.
Caroline Bäckström und Ingegerd Hildingsson gingen in zwei Studien der Frage nach, wie wichtig es zum einen für das Sicherheits- und Geborgenheitsgefühl der gebärenden Frau ist, im guten Kontakt mit der geburtsbegleitenden Hebamme zu sein. Zum anderen fragten sie, welchen Einfluss auf das Sicherheitsgefühl der Frau das interaktive Geschehen zwischen der Hebamme und dem werdenden Vater hat (Hildingsson 2011; Backström 2011). Aus den Ergebnissen lässt sich ein ideales kommunikatives Miteinander von Mann und Hebamme ableiten, das im Prinzip auch für die ÄrztInnen gilt, die eine Geburt betreuen. Wenn Väter von einem insgesamt positiven Geburtserlebnis berichten, führen sie dies in hohem Maße auf eine gute Unterstützung durch die Hebamme zurück. Besonders wichtig ist, dass die Hebamme den Geburtsraum nach Möglichkeit nicht verlässt. Außerdem brauchen sie die grundsätzliche Erlaubnis, ihr jederzeit Fragen stellen zu dürfen.
Während der Geburt schaut der Mann sich bei der Hebamme ab, wie respektvoll und einfühlsam sie der Partnerin durch die Geburt hilft und wann die Frau welche Form der Ansprache braucht. Die meisten Männer sind der Hebamme dankbar, wenn sie ihnen klare Anweisungen gibt, wie sie die Partnerin unterstützen können.
Die bloße Behauptung, der Hebamme und dem ärztlichen Personal jederzeit vertrauen zu können, reicht in der Regel nicht aus, ein echtes Vertrauensverhältnis zwischen Mann und Hebamme herzustellen. Vertrauen entsteht erst durch die wertschätzende Einbindung des Mannes in den Geburtsprozess, und diese Wertschätzung vermittelt sich dadurch, dass die Hebamme auch in Stresssituationen den richtigen Ton findet, seine Fragen zu beantworten. Damit sind keine ausführlichen Erläuterungen gemeint – womöglich über den Kopf der gebärenden Frau hinweg –, sondern mehr das Signal, dass die Hebamme ihn auch in diesen Situationen wahrnimmt und ihm kurz sagt, was warum gerade getan werden muss.
Hat der Mann Vertrauen in die Hebamme gefasst, ist er besser gegen die Unwägbarkeiten der Geburt gewappnet. Zudem strahlt seine wachsende innere Sicherheit auf seine Partnerin aus. Sollte die Hebamme doch einmal aus dem Raum gehen müssen, fühlen sich Männer, die in einem guten Kontakt zur Hebamme stehen, seltener „allein gelassen“. So sind beide, er und die gebärende Frau, besser vor Stress, Panik und geburtsbehindernder Verkrampfung geschützt.
Nicht zuletzt eröffnet eine gute Interaktion zwischen Hebamme und dem Paar den Freiraum, dass der Mann sich bei Bedarf auch einmal zurückziehen kann, ohne Sorge haben zu müssen, die Partnerin „im Stich“ zu lassen. Zu seiner inneren Sicherheit kommt so auch die innere Freiheit, der Geburtssituation nicht ausgeliefert zu sein.
Bei Geburten stellt sich auch die Frage, wie detailliert man kritische Entwicklungen kommunizieren und auch den werdenden Vater ins Bild setzen soll, zumal in Situationen, in denen schnell gehandelt werden muss. Den Mann nicht angemessen in das Geschehen einzubinden, erhöht jedoch das Risiko aufsteigender Panik, die sich schnell auf die gebärende Frau überträgt. Außerdem neigen verängstigt-alarmierte werdende Väter dazu, die nonverbale oder in Fachchinesisch geführte Kommunikation des geburtshilflichen Teams entziffern zu wollen, was das Risiko für Missverständnisse und Überreaktionen nur erhöht (Harvey 2012). Umso wichtiger ist das Angebot an beide Eltern, die Geburt später in Ruhe zu besprechen.
