Noch vor wenigen Jahren galt Sport während der Schwangerschaft als Tabu. Mittlerweile ist bekannt: Angemessenes Training verbessert beziehungsweise erhält die Gesamtkonstitution der werdenden Mutter. Es gilt als erwiesen, dass sportliche Frauen weniger über körperliche Beschwerden wie beispielsweise Rückenschmerzen oder Inkontinenz klagen.
Darüber hinaus können Ausdauer, Kraft, Beweglichkeit und Koordination besser erhalten bleiben, so dass die Schwangerschaft weniger anstrengend und die Regeneration im Wochenbett unproblematischer ist (Drewes 2011). Doch was bedeutet „angemessenes Training”? Wichtig ist es, einige Sicherheitsregeln einzuhalten und das Training zu verändern.
Sicherheitsregeln
Einer gesunden Schwangeren sollten Hebammen regelmäßiges pränatales Training als wohltuend und gesundheitsfördernd nahelegen. Liegen Besonderheiten vor, wie beispielsweise eine Mehrlingsschwangerschaft oder eine Beckenendlage im letzten Trimenon, sollte mit der behandelnden Gynäkologin oder dem Gynäkologen beraten werden, ob sportliche Betätigung erlaubt ist. Schwangere mit bestimmten Risiken oder Krankheiten müssen generell auf Sport verzichten. Die folgenden Kontraindikationen sind angelehnt an die derzeit gültigen Richtlinien des American College of Obstetricians an Gynecologists (ACOG). In diesen Fällen sollten Schwangere generell auf Sport verzichten:
- wenn eine fetale Minderversorgung besteht
- wenn erhöhte Anfälligkeit für frühzeitige Wehen besteht
- wenn die Frau stark über- oder stark untergewichtig ist
- wenn die Frau oder der Fötus zu wenig Gewicht zunimmt
- wenn eine akute Krankheit vorliegt (beispielsweise Erkältung, Darminfektion) oder kürzlich eine auskuriert wurde
- bei einer vorzeitigen Verkürzung des Gebärmutterhalses
- bei chronischer Herz- oder Lungenerkrankung
- bei Anämie (Blutarmut)
- bei Bluthochdruck
- bei Schilddrüsenerkrankung
- bei schlecht eingestellter Diabetes Typ 1.
Risiken für das Kind sind bei angemessenem Pränataltraining nicht gegeben. Bei moderater sportlicher Belastung steigt die Kerntemperatur der Mutter nicht über 39 Grad an, so dass kein Überhitzungsrisiko besteht (Kakan & Kuhn 2004).
Um Risiken für das Ungeborene auszuschließen, müssen folgende Sicherheitsregeln beachtet werden: Hochintensive Belastungen, wie sie beispielsweise bei leistungsbezogenem oder bei Intervalltraining entstehen, sind zu vermeiden. Weiterhin sollten Schwangere bei Umgebungstemperaturen über 29 Grad vorsichtshalber auf das Training verzichten. Und um eine Dehydration zu vermeiden, müssen sie auf ausreichend Flüssigkeitszufuhr achten.
Veränderungen der Trainingsgewohnheiten
Das Ziel von pränatalem Training ist die Unterstützung beziehungsweise Vitalisierung des Körpers. Um Über- oder Fehlbelastung auszuschließen, muss die Frau ihre sportlichen Aktivitäten den besonderen körperlichen Bedingungen der Schwangerschaft anpassen. Konkret bedeutet das:
- Wahl einer Sportart mit der passenden Bewegungsform
- angepasste Steuerung der Übungsauswahl und Intensität.
Einige Sportarten müssen Schwangere von vornherein ausschließen, andere bergen Risiken, wiederum andere sind besonders empfehlenswert:
- Extremsport wie zum Beispiel Paragliding, Tieftauchen, Kitesurfen, Motorradakrobatik, Marathon oder Eisschwimmen birgt sowohl für den mütterlichen als auch für den kindlichen Organismus große Risiken.
- Jeglicher Wettkampfsport bringt die Frau während des Trainings, aber vor allem im Wettkampf an ihre körperlichen Grenzen. Der Ehrgeiz in Kombination mit Adrenalin bewirkt eine viel zu hohe Belastung.
