Die Wahrscheinlichkeit einer hypertensiven Schwangerschaftserkrankung in einer Folgeschwangerschaft ist deutlich erhöht. Foto: © natapetrovich/stock.adobe.com
Zum Formenkreis der hypertensiven Erkrankungen bei Schwangeren zählt die chronische Hypertonie, das heißt eine präkonzeptionell oder im ersten Trimester diagnostizierte Hypertonie und die Gestationshypertonie mit Blutdruckwerten von ≥ 140/90mmHg, die in der Schwangerschaft neu aufgetreten sind. Weiter sind die Proteinurie, die Präeklampsie, das HELLP-Syndrom und die Eklampsie miteinbegriffen (AWMF, 2019).
In 6 bis 8 % aller Schwangerschaften treten hypertensive Erkrankungen auf. Bei bis zu einem Viertel der Frauen, die in der Schwangerschaft sterben, liegt auch eine Hypertonie vor. Somit zählt sie zu den häufigsten maternalen Todesursachen in Europa und weltweit. 10 bis 15 % der Todesfälle bei Müttern korrelieren mit einer Präeklampsie oder einer Eklampsie (Lo et al., 2013). In etwa 20 % der Fälle tritt die Problematik in der postpartalen Phase auf.
Eine kausale Therapie gibt es aktuell nicht. Die Therapie erfolgt symptomatisch und zielt auf die Risikominimierung der mütterlichen und kindlichen Morbidität sowie Mortalität ab. Sie beinhaltet nicht nur die präpartale Behandlung, sondern auch das postpartale Management im Kreißsaal, auf der Intensivstation und auf der Wochenbettstation.
Der Fokus liegt auf der kardiovaskulären Überwachung und gegebenenfalls der antihypertensiven Therapie, um die Gefahr einer Verschlimmerung und damit das prä- und peripartale Risiko für Mutter und Kind zu vermindern. Die Ursache der rein schwangerschaftsinduzierten hypertensiven Erkrankungen ist mit der vollständigen Entfernung der Plazenta im Rahmen der Geburt beseitigt. Dennoch reguliert sich ein erhöhter Blutdruck oft erst mehrere Wochen nach der Geburt. In dieser Phase gilt es, das Stillen und die Förderung der Mutter-Kind-Bindung mit einer eventuell notwendigen antihypertensiven Therapie in Einklang zu bringen.
In der Geburtshilfe wird die Hypertonie in eine milde/moderate Form (140 bis 159/90 bis 109 mmHg) und in eine schwere Hypertonie (≥=160/110 mmHg) eingeteilt. Dieselben Grenzwerte gelten für eine Gestationshypertonie sowie für eine Hypertonie, die in der Stillzeit neu auftritt.
Wiederholte Werte > 140/90 mmHg bedürfen der weiteren Abklärung, ebenso wie ein einmalig unter optimierten Bedingungen gemessener Wert von ≥= 160/ 100 mmHg. Die Blutdruckmessung sollte nach einer ausreichenden Ruhephase in sitzender Position mit geeichten Geräten und dem Oberarmumfang angepassten Blutdruckmanschetten erfolgen. (AWMF, 2019; Brown et al., 2001; Brown et al., 1998).
Wenn eine Schwangere unter einer schweren Hypertonie leidet, hat sie ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen wie ein Schlaganfall, für eine Präeklampsie mit Nierenversagen und für eine Frühgeburt. Die S2k-Leitlinie empfiehlt, ab Blutdruckwerten von 150 bis 160/100 bis 110 mmHg eine medikamentöse Therapie zu beginnen. Bei Werten ≥= 160/110 mmHg soll dies unter stationären Bedingungen erfolgen (AWMF, 2019; Martin et al., 2005; Schlembach et al., 2015).
Zur oralen Langzeittherapie bei Werten > 150/100 mmHg eignet sich Alpha-Methyldopa und Nifedipin retard. In Österreich und der Schweiz kann ebenso Labetalol eingesetzt werden. Dies empfiehlt ebenfalls die englische NICE-Leitlinie. Nur eingeschränkt ist die Einnahme von selektiven β-1-Rezeptor Blockern möglich, da sie ein erhöhtes Risiko für fetale Entwicklungsstörungen mit sich bringt. Nicht geeignet sind Diuretika, ACE-Hemmer und Angiotensin AT1-Antagonisten (AWMF, 2019 NICE, 2019).