Räume für Gespräche schaffen
Wer mit werdenden Vätern ins Gespräch kommen will, muss geeignete Anlässe und Räume schaffen. Vor der Geburt idealerweise in einem Paarkurs, in dem beide, die Schwangere und der werdende Vater, ihre eigenen Themen besprechen können. Allerdings fällt es den meisten Männern schwer, in Anwesenheit der Partnerin (und der anderen Frauen) mögliche Unsicherheiten und Ängste auszusprechen. Etwa die Sorge, Blut, Kot, Urin und all die anderen Dinge nicht ansehen zu können, die zu einer Geburt gehören. Oder die Sorge, die Frau fühlte sich nicht mehr sicher, erführe sie, dass er nicht ausschließlich gelassen seiner Rolle als Geburtsbegleiter entgegensieht. Männer glauben oft, sie seien die einzigen mit Fragen und Sorgen, und erleben es als entlastend, wenn es anderen Männern ähnlich geht (Friedewald 2005). Da halbwegs offene Auseinandersetzungen über solche Themen in einer gemischten Gruppe kaum zu führen sind, sollte eine getrenntgeschlechtliche Einheit Teil eines jeden Paarkurses sein.
Im guten Fall befreit ein Vorbereitungskurs Männer vor allem von der nicht einlösbaren Anforderung, für das Gelingen der Geburt verantwortlich zu sein und selbst Großartiges leisten zu müssen. Hierher gehört auch die „Erlaubnis“, dass der Mann sich ohne äußeren Druck für oder gegen die Geburtsbegleitung entscheiden kann. Die Kursleitung sollte deshalb immer darauf hinweisen, wie wichtig es ist, die Partnerin aus wirklich freien Stücken zu begleiten, und dass es auch Paare gibt, die einen dritten Weg wählen: Der Mann teilt sich die Begleitung mit einer Vertrauten der Frau. So wird das Thema „erlaubt“, und die Paare können entscheiden, ob die Frage geklärt ist oder ob darüber noch einmal in Ruhe nachgedacht werden sollte (Abou-Dakn 2008).
Ein „Männerabend“ kann werdenden Vätern die Möglichkeit eröffnen, mit Gleichgesinnten über Themen zu reden, die mit der eigenen Partnerin vielleicht schwierig zu besprechen sind. Der Ertrag bemisst sich nicht danach, ob die Männer alles offen zur Sprache bringen, alles ausdiskutieren oder Lösungsvorschläge erarbeiten. Männer hören oft erst einmal zu, stellen ein paar Fragen und nehmen Anregungen zum Nachdenken mit. Vor allem brauchen sie oft erst die Erlaubnis – sowohl in einem Kurs als auch während der Geburt –, Fragen stellen zu dürfen, wenn sie etwas nicht verstehen oder wenn sie merken, dass sie ängstlich und besorgt werden. Wird ihnen der Zusammenhang zwischen fehlenden Informationen (beziehungsweise nicht gelingender Kommunikation) und aufkommender Panik erläutert, wird es für sie leichter sein, Unsicherheit und Unwissen zuzugeben und nach hilfreichen Informationen verlangen (Hildebrandt 2012).
Paare mit Migrationshintergrund besuchen nur selten einen Geburtsvorbereitungskurs. Besonders schwierig ist die Situation, wenn ein Paar dann zur Geburt in der Klinik erscheint, die Frau nur schlecht oder kein Deutsch spricht und der werdende Vater die Geburt gewissermaßen begleiten muss, weil er als einziger im Kreißsaal die Sprache der Gebärenden spricht. In einer extrem intimen Situation bedeutet dies für die Gebärende oft ein Höchstmaß an Unsicherheit und Unvertrautheit, während der Mann sich auf eine Situation einlassen muss, für die ihm seine Kultur keine adäquate Handlungsanweisung gibt. Deshalb sollte die Anmeldung zur Geburt, zu der die meisten Schwangeren gemeinsam mit dem Partner einige Wochen vor dem Geburtstermin erscheinen, genutzt werden, einige wichtige Fragen zu klären. Zum Beispiel, wer außer dem Partner die Gebärende noch begleiten könnte oder ob sich eine andere Übersetzungshilfe organisieren ließe, sollte der Partner nicht mit in den Kreißsaal wollen. Außerdem kann erfragt werden, ob das Paar bestimmte Vorstellungen von der Geburt hat. Was sollte oder möchte der Mann möglichst nicht sehen? Gibt es Dinge, über die vielleicht nur schwer zu sprechen ist, die aber bedeutsam für die Geburt sein können? So viel Zeit sollte sein.
