Abholen zu Hause
Um 2.30 Uhr klingelt es erneut: Anna hat eine Frage zur Farbe des Fruchtwassers. Ich erkläre ihr die unterschiedlichen Farben und deren Bedeutungen und kann sie beruhigen. Meine persönliche Betreuung wünscht sie noch nicht. Daher schlafe ich nochmal, bis sich Anna um 4.20 Uhr wieder meldet. Die Wehen kommen bei ihr nun alle drei bis vier Minuten und Anna hat angefangen mitzupusten. Daher fahre ich zu ihr nach Hause.
Aufgeregt öffnet ihr Mann Carsten mir die Tür. Ich husche zuerst ins Bad und wasche mir die Hände. Anna steht mit geschlossenen Augen im Wohnzimmer und atmet sich einen Atemzug nach dem anderen durch die Wehe, bevor sie hochschaut. Ich sehe die Erleichterung in ihren Augen, dass ich da bin. Ich nehme sie in den Arm: „Heute bekommen wir euer Baby!” Wir veratmen ein paar Wehen gemeinsam, während ich die Herztöne abhöre. Alles ist wunderbar. Nach einer Untersuchung entscheiden wir, in die Klinik zu fahren. Das Fruchtwasser ist weiterhin klar, dem Baby geht es gut und der Muttermund hat sich auf fünf Zentimeter geöffnet. Ich bin stolz auf die beiden.
Ich fahre voraus zur Klinik, wir treffen uns dort wieder. Die Akte habe ich schon besorgt und die Anmeldung erledigt, so dass wir direkt in den Kreißsaal gehen können. Anna pustet mittlerweile sehr stark mit. Die diensthabende Ärztin verzichtet auf einen Ultraschall, da Anna kurz vor der Geburt steht. Alles verläuft sehr schnell und problemlos. Um 7.52 Uhr wird der kleine Mattis geboren. Anna und Carsten sind gerührt, knien über ihrem kleinen Bündel und begrüßen ihren Sohn mit wunderschönen Worten. Wir fallen uns alle glücklich in die Arme. Wir waren ein super Team! Um 12.30 Uhr geht die frische Familie den Gang entlang zur Tür hinaus. Dies ist einer meiner Lieblingsmomente. Sie gehen nach Hause, glücklich und voller Stolz. Wieder ist ein Baby ruhig und sicher geboren worden und wieder hat ein Paar mit unserem Team in der Klinik eine schöne und selbstbestimmte Geburt erlebt. Für mich stehen nun noch zwei wichtige Hausbesuche an und dann geht es ab ins Bett. Am Abend fahre ich zum ersten Hausbesuch zu Anna, Carsten und Mattis. Wir sind alle noch auf Wolke Sieben.
Das Konzept
Seit Juni 2014 arbeiten zwei Kolleginnen und ich im Hamburger Marienkrankenhaus als Kooperationshebammen im Belegsystem, neben einem Klinikteam aus angestellten Hebammen. Das Konzept haben wir zu dritt neu aufgebaut und dort eingeführt. Nach kurzer Zeit haben wir eine vierte Kollegin aufgenommen und arbeiten nun in dem für uns idealen Team.
Pro Monat betreuen wir neun bis zwölf Frauen. Die Schwangeren melden sich telefonisch oder per E-Mail bei uns, oft schon kurz nach dem positiven Schwangerschaftstest. Hierfür stehen unsere jeweiligen Telefonnummern sowie eine gemeinsame E-Mail-Adresse auf unserer Homepage. Mit dem ersten Telefonat erklären wir den Frauen unser Betreuungsmodell und das Belegkonzept. Bei Interesse vereinbaren wir ein Vorgespräch mit dem Paar. Dies folgt in der 12. bis 14. Schwangerschaftswoche.
Hausbesuche fürs Kennenlernen
Wir achten darauf, dass die Frauen alle Hebammen des Teams in der Schwangerschaft kennenlernen. Die Termine finden bei den Familien zu Hause statt. In der 16. Schwangerschaftswoche beginnen wir mit der ersten Hebammenvorsorge. Ab jetzt finden alle Vorsorgeuntersuchungen im Wechsel zwischen dem Gynäkologen oder der Gynäkologin und uns statt. Die Herztöne werden mit dem Pinard-Rohr und einem Dopton gehört. Ab der 35. Schwangerschaftswoche schreiben wir auch ein CTG zu Hause. Oft ist es den Männern möglich, dabei zu sein. Sie lernen von uns die Leopoldschen Handgriffe und hören zum ersten Mal die Herztöne mit dem Pinard.
Neben dem Geburtsvorbereitungskurs verabreden wir weitere Termine, in denen wir zum Beispiel über die Erstausstattung beraten oder über das Stillen aufklären. Wir planen rechtzeitig ein Geburtsgespräch, um Wünsche, Vorstellungen und Abläufe zur Geburt zu besprechen. Dies dient ebenfalls der Aufklärung über möglicherweise akut notwendige Medikamentengaben oder eventuelle Notfälle im Kreißsaal. Auch diese Termine teilen wir untereinander auf. Bei Beschwerden bieten wir Akupunktur oder Taping an. So sieht jede Frau die verschiedenen Hebammen des Teams mindestens dreimal und die Familien und die Hebammen können sich in Ruhe kennenlernen.