Paradiesische Zustände, wenn nicht …
Kipili ist ein kleiner Ort mit etwa 2.000 Einwohnern am Ufer des Tanganjika-Sees. Das Projekt der Basisgesundheitsversorgung, bei dem ich mitarbeiten konnte, umfasst 34 Dörfer am tansanischen Ufer des Sees auf einer Länge von etwa 150 Kilometern. Über 120.000 Menschen leben hier in kleinen Dörfern fast ausschließlich von Fischfang und Feldarbeit. Das Land ist fruchtbar und sehr grün, es gibt viele Reis- und Maisfelder, außerdem wird Gemüse angebaut und es wachsen sehr stattliche Mangobäume. Jede Menge Ziegen und Hühner leben dort und zurzeit gibt es auch noch genügend Fische. Eigentlich paradiesische Zustände – solange man das Kunststück fertig bringt, nicht krank oder schwanger zu werden, keinen Unfall zu haben und keinem Krokodil zu begegnen.
Das Projekt beinhaltet Gesundheitsschulung der Dorfbewohner, den Bau von Brunnen und Toiletten, Impf- und Vorsorgeaktionen für Frauen, Schwangere und Kinder, Schulung von DorfgesundheitshelferInnen und traditionellen Hebammen und einzelne kleinere Programme, wie beispielsweise Bienenzucht.
Meine Aufgabe bestand zunächst in der Begleitung der Krankenschwestern-Hebammen – examinierte, staatlich geprüfte Krankenschwestern beziehungsweise Hebammen mit einer vier- bis fünfjährigen Ausbildung nach englischem Vorbild – bei ihren Einsätzen als „Mobile Clinic”. Meist mit dem Boot fuhren wir jeden Tag in ein anderes Dorf und wurden dort schon erwartet von einer Schar Müttern mit ihren kleinen Kindern, von Schwangeren und Frauen, die eine Beratung zur Familienplanung in Anspruch nahmen. Letztere bekamen von uns Verhütungsmittel, meistens die Dreimonatsspritze, die Pille oder ein Verhütungsstäbchen als Implantat. Leider wurden wenig Kondome gewünscht, was bei der hohen HIV-Rate eine wichtige Prophylaxe wäre.
Zu Beginn hielt eine der Krankenschwester-Hebammen des Projektes einen Vortrag zur Gesundheitserziehung. Es ging dabei um Hygiene und Impfungen. Dann wurden die kleinen Kinder unter großem Geschrei mit Hosenträgern oder Tüchern an einer Waage hängend gewogen und geimpft. In der Regel bekamen sie die Sechsfach-Impfung, so wie sie auch in Deutschland von der Ständigen Impfkommission empfohlen wird.
In den meisten Dörfern gibt es kleine staatliche Krankenstationen mit einer Krankenschwester-Hebamme, mit der eine gute Zusammenarbeit besteht. Allerdings können diese Kolleginnen keine Impfungen durchführen, da die Impfseren gekühlt sein müssen. Wir hatten die Medikamente in einem der wenigen Krankenhäuser geholt und auf der Reise in Boxen gekühlt.
Die Schwangerenvorsorge und die Impfaktionen werden parallel absolviert, Wiegen und Impfen geschieht im Freien. Für die Schwangeren wird ein Raum in einem Wohnhaus oder einer kleinen, vom Projekt gebauten Gesundheitsstation mit einem Vorhang abgetrennt und eine Matte auf den Fußboden gelegt.
Die Schwangeren kommen erst spät zu einer Vorsorge, oft sind sie schon im siebten oder achten Schwangerschaftsmonat. Der Gesundheitszustand der meisten von ihnen ist nicht schlecht: Es sind zähe, starke Frauen, aber sie sind zu häufig schwanger, oft erleben sie die sechste oder siebte Schwangerschaft – oder sie sind zu jung. Wir sahen einige 16-jährige Schwangere und sogar ein 15-jähriges, geistig behindertes, schwangeres Mädchen, das missbraucht worden war.