Echtes Interesse gefragt
Studien zum Geburtserleben der Väter zeigen, dass Männer ihre Sorgen oft nicht mitteilen. Meist fragt sie auch niemand, wie es ihnen geht. Die eindrücklichste Sorge ist, die Partnerin oder das Kind könnten bei der Geburt sterben. Als verstörend erleben Männer oft auch die enormen Schmerzen der gebärenden Partnerin, auf die sie ebenso wenig gefasst sind wie auf die Tatsache, ihr die Schmerzen nicht abnehmen zu können. Damit verbunden sind häufig Gefühle der Ohnmacht und der Schuld, für die Schmerzen der Partnerin mitverantwortlich zu sein (von Sydow 2012). Besonders nach schweren Geburtsverläufen kann es passieren, dass Väter Schwierigkeiten haben, das Erlebte zu verarbeiten, weil sie sich nicht mitteilen. Sie glauben, das Wohl von Frau und Kind stehe an erster Stelle, während die eigene Befindlichkeit nebensächlich sei. Gut gemeinte Gesprächsangebote unmittelbar nach der Geburt können dann ins Leere laufen. Gleichwohl korrespondiert das Rückzugsverhalten dieser Männer nicht selten mit der häufigen Einstellung geburtshilflicher Teams, es sei nicht ihre Aufgabe, sich auch noch um die Väter zu kümmern (Windhausen 2006).
Eine Übersichtsarbeit, die weltweit insgesamt 43 Einzelstudien auswertete, kam zu dem Ergebnis, dass möglicherweise bis zu zehn Prozent der Männer während der Schwangerschaft und in den Monaten nach der Geburt ihres Kindes depressive Symptome entwickeln – mit einem Höhepunkt zwischen den ersten drei und sechs Lebensmonaten des Kindes (Paulson 2010). Verschiedene Einzelstudien maßen postpartale Stresslevel und stellten Unterschiede zwischen Männern fest, die sechs Wochen nach der Geburt des Kindes normale oder erhöhte Stresssymptome zeigten. Unter den Vätern mit hohen Stressbelastungen fanden sich vermehrt jene, die nicht ganz freiwillig bei der Geburt dabei waren und/oder deren Erwartungen von der Geburt und von der eigenen Rolle dabei enttäuscht worden waren (Johnson 2002; Ramchandani 2011).
Ähnlich wie Mütter, die nach einem Kaiserschnitt das Empfinden plagt, als Frau versagt zu haben, können Väter schwer unter dem Gefühl leiden, ihre Rolle als Geburtsbegleiter nur unzureichend erfüllt zu haben (von Sydow 2012). Zudem gibt es Hinweise, dass eine postpartale depressive Störung der Partnerin das Risiko für den Mann erhöht, ebenfalls depressive Symptome zu entwickeln (Dorsch & Rohde 2010).
Auch hier hat die Geburtshilfe zuvorderst ein Kommunikationsproblem zu lösen. Das allerdings setzt voraus, es nicht einfach hinzunehmen, dass Männer sich mit ihrem Kummer häufig zurückziehen (Fletcher 2004). Dies würde zum einen bedeuten, dass ein fachlich begründetes Einvernehmen über die Bedeutung werdender Väter im Kreißsaal für das Wohl gebärender Frauen bestünde. Zum anderen wäre unbestritten, dass man nur dann mit ihnen erfolgreich kommunizieren kann, wenn man ihnen mit Respekt, Wertschätzung und echtem Interesse begegnet.