Zur kurzfristigen intravenösen Therapie einer schweren Hypertonie (hypertensive Krise) bei Schwangeren mit Werten > 160/110 mmHg dürfen in Deutschland Urapidil, Nifedipin und Dihydralazin gegeben werden. Labetalol i. v. darf in Österreich, der Schweiz und Großbritannien in der Akutphase angewandt werden. Zudem sollte zur Eklampsieprophylaxe Magnesiumsulfat i. v. verabreicht werden (AWMF, 2019; NICE, 2019).
Die einzige kausale Therapie der Präeklampsie stellt die Geburt dar. Die Indikation zur Beendigung der Schwangerschaft hängt vom Schweregrad der Präeklampsie und dem Schwangerschaftsalter ab. Hierbei gilt es unter Abwägen des fetalen und maternalen Risikos eine Frühgeburtlichkeit möglichst zu vermeiden. Ab der vollendeten 37. SSW ist die Geburt indiziert (AWMF, 2019).
Abbildung 1: Übersicht zum postpartalen Management einer Hypertonie Abbildung: erstellt nach S2k-Leitlinie
Die AWMF-S2k-Leitlinie beschreibt drei Phasen der postpartalen Betreuung. Einen Überblick gibt hierzu gibt Abbildung 1.
Kurzfristige Phase
Die erste Phase dauert von der Geburt bis zur Entlassung der Mutter aus dem stationären Bereich. Es gilt zu beachten, dass in den ersten sieben Tagen nach der Geburt ein Risiko für eine Exazerbation der hypertensiven Erkrankung besteht, zum Beispiel in Form eines HELLP-Syndroms bei 7 bis 20 % der Betroffenen oder einer Eklampsie bei bis zu 28 % (AWMF, 2019; Sibai, 2005).
Meist regulieren sich die Blutdruckwerte post partum innerhalb weniger Tage auf Werte unter 140/90 mmHg. Bei 29 bis 57 % der Frauen findet eine Normalisierung innerhalb der ersten drei Tage, bei 50 bis 85 % in der ersten Woche statt. Dies hängt vom Zeitpunkt des Beginns, der Schwere, der Dauer und begleitenden Erkrankungen ab (AWMF, 2019; Bramham et al., 2013).
Bei Müttern mit einer schwangerschaftsinduzierten Hypertonie soll in den ersten zwei Tagen nach der Geburt täglich der Blutdruck gemessen werden. Bei Patentinnen mit Präeklampsie sollen während des stationären Aufenthaltes mindestens viermal täglich die Blutdruckwerte kontrolliert werden. Im Anschluss wird eine Blutdrucküberwachung für mindestens zwölf Wochen empfohlen.
Werte von 150/100 mmHg sollten nicht überschritten werden, da eine erhöhte maternale Morbidität und Mortalität durch eine intrazerebrale Blutung besteht. Falls der Hypertonus nach der Geburt weiterhin besteht, ist es nötig, die medikamentöse Therapie weiterzuführen und gegebenenfalls auf eine orale Gabe umzustellen. Laut S2k-Leitlinie sind folgende Medikamente zur oralen Therapie zugelassen: Alpha-Methyldopa, Nifedipin, Enalapril, Captopril, Labetalol, Atenolol und Metaprolol (siehe Tabelle 1). Bei Frauen mit sinkenden Blutdruckwerten und unauffälligen Laborparametern können ab dem vierten Tag nach der Geburt die Medikamente reduziert werden.
Es gibt teils unterschiedliche Empfehlungen von Sk2-Leitlinie, Embryotox, NICE-Guideline und Herstellern. In jedem Fall ist eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung unabdingbar. Es ist wichtig, mit den betroffenen Frauen zu besprechen, dass Stillen möglich ist, und sie über den Off-Label-Use aufzuklären.
Bei einem Auftreten von Blutdruckkrisen mit Werten von >150–160/100–110 mmHg für mehr als 15 Minuten mit Endorganschäden soll eine kurzfristige intravenöse Therapie begonnen werden. Zur Therapie eignen sich die in Tabelle 2 aufgeführten Medikamente.
Darüber, welches Antihypertensivum in der postpartalen Phase am effektivsten einzusetzen ist, gibt es nur wenig Evidenz. Zum Teil gibt es eine große Diskrepanz zwischen klinischen Erfahrungswerten, der Leitlinienempfehlungen und der Fachinformation. Umso wichtiger erscheint schon bei der Auswahl des passenden Medikaments eine gute Kommunikation mit den Eltern und den Pädiater:innen, Gynäkolog:innen und Internist:innen über die Indikation und Notwendigkeit der Therapie.
Sollte postpartal eine Präeklampsie oder Eklampsie auftreten, sollte auch hier die intravenöse Therapie mit Magnesiumsulfat begonnen werden.
