Streptokokken könnten zu einer akuten Vilitis führen, die auch ohne Chorioamnionitis auftreten könne. Durch die Infiltration würden die Zotten zerstört, die Feten hätten zu 75 % einen positiven Blutbefund, was zu einem niedrigen APGAR führen könne.
Anhand von vielen Dias erläuterte Müller verschiedene Fehlanlagen und Erkrankungen der Plazenta. Sie zeigte auch eine Plazenta nach einer Geburt am Termin, in deren Oberfläche ein Fetus papyraceus zu erkennen war: ein hauchdünner, mehr embryoähnlicher verstorbener Zwilling inmitten der Dezidua. Müller wies noch darauf hin, dass die lange erwartete S2k-Leitlinie »Pathomorphologische Untersuchung der Plazenta« aufgrund von Bedenken einer einzigen Fachgesellschaft immer noch nicht veröffentlicht worden sei. Sie selbst habe die Leitlinie vor zwei Jahren angemeldet, um Entscheidungshilfen zu geben, wann eine Plazenta eingesandt werden sollte.
Schaden heißt nicht gleich Haftung
Seit 20 Jahren arbeitet die Rechtsanwältin Patrica Morgenthal für den BfHD: »Ich arbeite sehr gern für Hebammen.« Lange Zeit war ihre Kanzlei sogar direkt über einem Geburtshaus. Die Anwältin ist Prozessbevollmächtigte, nimmt auch an Gebührenverhandlungen teil oder berät bei beruflichen Zusammenschlüssen.
In ihrem Vortrag ging es um Begrenzung von Schadensfällen durch eine gute Dokumentation. »Nur was dokumentiert ist, ist gemacht!« Eine lange Geburt erfordere zwangsläufig eine lange Dokumentation und man sollte auch Dinge aufschreiben, von denen man zunächst glaubte, dass sie nicht entscheidend seien. Dazu gehöre auch manchmal, die allgemeine Situation im Kreißsaal zu schildern.
Sie berichtete von einem Fall, bei dem ein Kind durch eine unentdeckte vorzeitige Plazentalösung zu Schaden kam, nachdem man fälschlicherweise von einer stärkeren Zeichnungsblutung ausgegangen war. Hier wäre es für die angeklagte Beleghebamme gut gewesen, wenn sie der Wahrheit entsprechend gleich dokumentiert hätte, dass kein Kreißsaal frei war und die Umstände für eine korrekte Befunderhebung sehr ungünstig waren. Im Nachgang konnte sich niemand mehr so richtig an den Ablauf erinnern.
Ein Schaden bedeute eben nicht direkt eine Haftung. Es müsse ein grober Behandlungsfehler nachgewiesen werden, der zur Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit geführt hat. Dafür ursächlich seien Diagnosefehler, Befunderhebungsfehler und fehlende Indikationen. In einem Gerichtsverfahren würde meist rein nach Aktenlage geurteilt, selten werde ein Kind dafür untersucht. Die Dokumentation solle unbedingt gut lesbar sein und keine Mängel enthalten: etwa fehlende Einträge, kein Nachweis von ärztlichen Kontrollen, trotz Erwägen keine durchgeführten Maßnahmen oder kein Eintrag besonders hoher Anforderungen. Zu vermeiden seien Wertungen, wenn es beispielsweise mit einem betreuten Paar zu keiner guten Kommunikation oder Kooperation kam. Insgesamt könne so lange nachdokumentiert werden, bis es zu einem Rechtsstreit komme, danach würde es sich um eine Urkundenfälschung handeln.
Praxisnahe Vorträge von Hebammen
Die Hebamme Laura Mann aus Wiesbaden erläuterte die Intermittierende Auskultation und die unterschiedlichen Interpretationen eines CTG innerhalb der verschiedenen Leitlinien, herausgegeben von der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der französischen Internationalen Vereinigung für Gynäkologie und Geburtskunde (FIGO), dem britischen National Institute for Health and Care Excellence (NICE), des australischen und neuseeländischen College of Obstetricians and Gynaecologists (RANZCOG) und der kanadischen Society of Obstetricians and Gynaecologists (SOGC).
Die Hebamme Susanne Quernheim vom Geburtshaus Idstein hielt einen sehr übersichtlichen und anschaulichen Vortrag über die Bedeutung des Simulationstrainings, das sie seit 2019 für Hebammen anbietet. Es sei unbedingt nötig, Abläufe bei Notfällen gut einzustudieren und sich im Team Handlungsabläufe zu verinnerlichen. Selbst wenn es im Team 80 % Fachwissen gebe, aber die Zusammenarbeit nur bei 20 % liege, sei der Wert des Behandlungserfolgs nur 16 %. Wäre dagegen das Wissen zu 70 % gegeben, aber die Zusammenarbeit funktioniere zu 100 % gut, würde sich der Behandlungserfolg auf 70 % verbessern.
Sie erläuterte die 15 Leitsätze des Crew Ressource Managements (CRM), das aus der Luftfahrt übernommen wurde. Dazu gehöre zum Beispiel: »Fordere Hilfe an, lieber zu früh als zu spät«, »Habe Zweifel, prüfe nach«, »Setze Prioritäten dynamisch«. Wichtig sei es, sich mit anderen rückzukoppeln, also geschlossene Gesprächskreise zu praktizieren: »Close the Loop.«
Ein wunderbaren Vortrag hielt die Hebamme Kick van Walbeek zum abwartenden Management bei Fehlgeburten. Seit 30 Jahren arbeitet sie im häuslichen Umfeld südlich von München und hat inzwischen reichlich Erfahrung dazu gesammelt. Sie sei enttäuscht gewesen, dass die S2k-Leitlinie »Früher Schwangerschaftsverlust im 1. Trimenon« ohne die Mitwirkung der Hebammen verabschiedet wurde. Gleichwohl habe sie Vorschläge für bessere Formulierungen übermittelt. Die Revision sei für 2029 geplant.
Sie mahnte, zum abwartenden Verhalten gehöre auch von Seiten betreuender Hebammen, nicht verschiedene Maßnahmen wie Tees oder Globuli einzusetzen, weil sich die Frauen dann oft unter Zugzwang fühlten. Mitunter könne der Abgang der Frucht immerhin vier Monate dauern. Es gebe oft eine Latenzphase über Tage und Wochen. Die meisten Frauen verspürten schmerzhafte Kontraktionen. Sowie das Fruchtbläschen geboren sei, würden aber Blutung und Schmerz schnell nachlassen.
Wichtig zu wissen sei auch, dass die Plazenta im zweiten Trimenon meist getrennt von der Frucht komme, oft auch nicht spontan, dann müsse die Frau in die Klinik verlegt werden. Auf die Nachfrage einer Hebamme aus dem Auditorium kam ihr Hinweis: Kolleginnen mit einer Berufshaftpflichtversicherung ohne Geburtshilfe sollten vorher abklären, ob die Begleitung von Fehlgeburten davon abgedeckt wird.