Erzählcafés können alle Beteiligten an einen Tisch holen, im übertragenen wie im wörtlichen Sinn. Fotos: © Dr. Stefanie Schmid-Altringer

Zuhören und erzählen, beides ist wertvoll. Erzählcafés bieten viel mehr als Kaffeeklatsch und Klönschnack. Sie sind heilsame Orte der Solidarität und wechselseitigen Empathie, für Eltern und Fachpersonen der Geburtshilfe, aber auch für unsere Gesellschaft. 

Seit zehn Jahren unterstützt und motiviert die Erzählcafé-Aktion als offenes Mitmachprojekt das Reden über Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett. Erzählcafés fördern die gesunde Verarbeitung von Geburtserlebnissen und schaffen einen »Resonanz-Raum« im Sinne des Soziologen Harmut Rosa für gute wie schwierige Erfahrungen von Eltern und Geburtshelfenden (Rosa, 2019). Im Sinne von Community Health sind sie ein berührendes Event der Solidarität und ein innovatives Tool für eine lösungsorientierte Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Bundesweite Aktionstage mit Erzählcafés, wie #Väter Ihr seid wichtig! (2018) oder Mutmach-Botschaften (2023) ermöglichen immer wieder neue konstruktive Postings und bringen Themen rund um die Geburtshilfe direkt aus der Praxis in den öffentlichen Dialog.

Erzählcafés ersetzen keine (Trauma-) Therapie und sollen das auch nicht, aber sie bringen Menschen ins Gespräch. Fotos: © Dr. Stefanie Schmid-Altringer

Zuhören und lernen

Mit der ersten Geburt gründen Eltern eine Familie und treten mit jedem Kind in eine neue Lebensphase ein. In den meisten Fällen ist dieser Schritt mit Hoffnungen und einer positiven Vision vom Elternsein verbunden. Genauso hoffnungsvoll und motiviert starten die meisten Hebammen ihre Ausbildung und begleiten die Geburten der ihnen anvertrauten Familien. Neben Belastungen, Ängsten und Sorgen ist das Erleben von Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett also auf beiden Seiten von der Hoffnung auf eine gute Erfahrung geprägt. Die Realität von Geburtserfahrungen sieht aber für Eltern und Hebammen häufig anders aus. Dennoch sind die konkreten Ursachen und Way-out-Strategien für belastende Erfahrungen in der Geburtshilfe bisher relativ wenig im Fokus von Kliniken und Forschung.

Ein wichtiger, kostengünstig veränderbarer Faktor ist unsere Kommunikationskultur in und um die Geburtshilfe. Erzählcafés stellen dafür einen ersten Schritt dar – und vielleicht sogar eine langfristige Lösung. Denn damit die Gesundheitskommunikation rund um die Geburt wirklich gesund macht, müssen wir mehr Zuhören, Empathie für uns selbst und andere lernen, aber auch neue konstruktive Formen des Dialoges zwischen Fachleuten und Eltern entwickeln.

Gesprächsbedarf in der Geburtshilfe

Die Geburt ist keine Momentaufnahme. Sie wirkt oft lange nach und stellt häufig Weichen für Gesundheit und Zusammenleben einer Familie. Dies gilt im Positiven, aber genauso im Negativen. Zahlreiche Studien zu Aspekten von Epigenetik bis Emotionsforschung haben das bestätigt (Hoffmann et al., 2020). Was konkret eine stärkende Geburtserfahrung ermöglicht und wie sich schwierige Situationen so gut wie möglich verarbeiten lassen, diese »Gesundheitskompetenz« oder »geburtshilfliche Resilienz« wird heute im medizinischen Alltag kaum gefördert.

Die Realität an deutschen Geburtskliniken wurde in zahlreichen Artikeln und Studien diskutiert und beschrieben. Dies führte dank großen Engagements unter anderem zu der überarbeiteten S3-Leitlinie »Vaginale Geburt am Termin«, in der die zwölf Schritte der International Childbirth Initiative für eine sichere und respektvolle Betreuung aufgeführt sind. Damit Hebammen und Gynäkolog:innen die gebärenden Frauen mit Empathie, Respekt und Würde behandeln, muss das Fachpersonal eine offene und möglichst konstruktive Rückmeldung erhalten, sie annehmen und in Änderungen umsetzen können.

