Das erste Baby
Nur zwei Tage nach der Eröffnung erblickte damals ein gesunder Junge mit einem Gewicht von drei Kilogramm das Licht der Welt. Ein kräftiger Junge bedeutet in Nepal ein besonders gutes Omen für die Zukunft. Zum ersten Mal erlebte eine Frau in dieser Bergregion eine menschenwürdige Geburt – unter Fürsorge, Schutz und fachkundiger Unterstützung durch eine Hebamme, eine Krankenschwester und AssistentInnen. Allein in diesem ersten Geburtshaus werden nun pro Jahr etwa 30 Babys geboren. Die Dorfgemeinschaft ist stolz auf diese Innovation. Die Frauen sind dankbar und erleichtert, denn für sie ist es nicht weniger als eine Revolution. Oft bekommen sie ihr erstes Kind mit 16 bis 17 Jahren, manchmal früher. Am Ende sechsfache Mutter zu sein, ist keine Seltenheit in Mugu.
Das harte Leben in den Bergen fordert dabei seinen Tribut: Junge Frauen wirken oft viel älter. Die harschen Bedingungen, die mangelhafte Versorgung und die vielen Geburten haben ihre Körper gezeichnet. Durchschnittlich liegt die Lebenserwartung nach den letzten Erhebungen bei nur 44 Jahren. Back to Life arbeitet unentwegt daran, dass diese steigt.
Mittlerweile sind die Geburtshäuser zu einer echten Erfolgsgeschichte geworden: Über 390 „Back to Life-Babys“ wurden dort mittlerweile sicher und unter kontrollierten Bedingungen geboren. Durch die Eröffnung von zwei weiteren Geburtshäusern im Dezember 2016 kam diese Entwicklung sich nun noch beschleunigen. Es ist abzusehen, dass noch in diesem Jahr das 500. Baby geboren wird. Die Teams der Häuser behandeln jede Frau und die Babys mit größter Sorgfalt. Treten nicht allzu schlimme Geburtsverletzungen auf, wird bisher auf eine natürliche Heilung gesetzt und keine spezielle Behandlung durchgeführt. Bis heute verstarb weder eine Mutter, noch ein einziges Kind in einem Geburtshaus.
Alles scheint unter einem guten Stern zu stehen. Kommt es aber doch einmal zu unvorhersehbaren Komplikationen, die das Team nicht behandeln kann, werden die Patientinnen umgehend in ein Krankenhaus ausgeflogen. So geschehen im Dezember 2015: Eine 18-Jährige hatte eine Placenta praevia. Nach rechtzeitiger Überführung in das Krankenhaus konnte das Kind sieben Wochen später per Kaiserschnitt gesund geboren werden.
Das medizinische Personal hat rund um die Uhr vielfältige Aufgaben zu bewältigen. Schon lange vor der eigentlichen Geburt beginnt die Arbeit mit den zukünftigen Müttern: Zu einem frühestmöglichen Zeitpunkt werden die Schwangerschaftsuntersuchungen durchgeführt. Anschließend wird die Geburt vorbereitet und begleitet, um einen sicheren Ablauf zu gewährleisten. Aber auch die Aufklärungsarbeit gehört zu den vielen Aufgaben des Teams: Familienplanung, Verhütung, Geschlechtskrankheiten und HIV sind Themen, die immer wieder vermittelt werden. Dazu kommen Workshops zum Thema Kinderehen sowie diverse Trainings für Hygiene und Gesundheitsvorsorge – wie zum Beispiel das Erlernen, wie ein Baby richtig zu baden ist oder welche Ernährung für eine gesunde Entwicklung des Kindes Voraussetzung ist.
Indigene Hebammen
Weitere Geburtshäuser werden die Mütter- und Kindersterblichkeitsrate in Mugu merklich senken. Deshalb wird die Idee mit großem Erfolg von Back to Life in weitere Dörfer getragen. Grundsätzlich heißt es dabei: Hilfe zur Selbsthilfe. Um die Verantwortung langfristig an die BewohnerInnen zu übergeben, ermöglicht die Hilfsorganisation jungen Frauen aus den Dörfern die zweijährige Ausbildung zur Hebamme oder die viermonatige Ausbildung zur Krankenpflegerin mit Schwerpunkt Geburtshilfe.
Um den Betrieb starten zu können, fand man nach sorgfältiger Suche in den Dörfern und der Umgebung gelerntes Personal – mit entsprechender Berufserfahrung im lokalen Krankenhaus oder einem Health Post („Erste-Hilfe-Station“). Wenn aber die jungen Frauen ausgebildet sind, kehren sie in ihre Dörfer zurück und werden die Geburtshäuser weiterführen. Dafür sorgt indirekt auch das nepalesische Gesundheitsministerium, das die Geburtshäuser von Back to Life bezüglich aller nötigen Standards abnimmt und sie zu offiziellen Health Posts macht: Frauen, die ihre Kinder hier bekommen, erhalten eine kleine Prämie.
In weiterer Zukunft könnten diese Prämien genutzt werden, um den fortlaufenden Betrieb sogar ohne die Hilfe von Back to Life fortzusetzen. Ein Konzept, das auf Nachhaltigkeit setzt und jegliche Form von Abhängigkeit vermeiden will. Stella Deetjen plant, in ein paar Jahren alle abgelegenen Bereiche von Mugu mit Geburtshäusern ausgestattet zu haben. Das ist noch ein weiter Weg, auch weil die schweren Erdbeben von 2015 für viele neue Aufgaben in Nepal gesorgt haben.