- Alle Kontaktsportarten, die Kämpfe um den Ball beinhalten und/oder viele „Rangeleien” mit sich bringen, bergen das Risiko von Schlägen oder Stößen in den Bauch (beispielsweise Fußball, Handball, Hockey, Kampfsport).
- Sportarten mit Sturzrisiko sind nicht per se ungeeignet, sie stellen jedoch ein Risiko dar, wenn die Frau stürzt (zum Beispiel Wintersport, Reiten oder Klettern). Ein Sturz würde direkt oder indirekt (Operation, Medikamentengabe) die Gesundheit von Mutter und/oder Kind beeinträchtigen.
Die Lieblingssportart betreiben
Grundsätzlich sollte die Schwangere ihre Lieblingssportart betreiben, solange diese nicht zu den ungeeigneten gehört. Die Freude daran ist im Hinblick auf das mütterliche Wohlbefinden ein guter Ratgeber bei der Auswahl der Sportart.
Bewegung an der frischen Luft ist sehr vitalisierend! Wird dies mit der Zeit beschwerlicher, können die Frauen mit kleinen Tricks bis ins dritte Trimenon hinein draußen aktiv sein: Zum Beispiel ist ein bequemes Hollandrad auch für „Riesenbäuche” noch geeignet, beim Spazierengehen kann man sich mit guten Sportschuhen und Nordic-Walking-Stöcken helfen.
Laufen ist im Zusammenhang mit der Schwangerschaft immer wieder ein heiß diskutiertes Thema. Es gehört nicht zu den ungeeigneten Sportarten, allerdings ist es auch nicht uneingeschränkt zu empfehlen. In den ersten 18 Schwangerschaftswochen erhöhen stoßbelastende Sportarten das Risiko für eine Fehlgeburt, danach ist ein moderates Lauftraining wieder möglich. Allerdings entsteht dabei eine Aufprallbelastung für den Bewegungsapparat, die in etwa dem Dreifachen des Körpergewichts entspricht. Gerade die Problembereiche Beckenring, Lendenwirbelsäule und Beckenboden müssen demnach hohe Belastungen tragen. Passionierte Läuferinnen möchten auf ihr Ausdauertraining aber ungern verzichten. Hier kann die Hebamme folgende Richtlinien aussprechen: Vor der 18. Woche sollte ein stoßarmes Ausdauertraining gewählt werden (zum Beispiel Elypsentrainer, Radfahren oder Schwimmen), ab der 19. Woche sollten die Frauen aufmerksam in ihren Körper hineinhorchen. Spüren sie während oder nach dem Lauf irgendeinen Druck, Zug, Schmerz oder ein „komisches Gefühl” im Bereich Becken/unterer Rücken, ist dies ein Zeichen für Überbelastung der knöchernen und/oder muskulären Strukturen. Bei einer Zweit- oder Drittschwangerschaft treten diese Anzeichen in der Regel früher auf als bei der ersten. Auch Energie- oder Lustlosigkeit sind Zeichen des Körpers, dass auf ein stoßarmes Ausdauertraining umgestiegen werden muss.
Gerätetraining im Fitnessclub können Schwangere bis ins dritte Trimenon hinein betreiben. An den Kraftgeräten dürfen sie ein moderates Kraftausdauertraining absolvieren. Für ein stoßarmes Herz-Kreislauf-Training empfehlen sich Crosstrainer (Elypsentrainer), Ergometer (Standfahrrad) und Liegeergometer (Liegefahrrad). Diese Ausdauergeräte ermöglichen bis ins dritte Trimenon hinein ein risikofreies, stoßarmes Herz-Kreislauf-Training.
