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Ein Gutachten aus Hessen zeigt einmal mehr, dass es zu wenige Hebammen gibt, um eine ausreichende geburtshilfliche Versorgung zu gewährleisten. Der Mangel macht Hebammen unzufrieden und erschöpft, besonders wenn sie wenig vernetzt sind und eine gegenseitige Vertretung oder Entlastung nicht leicht organisieren können. Das betrifft Angestellte wie auch Freiberuflerinnen. Im Gutachten folgen daraus auch Lösungsvorschläge, um Teams zu stärken und handlungsfähig zu erhalten.

Dass es zu wenige Hebammen gibt, ist durch Studien belegt (Bauer et al. 2020; Albrecht et al. 2019). Nicht nur die außerklinische Betreuung in hebammengeleiteten Einrichtungen und im häuslichen Umfeld, sondern auch der stationäre Bereich in Geburtskliniken ist betroffen (Blum & Löffert 2021). Großen Einfluss auf den Hebammenmangel haben die allgemeinen Arbeitsbedingungen.

Das »Gutachten zur Situation der Hebammenhilfe in Hessen« wurde vom Hessischen Ministerium für Soziales und Integration in Auftrag gegeben. Ziel war es, auf der Basis von Statistik und Befragungen Maßnahmen für eine bessere Versorgung von Schwangeren, Gebärenden und Müttern mit Hebammenleistungen im Bundesland abzuleiten. Untersucht wurde die Situation der Hebammen in der klinischen und außerklinischen Geburtshilfe sowie bei vor- und nachgeburtlichen Betreuungsleistungen.

Um trotz Hebammenmangel die Versorgungsqualität zu gewährleisten, sind viele Hebammen über ihre Grenzen gegangen (Albrecht et al. 2019). So schätzten in der vorliegenden Studie zur Situation in Hessen fast 30 % der 641 befragten Hebammen ihren psychischen Gesundheitszustand weniger gut bis schlecht ein. Hinsichtlich der Konsequenzen einer solchen Entwicklung wurde von 37 % der Hebammen angegeben, dass sie mit dem Gedanken gespielt hätten, ihren Beruf als Hebamme aufzugeben. Als Hauptgrund für die Berufsaufgabe wurde von knapp 61 % eine zu hohe berufliche Belastung angegeben (Bauer et al. 2020; Badenberg 2020).

Abbildung 1: Verteilung der Hebammen aus dem Gutachten Hebammen­hilfe in Hessen (n=641) Abbildung: © Bauer et al 2019

Aktuelle Situation in Hessen

Trotz der herausfordernden Umstände sind 71 % der befragten Hebammen in Hessen grundlegend mit ihrer Berufswahl zufrieden. Aber wie auch aus nationalen Studien bekannt ist, gaben sie an, dass zu viele Überstunden mit einem Gefühl der Belastung einhergingen (BAuA 2016). Dabei ging eine größere Unzufriedenheit mit einer durchschnittlich höheren Zahl an Überstunden einher.

Hebammen im klinischen Bereich, die sich stark bis sehr stark belastet fühlten, gaben durchschnittlich 82 Überstunden zum Zeitpunkt der Befragung an. Insgesamt berichtete jede zweite Hebamme (49 %), dass sie sich durch ihre Arbeit (sehr) stark belastet fühle. 39 % fühlen sich mittelstark belastet und nur 11 % der Hebammen fühlen sich überhaupt nicht bis wenig belastet.

Zu selten als Team: außerklinisch tätige Hebammen

Von allen befragten Hebammen aus Hessen sind 84 % in der direkten Versorgung von Frauen und Familien im außerklinischen Umfeld tätig (in ausschließlich außerklinischer Tätigkeit oder in Mischform mit einer klinischen Tätigkeit, siehe Abbildung 1). Die durchschnittliche Arbeitszeit beträgt 30 Stunden pro Woche. Für nicht-originäre Hebammentätigkeiten, wie beispielsweise Apothekeneinkäufe, Instandhaltung der Praxisausstattung, Auf- und Abbau von Kurseinheiten werden im Mittel drei Stunden pro Woche benötigt.