Bei präpartal begonnener intravenöser Magnesiumgabe, soll diese bis 48 h post partum weitergeführt werden. Es sei denn, die Blutdruckwerte liegen nach der Geburt ohne antihypertensive Therapie unter 140/90 mmHg und die präpartale Magnesiumprophylaxe erfolgte über mehr als acht Stunden.
Magnesiumsulfat transferiert in die Muttermilch und zeigt dort eine diskrete Erhöhung des Spiegels. In der Literatur sind jedoch keine neonatalen Effekte aufgrund der geringen Aufnahme durch den Säugling beschrieben.
Eine präpartale intravenöse Gabe über mehr als sechs Stunden kann den Beginn der Laktation um wenige Stunden verzögern (Haldeman, 1993).
Zur Förderung der Mutter-Kind-Bindung soll möglichst schnell nach der Geburt ein Bonding erfolgen. Besonders nach einer Notfallgeburt ist es wichtig, die Mutter maximal zu unterstützen. Auch wenn sie postpartal intensivmedizinisch überwacht wird, sollte sie unmittelbar mit dem Stillen oder Abpumpen von Muttermilch beginnen. Hierfür ist eine optimale Betreuung durch die Hebamme essenziell.
Vor der Entlassung sollen mit der Wöchnerin – nach Möglichkeit im Paargespräch – die Erkrankung, der Verlauf und die Konsequenzen besprochen werden. Wichtig ist es, die Hintergründe und Notwendigkeit der eigenständigen Blutdruckkontrolle zu erklären. Ebenso wesentlich ist die Aufklärung über die Medikation, die aktuelle Studienlage darüber, den Off-Label-Use und den zumeist minimalen Übergang des Wirkstoffes in die Muttermilch und dessen in der Regel nicht signifikanten Auswirkung auf den Säugling.
Mittelfristige Phase
Die mittelfristige Phase stellt die ersten zwölf Wochen nach der Entlassung aus dem stationären Bereich für jene Frauen dar, die dann noch eine medikamentöse Therapie benötigen. In dieser Zeit müssen die Betroffenen eigenständig und regelmäßig ihren Blutdruck messen. Falls noch nicht vorhanden, muss der Wöchnerin ein Blutdruckmessgerät verordnet werden und sie braucht eine Einweisung in die richtige häusliche Handhabung. Ab Blutdruckwerten unter 140/90 mmHg kann die Medikation unter hausärztlicher Kontrolle über wenige Tage ausgeschlichen werden.
Langfristige Phase
Bei 3 bis 6 % der Frauen normalisieren sich die Blutdruckwerte in den ersten zwölf Wochen nach der Geburt nicht. Dies weist auch auf einen vor der Schwangerschaft bestehenden Hypertonus hin. In diesem Fall wird eine weitere internistische Abklärung drei bis sechs Monate oder nach der Stillzeit dringend empfohlen. Aufgrund des Risikos, dass sich ein Hypertonus bis zu zwölf Jahre früher manifestiert als bei Frauen, die in der Schwangerschaft keinen Bluthochdruck hatten, empfiehlt die Leitlinie eine fachärztliche Untersuchung auf kardiovaskuläre Risikofaktoren alle fünf Jahre.
Die Wahrscheinlichkeit einer hypertensiven Schwangerschaftserkrankung in einer Folgeschwangerschaft ist deutlich erhöht: Eine Gestationshypertonie tritt 16 bis 47 % häufiger auf, eine Präeklampsie 14 bis 18 % häufiger. Deshalb sollte Frauen mit entsprechender Anamnese eine präkonzeptionelle Beratung angeboten werden. Mindestens sollten sie im Rahmen des Ersttrimesterscreenings eine Risikoevaluation der präeklamptischen Faktoren angeboten bekommen und gegebenenfalls eine Prophylaxe mit ASS in der Dosis 150 mg/Tag erhalten. (AWMF, 2019; Barton & Sibai, 2005; Brown et al., 2007).
Bei Frauen, die in einer vorangegangenen Schwangerschaft eine hypertensive Erkrankung hatten, besteht auch ein erhöhtes Risiko, in der postpartalen Phase eine Hypertonie zu entwickeln. Somit ist eine ausführliche und gezielte Anamnese in der Wochenbettbetreuung wichtig.
Festzuhalten ist, dass das Stillen unter einer antihypertensiven Therapie möglich ist. Es besteht eine hohe Diskrepanz zwischen klinischen Erfahrungswerten, den unterschiedlichen Leitlinienempfehlungen und der Fachinformation. Deshalb ist eine gute interdisziplinäre Kommunikation und Therapieplanung wichtig, ebenso wie die Aufklärung und Therapiebesprechung mit den Frauen. Während einer intensivmedizinischen Behandlung sollten die betroffenen Mütter möglichst früh mit dem Stillen oder Abpumpen beginnen.