Dazu gehört, Müttern und Vätern ein ehrliches Feedback über ihre Geburtserfahrungen zu ermöglichen, ohne Sorge vor Nachteilen und mit der Offenheit, auch belastende Geburtserfahrungen ansprechen zu dürfen. Gesundheitskommunikation vor und während der Geburt wird heute erfreulicherweise an vielen Hochschulen für Hebammenwissenschaften als Modul angeboten. Das Pendant im Klinikalltag fehlt aber meist: eine flächendeckend etablierte Möglichkeit, das Gelingen dieser Kommunikation durch Feedback und Dialog sicherzustellen.

Ein YouTube-Video zeigt die Ziele und Möglichkeiten der Erzählcafé-Initiative.

Mehr als ein Nachgespräch

Ja, es gibt schon einige Kommunikationsangebote in der Geburtshilfe. Sie sind allerdings überschaubar.

Für die Gebärenden dient das kurze Nachgespräch in der Klinik dem reinen Entlassungsmanagement. Gleiches gilt für die erste Nachuntersuchung in der gynäkologischen Praxis, bei der persönliche Geburtserfahrungen meist keinen oder zu wenig Raum bekommen. Beratungen oder Psychotherapie kommen erst dann zum Tragen, wenn ein belastendes Geburtserlebnis bereits deutliche Spuren hinterlassen hat.

Für die Väter gibt es weder im Entlassungsgespräch noch in der Vorsorge oder im Wochenbett ein eigenes Angebot. Väter sind historisch gesehen Neulinge im Kreißsaal, denen geeignete Vorbilder fehlen. Dieses Defizit wird durch die strukturelle Nicht-Integration der Väter in den Klinikablauf und die Ohnmacht bei invasiven Interventionen deutlich verstärkt. Die daraus entstehenden Probleme der Männer wirken sich laut Väterberatern häufig auf die Paarbeziehung, die Gesundheit des Vaters und seine Beziehung zum Kind aus. (Aus diesem Grund haben wir 2022 einen Flyer für Väter mit Tipps und Links zur Vorbereitung produziert, in dem die Bedürfnisse der Männer bei der Geburt im Vordergrund stehen. Er kann kostenlos heruntergeladen werden unter > https://erzaehlcafe.net/vaeter.)

Für Hebammen und Gynäkolog:innen gibt es zwar Fortbildungen und eine verpflichtende Qualitätssicherung, dabei geht es aber in erster Linie um die medizinischen Outcomes von Müttern und Kindern. Befragungen der Eltern und interdisziplinäre oder individuelle Supervisionen, wie in psychologischen Fachgebieten üblich, sind in der Geburtshilfe eine Ausnahme, ebenso wie ein konstruktiver Meckerkasten, in den Eltern ihr schriftliches Feedback werfen können.

Die Erzählcafé-Aktion setzt genau an dieser Stelle an und konnte bereits in zahlreichen Erzählcafés in Deutschland und mittlerweile auch in anderen Ländern wie der Schweiz, Österreich, Ukraine bis hin nach Ghana zeigen, dass sorgsam moderiertes Erzählen ein wirksames Element der Gesundheitsförderung ist und Empathie fördert. Erzählcafés ersetzen keine (Trauma-)Therapie und sollen das auch nicht, aber sie bringen Menschen über Geburtsgeschichten ins Gespräch – und das kann an sich schon heilsam sein.