Ein großes Thema in der Arbeitsorganisation der außerklinisch tätigen Hebammen ist die fehlende Vernetzung. Die Befragung zeigte, dass 78 % der Hebammen alleine arbeiten, ein Viertel arbeitet mit einer weiteren Kollegin zusammen und 17 % arbeiten in einem Team mit mindestens zwei weiteren Hebammen zusammen.

Nach § 9 der »Berufsordnung für Hebammen und Entbindungspfleger Hessen (HebBO) – Vertretung, Wahlfreiheit« sind Hebammen dazu verpflichtet, eine Regelung zur gegenseitigen Vertretung vorzuhalten. Allerdings haben 29 % der befragten freiberuflich tätigen Hebammen angegeben, dass sie zumindest für das Jahr 2018 nicht entsprechend der gesetzlichen Vorgaben eine geregelte Urlaubsvertretung organisieren konnten. Ein kleiner Anteil von 7 % der Hebammen gab ein alternatives Vertretungsmodell an. Hier wurde beispielsweise genannt, dass vor und nach dem geplanten Urlaub keine Betreuungen angenommen würden, oder dass die (werdenden) Eltern sich eigenständig eine Vertretungshebamme suchen müssten. Allerdings besteht bei diesem Modell die Herausforderung, dass Frauen, die nicht im unmittelbaren Zeitfenster rund um den errechneten Termin gebären, ohne Hebammenversorgung sind. Besonders betroffen sind beispielsweise Frauen mit Schwangerschaftsverlusten.

Flächendeckend fehlt es an Begleit-Beleghebammen. Nur 4 % der Hebammen haben diese Leistung in ihrem Portfolio. Nur 5 % der befragten 1.530 Mütter hatten zur Geburt in der Klinik eine Begleit-Beleghebamme. Ein Viertel der Frauen (26 %) hätten sich eine solche Betreuung gewünscht, aber gaben an, keine Begleit-Beleghebamme mit freien Kapazitäten gefunden zu haben.

Abbildung 2: Maßnahmen der Kliniken zur Akquise und Bindung von Hebammen Abbildung: © DKI/hsg

Hebammen-Teams in der Klinik

Die Belastung, unter der die klinisch tätigen Hebammen stehen, zeigt sich unter anderem dadurch, dass sie durchschnittlich 2,5 Geburten gleichzeitig in einem Dienst betreuen. Drei von vier Hebammen betreuen mindestens zwei Gebärende parallel und jede Vierte mindestens drei Gebärende parallel in einem Dienst. Zusätzlich zu ihren originären Hebammentätigkeiten müssen sie ein großes Aufgabenspektrum abdecken: Neben der Hilfe bei Wehen und der Geburt sind Hebammen in fast allen Kliniken (97 %) etwa für das Bestellwesen und in 91 % der Krankenhäuser für die Anmeldesprechstunde zuständig. Auch Reinigungstätigkeiten gehören meist zu ihren Alltagsaufgaben (siehe Abbildung 2). Die Klinik-Hebammen gaben hierzu an, dass sie durchschnittlich 29 Stunden im Monat mit nicht-originären Hebammentätigkeiten beschäftigt seien. 42 % berichteten, dass sie innerhalb ihres Kreißsaaldienstes die gynäkologische Ambulanz mitversorgen müssten. Jede zweite Hebamme davon muss diese Tätigkeit zu jeder Zeit übernehmen, jede dritte am Wochenende und jede vierte Hebamme auch in der Nacht. Trotz dieser erheblichen zusätzlichen Tätigkeiten wird nur rund jede dritte Befragte von anderen Berufsgruppen unterstützt, beispielsweise durch Medizinische Fachangestellte (MFA) oder von Stations-/Kreißsaalhilfen.

Entlastende Maßnahmen wie die Einführung eines Rotationssystems zwischen Kreißsaal und Wochenbettstation konnten nur 19 % der klinisch tätigen Hebammen bestätigen. Auch besondere Versorgungskonzepte, wie beispielsweise den Hebammenkreißsaal, berichteten nur 10 % der Befragten. Gut jede zweite Klinik habe Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen eingeleitet und in jeder dritten Geburtsklinik seien flexible Arbeitszeiten für die Hebammen eingeführt worden (siehe Abbildung 2).