In der Regel ist die Fortführung der präpartal angesetzten Medikation möglich. Die meisten Antihypertensiva können in der Stillzeit angewendet werden, es gibt jedoch wenig Evidenz hierfür. Zugelassen laut S2k-Leitlinie sind Alpha-Methyldopa, Nifedipin, Enalapril, Captopril, Labetalol, Atenolol und Metaprolol. Weniger Erfahrung besteht bei der Anwendung von Amlodipin und anderen ACE-Hemmern, sie ist jedoch möglich. Die Gabe von Diuretika sollte auch in der Stillzeit vermieden werden.
Insgesamt besteht bei Früh- und Mangelgeborenen eher das Risiko einer Bradykardie oder eines Blutzuckerabfalls unter einer antihypertensiven Therapie (Einzelfallbeschreibungen). Deshalb sollten entsprechende Therapien mit den betreuenden Pädiater:innen besprochen werden. Um klarere Empfehlungen geben zu können und eine höhere Evidenz zu erhalten, bedarf es unbedingt weiterer Forschung und Drug-Monitoring-Studien.
Birgit Heimbach: Nach welchen Empfehlungen richten Sie sich? Wie wägen Sie die teils unterschiedlichen Einschätzungen von Sk2-Leitlinie, Embryotox, NICE-Guideline und der Hersteller gegeneinander ab?
Andrea Grabisch: An erster Stelle stehen die Empfehlungen der S2k-Leitlinie. Zudem findet eine interdisziplinäre Abstimmung mit den Internist:innen statt.
Haben Sie schon alle der aufgelisteten Medikamente verwendet? Welches Medikament verwenden Sie, wenn die Mutter stillt?
Ja, alle Medikamente wurden bereits eingesetzt. Die Auswahl hängt von der jeweiligen Indikation ab.
Wie klären Sie die Frauen über den Off-Label-Use auf? Gibt es da besondere Risiken?
Die Aufklärung über den Off-Label-Use kann nur durch einen Arzt oder eine Ärztin erfolgen. Hierbei wird erläutert, dass es für das Medikament keine Zulassung für diese Indikation gibt. Dem liegt zu Grunde, dass keine Studien an Schwangeren durchgeführt werden. Die Anwendung beruht auf hohen Erfahrungswerten und ist immer eine Nutzen-Risiko-Abwägung. Die Effekte, die auf das Kind zu erwarten sind, sind sehr gering. Mit der Aufklärung wird die Verantwortung auf die Patientin übertragen.
Wann empfehlen Sie aufgrund der Medikamentengabe, für die Sie sich aus einem bestimmten Grund entschieden haben, tatsächlich ein Abstillen?
Die Empfehlung zum Abstillen erfolgt in Rücksprache mit dem verordnenden Arzt oder der Ärztin und bedarf einer interdisziplinären Beratung mit Pädiater:innen und Internist:innen. Grund sind beim Kind aufgetretene Nebenwirkungen und die Einnahme von Diuretika.
Danke!
Barton, J.R., Sibai, B.M. (2008). Prediction and prevention of recurrent preeclampsia. Obstet Gynecol, 112: 359–372.
Bramham, K., Nelson-Piercy, C., Brown, M.J. et al. (2013). Postpartum management of hypertension.BMJ; 346: f894.
Brown, M.A., Buddle, M.L., Farrell, T. et al. (1998). Randomised trial of management of hypertensive pregnancies by Korotkoff phase IV or phase V. Lancet, 352: 777–781.
Brown, M.A., Lindheimer, M.D., de Swiet, M. et al. (2001). The classification and diagnosis of the hypertensive disorders of pregnancy: statement from the International Society for the Study of Hypertension in Pregnancy (ISSHP). Hypertens Pregnancy, 20: IX–XIV.
Brown, M.A., Mackenzie, C., Dunsmuir, W. et al. (2007). Can we predict recurrence of pre-eclampsia or gestational hypertension? BJOG. 114: 984–993.
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Martin, J.N., Jr., Thigpen, B.D., Moore, R.C. et al. (2005). Stroke and severe preeclampsia and eclampsia: a paradigm shift focusing on systolic blood pressure. Obstet Gynecol, 105: 246–254.
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Sibai, B.M. (2005). Diagnosis, prevention, and management of eclampsia. Obstet Gynecol, 105: 402–410.