Erzählcafés lassen sich in Hebammenpraxen oder an Gesundheitszentren ähnlich wie Stillcafés als attraktive fortlaufende Angebote der geburtshilflichen Psychohygiene etablieren, damit die Geburtserfahrungen aller Beteiligten mehr Raum bekommen und sicher aufgehoben sind. Laut der Frauenärztin Eva Thurner nahmen viele Frauen in Wien das frühere Angebot der »Postpartum Talks« in Anspruch, wenn sie erneut schwanger wurden. Auch spezielle Erzählcafés für Schwangere in den ersten zwei Trimena könnte also ein sinnvolles Angebot von Hebammen sein. Erzählcafés können auch eine Art Runden Tisch für Geburtshilfe bilden, wie ein Beispiel aus Ghana zeigt:

»In unserem ersten Erzählcafé in der Volta-Region haben wir festgestellt, wie groß der Gesprächsbedarf ist und dass es auf allen Seiten starke Vorbehalte gibt. Die Frauen berichteten, dass ihnen der Weg in eine medizinische Einrichtung zu weit und zu teuer sei, sie haben außerdem Angst, unfreundlich behandelt zu werden. Deshalb entbinden sie weiterhin zu Hause mit den traditionellen Hebammen, die aber offiziell verboten sind. Diese Situation hat manchmal dramatische Folgen, wenn die Frauen medizinische Hilfe bräuchten, wie steriles Nahtmaterial oder Oxytocin. Umso wichtiger war es, dass im Erzählcafé zum ersten Mal alle Seiten aufeinander zugegangen sind und sich zuhörten.« (Sonja Liggett-Igelmund, Hebamme, beim ersten Erzählcafé am 9.3.2023 in Ghana/siehe auch DHZ 1/2024, Seite 44ff.)

Generationenübergreifend über Geburt zu sprechen, schafft Verständnis und baut Brücken für empathisches Zuhören.

Erzählcafés sind heilsam

Das Erzählen am Cafétisch ist getragen von den Elementen einer gelingenden, achtsamen und gewaltfreien Kommunikation. Dazu gehören beispielsweise Empathie, nicht werten, Solidarität, aufmerksam zuhören und vor allem gegenseitige Wertschätzung. Wie gesund und heilsam biografisches Erzählen in Gruppen sein kann, konnte in unterschiedlichen Projekten der sozialen Arbeit wissenschaftlich belegt werden (Dressel et al., 2023; Kaya, 2023). Dabei spielen die zugrunde liegenden Erzählcafé-Werte sicherlich eine entscheidende Rolle.

Nach unserer Erfahrung aus zehn Jahren Erzählcafé-Aktion trifft diese persönlich erlebte heilsame Wirkung auch auf Erzählcafés zu Geburten zu. Darüber hinaus unterstützen sie auf eine öffentlichkeitswirksame Weise die Umsetzung der in den zwölf Schritten geforderten Veränderungen und sind somit auch gesellschaftlich heilsam. In vielen Städten und Gemeinden haben Erzählcafés zum Beispiel die Akteur:innen der Geburtshilfe miteinander vernetzt, indem sie im übertragenen wie im wörtlichen Sinne alle Beteiligten an einen Tisch holten. Online-Erzählcafés ermöglichen diesen Effekt ebenfalls, quer durch Deutschland und über Ländergrenzen hinweg (Kohn et al., 2022).

Aber nicht nur wie erzählt wird kann heilsam wirken, sondern auch worüber. Die Erzählcafés der Erzählcafé-Aktion können thematisch offen sein oder konkrete geburtshilfliche Themen aufgreifen. Die Fülle möglicher Gesprächsthemen reicht von psychologischen Fragen (Erzählcafés für Paare, Kaiserschnitt, Bonding) über Konkretes (zum Beispiel Geburtsorte) bis hin zu historischen oder kulturellen Facetten von Geburt (Geburt von früher bis heute, Geburtsrituale) und Fortbildungsthemen für Fachpersonal.

Mitschwingen statt werten

Anders als in Diskussionen, Vorträgen und Co. wird im Erzählcafé nicht vorgetragen oder diskutiert, sondern Resonanz und Nähe ermöglicht. Durch die verschiedenen, immer persönlichen Geburtsgeschichten erweitert sich bei den meisten Teilnehmenden – erzählend und zuhörend – die individuelle Perspektive auf Themen der Geburtshilfe. Dadurch und durch die angeleitete Offenheit, mitzuschwingen statt zu werten, fühlen sich die Café-Gäste mit ihren Geschichten angenommen.