Empfehlungen für Freiberuflerinnen

In Workshops mit Expert:innen aus Praxis und Politik wurden gemeinsam Vorschläge erarbeitet, um die Situation für die außerklinisch tätigen Hebammen zu verbessern.

Die Arbeit im Team scheint dabei einen zentralen Themenschwerpunkt darzustellen. Außerklinische Hebammen arbeiten größtenteils noch alleine ohne eine Kollegin und können so bei Krankheit oder Urlaub zum Teil keine Vertretung gewährleisten. Über einen längeren Zeitraum führt dies zu einer erhöhten Belastung. Darüber hinaus berichten Hebammen, die den Beruf verlassen haben, dass sie sich zum (Wieder-)Einstieg in die außerklinische Versorgung eine bessere Vernetzung mit Kolleginnen aus der Umgebung wünschten. Zur Lösung des Problems wurden verschiedene Wege betrachtet:

Etablierung und Unterstützung von ambulanten Hebammendiensten

Ein ambulanter Hebammendienst kann analog zum ambulanten Pflegedienst organisiert und betrieben werden. Hebammen arbeiten dann im Team zusammen und betreuen gemeinsam Schwangere und Wöchnerinnen. Hier sollten die Möglichkeiten der Anstellung von Hebammen zuvor geprüft werden. Die Organisation sowie die Betreuung der Frauen werden anhand eines Dienstplanes gestaltet, dies bietet den Vorteil von geregelten Arbeitszeiten, freien Wochenenden, Urlaub und Vertretung im Krankheitsfall.

Hebammenzentrale(n) für die Vermittlung

Für die Vermittlung von Hebammen beziehungsweise Hebammenterminen kann die Einrichtung einer Koordinierungsstelle sinnvoll sein. Hier können sich Hebammen mit ihrem Leistungsangebot registrieren sowie gegebenenfalls freie Kapazitäten anmelden. Schwangere und Mütter können dadurch wohnortnah und für einen bestimmten Zeitraum eine Hebamme finden. Die Koordinierungsstelle führt kostenlos Hebammen und Frauen zusammen.

Solche Zentralen können kurzfristig freigewordene Kapazitäten vermitteln und bei Krankheit oder Urlaub einer Hebamme deren Klientinnen dabei unterstützen, eine Vertretung zu finden. Vorteilhaft ist eine wohnortnahe Vermittlung von Schwangeren und Wöchnerinnen, womit sich die Fahrzeiten der Hebammen reduziert und die verfügbare Betreuungszeit erhöht. Manche Hebammenzentralen bieten auch Fortbildungen und Kennenlerntreffen an. Hebammen mit geringerer Berufserfahrung und allein arbeitende Hebammen scheinen besonders zu profitieren (Luksch, Villmar & Bauer 2020).

Unterstützung von Begleit- Beleghebammen

In Hessen gibt es nur wenige Begleit-Beleghebammen. Finanzielle Anreize könnten dies eventuell ändern. Auch die Kliniken können dazu beitragen, sie besser in den klinischen Alltag einzugliedern, beispielsweise durch Befreiung vom Kreißsaal-Putzen oder von administrativen Aufgaben (Bauer et. al 2019).

Angebote für Wiedereinsteigerinnen und Rückkehrerinnen

Ein Mentoring-Programm kann Wiedereinsteiger:innen im klinischen und außerklinischen Setting die Einarbeitung und die erste Zeit erleichtern. Mentor:innen sollten zur Seite gestellt und eine individuelle Einarbeitungszeit sowie ein angepasstes Vorgehen vereinbart werden.

Hebammenbonus

In einigen Bundesländern gibt es einen einmaligen Gründungszuschuss (etwa in Sachsen oder Bayern): Freiberuflichen Hebammen wird der Einstieg in den Beruf oder die Wiederaufnahme der Tätigkeit finanziell erleichtert.