Abzuraten ist in jedem Fall von Fitness- und Gymnastikkursen, die eine hohe Trainingsbelastung oder schnellkräftige, schwer kontrollierbare Bewegungen mit sich bringen. Derzeit liegen gerade solche Kursformate im Trend, sie heißen zum Beispiel „High-Intensity-Workout”, „Body-Attack”, „deepWORK” und bedienen den Wunsch nach Leistungsfähigkeit und Schlankheit. Gemäßigte Kurse wie die Klassiker „Bauch-Beine-Po”, „Rückenfit” oder „Body-Workout” können Schwangere jedoch bis ins dritte Trimenon hinein besuchen. Wichtig ist, dass sie wissen, wie sie im Kursgeschehen die Intensität drosseln und Übungsvarianten einbauen können (siehe Abbildungen).
Tanzen ohne hohe Sprünge oder schnelle Drehungen ist gemeinhin bis ins dritte Trimenon hinein gut geeignet. Es fördert auf moderate Weise Kraft, Beweglichkeit und Ausdauer, außerdem schult es Haltung und Körperbewusstsein. Aufgrund der instabilen Gelenke wird häufig geschlussfolgert, Schwangere sollten nicht dehnen, um die Gelenke nicht zu ruinieren. Das ist so nicht richtig. Moderates Stretching in langsamem Tempo und bis hin zur Dehnschwelle, also solange das Zuggefühl noch angenehm ist, sowie Mobilisationsübungen tun in der Schwangerschaft sehr gut. Zu vermeiden sind passives Dehnen durch einen Trainingspartner sowie ruckartiges Strecken.
Sehr gut geeignet ist Aqua-Training. Vor allem mit steigendem Körpergewicht ist das Wasser ein angenehmer Bewegungsort. Im Wasser kann eine Schwangere auch ohne Anleitung trainieren, da nur langsame Bewegungen möglich sind und der Körper rundherum „gepuffert” wird. Der Wasserwiderstand erzeugt einen ausreichenden Trainingseffekt, wobei keine Überbeanspruchung entstehen kann. Ein besonderer Clou ist die entwässernde Wirkung des Aquatrainings. Gerade Frauen mit geschwollenen Fingern, Gelenken, Beinen oder Füßen bringt es Linderung. Aqua-Joggen, Aqua-Fitness und Schwimmen sind sehr zu empfehlen. Da Brustschwimmen eine Hyperlordose in Hals- und Lendenwirbelsäule mit sich bringt, kann dies im dritten Trimenon unangenehm werden. Kraulen und Rückenschwimmen können die Frauen jedoch bis zur Geburt.
Wenn die Frauen schon vor ihrer Schwangerschaft Yoga oder Pilates ausgeübt haben, können sie dies bis ins dritte Trimester hinein weiter tun. Wichtig ist, dass sie wissen, wie sie im Kursgeschehen die Intensität drosseln und Übungsvarianten einbauen können. Frauen, die nicht im Pilates oder Yoga geübt sind, sollten nur Kurse besuchen, die speziell für Schwangere ausgeschrieben sind.
Schwangerschaftsgymnastik oder andere Pränatalkurse wirken sich besonders positiv aus, da sie die schwangerschaftsbedingten Schwachstellen unterstützen beziehungsweise aufbauen. Zum Beispiel wird der Druck auf das Becken und den Beckenbodenmuskel reduziert. Die Schwangere verbessert ihre Körperhaltung und lernt trotz wachsenden Bauchs eine rückengerechte Haltung einzunehmen. Außerdem werden hier geburtsvorbereitende Atem- und Beckenbodenschulungen eingebaut.
Besonderes Training in der Schwangerschaft
Unabhängig davon, welche Sportart eine Schwangere betreibt, sind die folgenden Modifikationen des Trainings notwendig.
Für das Ausdauertraining gilt: Herz-Kreislauf-betonte Sportarten, auch Ausdauersportarten genannt, sind zum Beispiel Wandern, Nordic Walking, Radfahren, Aquatraining oder das Ausdauertraining im Fitnessstudio. Während des Trainings sollte die Herzfrequenz pro Minute nicht über 140 steigen. Wer kein Herzfrequenzmessgerät besitzt, ermittelt die richtige Belastung mittels Sprechtest: Die Frau muss immer in der Lage sein, eine Konversation aufrechtzuerhalten. Wenn sie beim Sport in der Schwangerschaft so aus der Puste kommt, dass sie sich kaum noch unterhalten kann, belastet sie sich zu stark.