»Ich meine mit Resonanz eine Beziehung zur Welt, in der man einerseits offen ist, um sich berühren zu lassen, aber andererseits auch selber seine eigene Stimme entfalten kann und damit etwas oder jemanden erreichen kann in der Welt.« (Prof. Hartmut Rosa im Interview)

Nähe statt Entfremdung und Tabuisierung ist das Ziel, ein angreifendes Blame-on ist im Sinne der gewaltfreien Kommunikation deshalb ausdrücklich untersagt. Teilnehmende Fachfrauen müssen im Erzählcafé keine Expertinnen oder Referierenden sein, sondern dürfen sich »in einem Boot mit den Eltern« fühlen, wie es eine Hebamme beschrieben hat. Dies ermöglicht auch, der eigenen Arbeit anhand erzählter Geburtserfahrungen, die man nicht selbst verantworten muss, in einem geschützten Setting nachzuspüren oder selbst zu berichten. Umgekehrt können erzählende Mütter oder Väter offen über Belastendes sprechen, ohne Konsequenzen wie eine schlechtere Behandlung durch das Fachpersonal fürchten zu müssen.

Basiswissen Erzählcafés
Wer kann mitmachen?

Erzählcafés der Aktion sind ein offenes, partizipatives Angebot: Jede und jeder ist eingeladen, selbst aktiv zu werden und ein Erzählcafé zu veranstalten – Fachleute, Vereine und Initiativen, Eltern, Cafés, Kinos, Gemeinden und alle anderen, die sich engagieren möchten.

Wie geht das?

In den Erzählcafés findet ein offenes Gespräch im geschützten Rahmen einer Gruppe statt. Je nach Zielgruppe wird ein anderes Erzählcafé-Format ausgewählt, das die Aktion speziell für die Geburtshilfe entwickelt hat. Unterstützt durch kostenloses Methodenmaterial und ein persönliches Erzählcafé-Coaching online, finden die Veranstaltenden in einem gemeinsamen Prozess die optimale Erzählcafé-Form. Die individuellen Ressourcen und Wünsche der Gastgeber:innen, beispielsweise die eigene Arbeit als Hebamme bekanntzumachen, sind wichtiger Bestandteil.

Digitaler Dialog

Die Erzählcafé-Aktion wird finanziell ermöglicht durch Spenden oder eine Mitgliedschaft im Verein Hebammen für Deutschland e.V. Das Angebot ist kostenlos und erleichtert die konkrete Planung und Organisation. Im Gegenzug helfen die Veranstaltenden, die Idee zu verbreiten, indem sie Fotos, möglichst viele Zitate und Feedbacks aus dem Erzählcafé zurückschicken. Auf diese Weise gelingt es, die Erfahrungen vor Ort anonym über Social Media und die Website mit unserer Galerie digital weiterzutragen. Verantwortliche Akteur:innen, Politik und Forschende erhalten durch die Plattform der Aktion einen Pool von O-Tönen und damit ein Feedback zum Thema Geburt aus allen Teilen Deutschlands und über die Anerkennung der Hebammenkunst als Immaterielles Kulturerbe der UNESCO am 6. Dezember 2023 vielleicht auch weltweit.

Kreative Lösungen

Das gilt vor allem in den Erzählcafés über belastende Geburten, die sich in Bonn als fortlaufendes Kooperationsprojekt mit den Frühen Hilfen etablieren konnten (Die Erzählcafé-Aktion – seit 2021 bestehend). Sie machen das Tabuthema Respektlosigkeit und Gewalt in der Geburtshilfe, wie von Expert:innen des Arbeitskreises Frauengesundheit gefordert, öffentlich sichtbar und ermöglichen Betroffenen, aus der Abwärtsspirale von Trauma und Erschöpfung auszusteigen (Beck, 2022). Das Angebot entlastet außerdem das geburtshilfliche Fachpersonal in Kliniken und Praxen, das Mütter und Väter nach einer schwierigen Geburt auf diese therapeutisch begleiteten Erzählcafés hinweisen kann.

