Fotos vom und mit dem Kind sind von großer Bedeutung. Die Eltern haben ein Recht darauf zu erfahren, wie wichtig die Fotos sind und in Zukunft für sie sein können. In der Praxis ärgern sich viele Eltern im Nachhinein, dass ihnen die Wichtigkeit der Fotos nicht ausdrücklicher nahegelegt wurde. Es gibt nur diese eine Möglichkeit, wertvolle Erinnerungen zu schaffen. Sollten Eltern vorerst keine Fotos von ihrem Kind sehen wollen, ist es nach Rücksprache ratsam, Fotos in einem verschlossenen Umschlag mitzugeben oder in der Akte abzulegen. Die Eltern bestimmen den Zeitpunkt selbst, wann sie die Fotos ansehen. Zu den Erinnerungsstücken zählt auch die Geburtskarte mit Fußabdrücken. In einer vorgefertigten Erinnerungsbox liegt immer eine Geburtskarte dabei. Hat das Kind lange oder viele Haare, kann man die Eltern fragen, ob sie eine Strähne behalten möchten.
Zum Kennenlernen und gleichzeitigem Verabschieden gehört – sofern es umsetzbar ist – auch das Baden, Wickeln und Anziehen des Kindes. Viele Eltern möchten gern ein einziges Mal diese »alltäglichen« Dinge mit ihrem Kind erleben.
Eine Segnung, bei Lebendgeburt eine Taufe, gibt Eltern die Möglichkeit für etwas Frieden in der Situation. Segnen darf jede:r, Taufen nur Pastor:innen. Im Falle einer Bestattung, unabhängig von der Bestattungspflicht nach der Personenstandsgesetzes (§ 31 PStV, 2022), können die Eltern das Bestattungsinstitut frei wählen. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass sich Bestatter:innen oftmals mit den Eltern auf eine Bezahlung außerhalb der geläufigen Gebühren einigen oder diese ganz erlassen.
Persönliche Kompetenzen
Die Geburtshilfe an sich ist ein sehr sensibler (Arbeits-)Bereich mit intensiv emotionaler Anteilnahme. Verstirbt ein Kind vor, während oder nach der Geburt, potenziert sich die Emotionalität noch einmal. Hier liegt die Krux, mit der einzelne Fachpersonen durch persönliche Kompetenzen und eigene Erfahrungen unterschiedlich zurechtkommen. Folgende Frage sollte sich medizinisches Personal grundsätzlich stellen: Bin ich Betroffene:r oder Begleiter:in? Kann ich mich abgrenzen oder bin ich zu sehr (emotional) involviert? Trifft letzteres zu, ist es ratsam, die Begleitung von Sternenkindeltern an Kolleg:innen abzugeben.
Besonders in Ausnahmesituationen funktioniert der Automatismus, mit dem viele Beschäftigte im Gesundheitswesen ihre Arbeit bewältigen, nur bedingt oder gar nicht. Hier kommt die sogenannte professionelle Distanz ins Spiel. Die Betroffenen unterscheidet von den Begleiter:innen, dass sie selbst an dem Geschehen beteiligt sind, was tiefe Gefühle auslöst und sie häufig erst einmal handlungsunfähig macht. Betroffene können sich schlecht oder gar nicht abgrenzen und suchen nach Halt (siehe Abbildung 4). Im Gegensatz dazu sind Begleiter:innen nicht direkt selbst beteiligt und empfinden keine tiefen Gefühle. Hierdurch können sie sich (im besten Fall) gut abgrenzen und bleiben handlungsfähig. Statt Mitleid empfinden sie Mitgefühl, das ihnen durchaus erlaubt, den Eltern gegenüber Emotionen offen zu zeigen. Wenn die Begleiter:innen selbst oder im persönlichen Umfeld vergleichbare Ereignisse erlebt haben, besteht das Risiko, sich nicht professionell abgrenzen und die Eltern nicht bedarfsgerecht begleiten zu können. Zudem kann es durch mangelnde oder fehlende Copingstrategien zu einer Sekundärtraumatisierung führen (vgl. Daniels, 2010).
