Coaching für Gelingen und Spaß
Wichtige Voraussetzung für die positive Wirkung aller Erzählcafés sind Gesprächsregeln, eine sorgsame Moderation und eine gute Nachbearbeitung. Erzählcafés über Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett erfordern darüber hinaus einen fachlich kompetenten, sensiblen Umgang mit den intimen Themen rund um Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett. Diese Elemente und Kompetenzen gehören zum Erzählcafé-Coaching, das den Veranstaltenden kostenlos angeboten wird. Für Hochschulen gibt es ein spezielles Angebot.
Themen und konkrete Fragen, wie das Wissen um eine trauma-sensible Gesprächsführung oder wie man das Gespräch über Geburtserfahrungen moderiert, können je nach individueller Fragestellung und Ausbildung bei Bedarf vertieft werden. Ein gemeinsames Nachspüren und konkrete Ideen zur Gestaltung führen zu achtsam moderierten Erzählcafés in der Geburtshilfe, die den jeweiligen Veranstalter:innen Spaß machen.
Anders als in klassischen Erzählcafés der Sozialen Arbeit gibt es hier keinen Zweier-Talk auf dem Podium. Im Format der Erzählcafé-Aktion gibt es meist mehrere (Themen-)Tische, an denen jeweils eine Person – je nach Thema zum Beispiel eine Mutter – einen kurzen Erzähl-Impuls gibt. Danach entwickelt sich das Gespräch untereinander, um am Ende in einer Schlussmoderation auszuklingen.
Die gesammelten Zitate werden auf der Website veröffentlicht und, wenn möglich, können daraus konkrete Erzählcafé-Tipps für werdende Eltern generiert und veröffentlicht werden. Insofern unterscheiden sich klassische Erzählcafés von denen der Erzählcafé-Aktion in den Themen (Geburt und Familiengründung), der Methode (World-Café) und vor allem in der kontinuierlichen individuellen Unterstützung durch das Projektteam. So kann jede und jeder auch ohne Vorerfahrung selbst ein Erzählcafé veranstalten.
Öffentliches Statement für den Austausch
Wir verstehen jedes Erzählcafé der Aktion auch als öffentliche Aussage, dass der Austausch über Geburtserfahrungen Raum braucht und wichtig ist. Damit sich diese Überzeugung im Schneeballprinzip in unserer Gesellschaft festigt, ist es sinnvoll, das einheitliche Label »Erzählcafé« zu verwenden und in Ankündigungen wie Berichten auf die Aktion hinzuweisen.
Die Diskrepanz zwischen Ängsten und Hoffnungen vor der Geburt und dem tatsächlichen Erleben finden in jedem Erzählcafé so viel Platz, wie jeder und jede Einzelne von sich preisgeben möchte. Dies gilt für die Eltern in den normalen Erzählcafés, für Frauen mit Fluchterfahrung in den Welcome-Erzählcafés über Geburtserfahrungen, aber auch für Impuls-Erzählcafés, in denen sich das geburtshilfliche Fachpersonal austauscht. Die unterschiedlichen Formate unterstützen eine zielgruppengerechte, passende Kommunikation rund um Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett bis hin zur innovativen Sexualaufklärung in der Schule mit Junior-Erzählcafés.
Zukunftswünsche
Wünschenswert wäre es, wenn alle Fachpersonen, die regelmäßig Erzählcafés veranstalten möchten, dafür von Krankenkassen, Kliniken oder Kommunen bezahlt würden. Da die Forderungen für Verbesserungen in der Geburtshilfe klar und eindeutig die Kommunikation miteinschließen, sollte dies bei der Umsetzung des Nationalen Gesundheitszieles Geburt berücksichtigt werden.
Wichtig wäre allerdings auch, das Potenzial der Erzählcafé-Aktion langfristig zu bewahren. Dazu müssten sich Akteur:innen wie Ministerien, Kirchen oder Verbände bereit erklären, die Aktion finanziell zu unterstützen, mitzugestalten und auch nach dem Ausscheiden des jetzigen Teams aktiv weiterzuführen.
Geburtshilfe braucht konstruktiven Journalismus
Angst und Sorge prägen oft das Mindset werdender Eltern (Hoffmann, 2020). Dabei benötigen werdende Eltern, Elternbegleitende, Hebammen, Gynäkolog:innen und Klinikleitungen angesichts der Überfülle negativer Medienberichte positive Nachrichten als Gegenwicht. »Positiv« meint nicht, Probleme auszuklammern, sondern auf eine stärkende, konstruktive Weise zu berichten. Dazu soll die Erzählcafé-Aktion im Sinne des konstruktiven, lösungsorientierten Journalismus (Førli, 2022) zusammen mit »Hebammen für Deutschland e.V.« und »The Image of Birth« durch bundesweite und internationale Erzählcafés beitragen. Jedes Erzählcafé liefert einen positiven Anlass, um beispielsweise über das Engagement der Veranstaltenden und die Kraft des Austausches zu berichten – auch wenn es um schwierige Geburtserfahrungen geht.
Wie die Debatte um Gewalt in der Geburtshilfe zeigt, besteht nach wie vor ein dringender Handlungsbedarf, gegen die Ursachen belastender Erfahrungen während der Geburt vorzugehen (Arbeitskreis Frauengesundheit, 2016). Aber statt einseitig auf Notstände, Einzelschicksale, Krisen und Horrorszenarien zu fokussieren, will die Erzählcafé-Aktion ein öffentliches Zeichen für einen Ausweg setzen. Statt ohnmächtig die erlebte Erfahrung zu tabuisieren, öffnen wir einen Raum für das Gespräch darüber, was gut und was als schwierig empfunden wurde.
Diese neue Form der Gesundheitsförderung und zugleich konstruktiven Presse- und Öffentlichkeitsarbeit soll das Gemeinschaftsgefühl stärken, Lösungen für werdende Eltern aller Kulturen und neue Perspektiven für Fachpersonen ermöglichen, regional und überregional vernetzen und dadurch ein solidarisches interdisziplinäres Miteinander für eine hoffnungsvollere Geburtskultur ermöglichen. Jedes Erzählcafé liefert den Content dafür, zum Beispiel durch die Aktion »Mutmacher:innen gesucht!« Dabei wurden praktische Tipps und stark machende Erfahrungen rund um Geburten gesammelt, die wir nach und nach als konstruktive Botschaften auf Social Media unter dem Hashtag #ChangeBIRTHSTORIES gepostet haben.