Durch die besondere Art des persönlichen, empathischen Dialoges über Geburtserfahrungen entwickeln sich aus den Ich-Botschaften fast immer kreative, für alle Seiten tragfähige Lösungen für Probleme. Besonders eindrucksvoll zeigte sich das in Erzählcafés nur für Fachpersonal (Impuls-ECs) und in SOS-Erzählcafés bei Schließungen von Geburtskliniken, aus denen sich im Bonner Raum zwei Hebammenhäuser entwickelten.

»Nach fast zehn Jahren Erzählcafé-Aktion können wir sagen, dass nicht polarisierendes ›Von-sich-selbst-Erzählen‹ und wertschätzendes Zuhören ein heilsames Potenzial öffnen, um Geburtserfahrungen von Eltern wie Hebammen auch im Nachhinein noch zu ändern. Deshalb ist unser Hashtag von 2023 #ChangeBirthstories.« (Stefanie Schmid-Altringer)

Save the date
10 Jahre Erzählcafé
Im Jubiläums-Erzählcafé am 3. September 2024 tauschen wir uns von 10–11.30 Uhr online über zehn Jahre Erzählcafé-Aktion aus. Spannendes aus der Praxis, erzählte Erfahrungen in den verschiedensten Kontexten, berührende Momente und engagierte Menschen sind Teil eines Festes, zu dem alle eingeladen sind.

Info: Ein Zoom-Link wird ab 1.9. auf > www.erzaehlcafe.net bereitstehen, alles weitere wird auf Social Media verbreitet.

Coaching für Gelingen und Spaß

Wichtige Voraussetzung für die positive Wirkung aller Erzählcafés sind Gesprächsregeln, eine sorgsame Moderation und eine gute Nachbearbeitung. Erzählcafés über Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett erfordern darüber hinaus einen fachlich kompetenten, sensiblen Umgang mit den intimen Themen rund um Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett. Diese Elemente und Kompetenzen gehören zum Erzählcafé-Coaching, das den Veranstaltenden kostenlos angeboten wird. Für Hochschulen gibt es ein spezielles Angebot.

Themen und konkrete Fragen, wie das Wissen um eine trauma-sensible Gesprächsführung oder wie man das Gespräch über Geburtserfahrungen moderiert, können je nach individueller Fragestellung und Ausbildung bei Bedarf vertieft werden. Ein gemeinsames Nachspüren und konkrete Ideen zur Gestaltung führen zu achtsam moderierten Erzählcafés in der Geburtshilfe, die den jeweiligen Veranstalter:innen Spaß machen.

Anders als in klassischen Erzählcafés der Sozialen Arbeit gibt es hier keinen Zweier-Talk auf dem Podium. Im Format der Erzählcafé-Aktion gibt es meist mehrere (Themen-)Tische, an denen jeweils eine Person – je nach Thema zum Beispiel eine Mutter – einen kurzen Erzähl-Impuls gibt. Danach entwickelt sich das Gespräch untereinander, um am Ende in einer Schlussmoderation auszuklingen.

Die gesammelten Zitate werden auf der Website veröffentlicht und, wenn möglich, können daraus konkrete Erzählcafé-Tipps für werdende Eltern generiert und veröffentlicht werden. Insofern unterscheiden sich klassische Erzählcafés von denen der Erzählcafé-Aktion in den Themen (Geburt und Familiengründung), der Methode (World-Café) und vor allem in der kontinuierlichen individuellen Unterstützung durch das Projektteam. So kann jede und jeder auch ohne Vorerfahrung selbst ein Erzählcafé veranstalten.

Öffentliches Statement für den Austausch

Wir verstehen jedes Erzählcafé der Aktion auch als öffentliche Aussage, dass der Austausch über Geburtserfahrungen Raum braucht und wichtig ist. Damit sich diese Überzeugung im Schneeballprinzip in unserer Gesellschaft festigt, ist es sinnvoll, das einheitliche Label »Erzählcafé« zu verwenden und in Ankündigungen wie Berichten auf die Aktion hinzuweisen.