Qualitäten der Begleitung
Medizinisches Fachpersonal wird von den Eltern als »Rettungsanker« gesehen und wahrgenommen. Daher ist es wichtig, dass direkte Ansprechpartner:innen in ihrem Auftreten und Verhalten kongruent, wertschätzend und wertfrei bleiben. Nützlich sind aktives Zuhören und eine ressourcenorientierte Gesprächsführung (siehe Abbildung 5). Um die Bedarfe der Eltern richtig einzuschätzen, werden alle vier Ohren genutzt – Sachohr, Apell-Ohr, Beziehungsohr und Selbstkundgabe (nach Schulz von Thun, 2015). Die Eltern sollen in dem Moment 100 % der Aufmerksamkeit erfahren.
Trost mit den passenden Worten auszusprechen, fällt nicht immer leicht. Die Eltern und ihre Familien möchten in ihrer Trauer und ihrem Schmerz wahrgenommen werden. Wir alle wissen, dass man einen Menschen nicht ersetzen kann. Es geht um die Anerkennung und die Existenz der Kinder. Dazu gehört es, die Situation anzunehmen, auszuhalten und wahrzunehmen. Es geht darum, die Heilung zu unterstützen, nicht das Ereignis ungeschehen zu machen. Eine Wortlosigkeit darf gegenüber den Eltern zugegeben werden. In manchen Gesprächen stehen Empathie und Mitgefühl im Vordergrund, statt fachliche Logik.
Selbstfürsorge
Sobald wir mit anderen Menschen interagieren, sie begleiten oder in jeglicher Form kommunizieren, nehmen wir immer unbewusst Emotionen aus dieser Interaktion mit auf. Begleitung ist nie einseitig (vgl. Spiegelneuronen, z.B. Hickok, 2015). Mit Menschen in Extremsituationen zu arbeiten, bringt immer ein Nähe-Distanz-Verhältnis mit sich. Sich dem hinzugeben und sich auf Situation und Menschen einzulassen, gehört für medizinisches Fachpersonal zum Arbeitsalltag. Mindestens genauso wichtig ist es jedoch, auf die eigene innerliche Grenze zu achten. Es ist also von enormer Bedeutung, dass wir lernen, unser persönliches Stresssystem herunterzufahren, unsere Kraftquellen zu kennen und zu nutzen, um die eigenen Ressourcen zu stärken. Neben ausreichend Bewegung oder Sport, ausgewogener Ernährung und genügend Schlaf, gibt es unzählige individuelle Strategien, um abzuschalten und Kraft zu tanken. Energiequellen können sein: in die Natur gehen, Sport treiben, Freunde treffen oder über das Erlebte sprechen. Eine zusätzliche Maßnahme ist regelmäßige Teamsupervision, die allerdings auch als solche genutzt werden sollte und nur in einer vertrauensvollen, geschützten Teamrunde möglich ist. Unverarbeitete Emotionen setzen sich im Körper fest. Wenn diese dort nicht wieder gelöst werden, komprimieren und potenzieren sie sich zu unerwarteten Blockaden und Erkrankungen.
Um regelmäßig mit sich selbst in Kontakt zu treten und die eigenen Bedürfnisse zu kennen, sind kleine Routinen zur Selbstfürsorge im Alltag zu empfehlen. Zwei Beispielübungen hierfür sind: 1. Ruhiges und bewusstes Atmen und In-sich-Hineinfühlen, wo es gerade im Körper zu Spannungen kommt. Diesem Gefühl nachgehen und in der entsprechenden Körperregion für Entspannung sorgen. 2. Sich selbst Fragen stellen: Was brauche ich gerade am meisten? Auch hier gilt es, die entsprechende Ressource zu aktivieren, um für sich selbst zu sorgen.