Hebammenteams in den Kliniken
Bessere Arbeitsbedingungen!
Zwar wurden bereits vereinzelt Maßnahmen zur Entlastung der Hebammen in den Geburtskliniken eingeführt, doch im Pflegebereich sind Tätigkeiten zur Entlastung oder Bindung von Pflegefachpersonen deutlich umfassender (DKI 2018; Blum et al. 2018). Der Deutsche Hebammenverband e.V. (DHV) fordert, dass dies nun auch in der Geburtshilfe stattfindet (DHV 2018). Möglichkeiten zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Hebammen in den Kliniken sind:

Entlastung von Nebenaufgaben

Es werden mehr Entlastungen der Hebammen von der Arbeit in der gynäkologischen Notfallambulanz vorgeschlagen. Solche Organisationversänderungen führen nicht nur zu Entlastung, sondern auch zu zunehmender Arbeitszufriedenheit. Es sollte über weitere Entlastungen von Nebenaufgaben durch Delegation an andere Berufsgruppen nachgedacht werden. Durch die Befreiung von Tätigkeiten wie beispielsweise Reinigungsarbeiten oder Materialwirtschaft werden die Hebammen nicht nur entlastet, sondern es werden auch zusätzliche Kapazitäten in der Betreuungsarbeit frei.

Alternsgerechtes Arbeiten

Die Arbeit sollte sich an den spezifischen Fähigkeiten und Bedürfnissen der einzelnen orientieren. Das Konzept des »alternsgerechten Arbeitens« berücksichtigt etwa Weiterbildungsbedürfnisse und -notwendigkeiten mit Freistellungen für ein Studium oder Fortbildungen sowie passenden finanziellen Unterstützungen, Gesundheitsschutz oder alternsgerechte Dienstplangestaltung. Dienstpläne sollten gesundheitsgerecht, partizipativ, flexibel und verlässlich gestaltet werden. Arbeitsüberlastungen sollten auch bei Personalausfällen vermieden werden und insbesondere den über 55-Jährigen sollte es ermöglicht werden, nicht mehr am Nachtdienst teilzunehmen.

Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie im Arbeitsalltag sollte Unterstützung bei Kinderbetreuung beispielsweise durch Betreuungsplätze oder Zuschüsse, Ferien- und Wochenendbetreuung sowie Notfall- und Randzeitenbetreuung geleistet werden. Ähnliches gilt auch, wenn Angehörige gepflegt werden müssen.

Förderung innovativer Versorgungskonzepte in den Kliniken

Interdisziplinäre Fallbesprechungen verbessern die Zusammenarbeit und Akzeptanz aller beteiligten Berufsgruppen. Befürwortet wird eine Ausweitung moderner Versorgungskonzepte wie beispielsweise der Hebammenkreißsaal. Das Versorgungskonzept für Frauen und ihre Familien stellt die physiologische Geburt, die Betreuungskontinuität und die Bedürfnisse der Nutzerinnen in den Mittelpunkt (Bauer 2011). Obligatorische oder freiwillige Rotationen in besonders belastenden Tätigkeitsbereichen erhöhen die Arbeitszufriedenheit der Hebammen in den Kreißsälen sowie die Versorgungsqualität. Kliniken sollten gezielt unterstützt werden, innovative Arbeits- und Versorgungskonzepte zu entwickeln und umzusetzen.

Fazit

Unzufriedenheit und Überforderung durch zu hohe Arbeitsbelastung führen häufig dazu, dass Hebammen in Teilzeit ausweichen, aus der klinischen Geburtshilfe aussteigen oder ganz aus dem Beruf ausscheiden. Auf unterschiedlichen Ebenen sollte gehandelt werden, um die jeweiligen Belastungen zu senken und die Arbeitsbedingungen zu verbessern.

Die Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Hebammen ist eine zentrale Stellschraube, um langfristig die geburtshilfliche Versorgung gut und flächendeckend gewährleisten zu können. Außerklinische und klinische Strukturen sollten grundlegend optimiert und aufgebaut werden, damit Hebammen gesund bleiben und gerne in ihrem Beruf arbeiten (siehe Kasten, Seite 38).

Die Arbeit in Hebammenteams, inner- sowie außerklinisch, ist dabei ein essenzieller Faktor, der zur Entlastung der einzelnen Hebamme und gleichzeitig zur Verbesserung der Gesamtversorgung mit Hebammenhilfe beitragen kann.

Zitiervorlage
Löffert, S. et al. (2021). Hebammen, vernetzt euch! Deutsche Hebammen Zeitschrift, 73 (9), 34–38.
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