Die Diskrepanz zwischen Ängsten und Hoffnungen vor der Geburt und dem tatsächlichen Erleben finden in jedem Erzählcafé so viel Platz, wie jeder und jede Einzelne von sich preisgeben möchte. Dies gilt für die Eltern in den normalen Erzählcafés, für Frauen mit Fluchterfahrung in den Welcome-Erzählcafés über Geburtserfahrungen, aber auch für Impuls-Erzählcafés, in denen sich das geburtshilfliche Fachpersonal austauscht. Die unterschiedlichen Formate unterstützen eine zielgruppengerechte, passende Kommunikation rund um Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett bis hin zur innovativen Sexualaufklärung in der Schule mit Junior-Erzählcafés.

Zukunftswünsche

Wünschenswert wäre es, wenn alle Fachpersonen, die regelmäßig Erzählcafés veranstalten möchten, dafür von Krankenkassen, Kliniken oder Kommunen bezahlt würden. Da die Forderungen für Verbesserungen in der Geburtshilfe klar und eindeutig die Kommunikation miteinschließen, sollte dies bei der Umsetzung des Nationalen Gesundheitszieles Geburt berücksichtigt werden.

Wichtig wäre allerdings auch, das Potenzial der Erzählcafé-Aktion langfristig zu bewahren. Dazu müssten sich Akteur:innen wie Ministerien, Kirchen oder Verbände bereit erklären, die Aktion finanziell zu unterstützen, mitzugestalten und auch nach dem Ausscheiden des jetzigen Teams aktiv weiterzuführen.

Geburtshilfe braucht konstruktiven Journalismus

Angst und Sorge prägen oft das Mindset werdender Eltern (Hoffmann, 2020). Dabei benötigen werdende Eltern, Elternbegleitende, Hebammen, Gynäkolog:innen und Klinikleitungen angesichts der Überfülle negativer Medienberichte positive Nachrichten als Gegenwicht. »Positiv« meint nicht, Probleme auszuklammern, sondern auf eine stärkende, konstruktive Weise zu berichten. Dazu soll die Erzählcafé-Aktion im Sinne des konstruktiven, lösungsorientierten Journalismus (Førli, 2022) zusammen mit »Hebammen für Deutschland e.V.« und »The Image of Birth« durch bundesweite und internationale Erzählcafés beitragen. Jedes Erzählcafé liefert einen positiven Anlass, um beispielsweise über das Engagement der Veranstaltenden und die Kraft des Austausches zu berichten – auch wenn es um schwierige Geburtserfahrungen geht.

Wie die Debatte um Gewalt in der Geburtshilfe zeigt, besteht nach wie vor ein dringender Handlungsbedarf, gegen die Ursachen belastender Erfahrungen während der Geburt vorzugehen (Arbeitskreis Frauengesundheit, 2016). Aber statt einseitig auf Notstände, Einzelschicksale, Krisen und Horrorszenarien zu fokussieren, will die Erzählcafé-Aktion ein öffentliches Zeichen für einen Ausweg setzen. Statt ohnmächtig die erlebte Erfahrung zu tabuisieren, öffnen wir einen Raum für das Gespräch darüber, was gut und was als schwierig empfunden wurde.

Diese neue Form der Gesundheitsförderung und zugleich konstruktiven Presse- und Öffentlichkeitsarbeit soll das Gemeinschaftsgefühl stärken, Lösungen für werdende Eltern aller Kulturen und neue Perspektiven für Fachpersonen ermöglichen, regional und überregional vernetzen und dadurch ein solidarisches interdisziplinäres Miteinander für eine hoffnungsvollere Geburtskultur ermöglichen. Jedes Erzählcafé liefert den Content dafür, zum Beispiel durch die Aktion »Mutmacher:innen gesucht!« Dabei wurden praktische Tipps und stark machende Erfahrungen rund um Geburten gesammelt, die wir nach und nach als konstruktive Botschaften auf Social Media unter dem Hashtag #ChangeBIRTHSTORIES gepostet haben.

Zitiervorlage
Schmid-Altringer, S. (2024). #ChangeBIRTHSTORIES: Erzählcafés machen Mut. Deutsche Hebammen Zeitschrift, 76 (4), 70–75.
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